Von "Kunstsammlungen der Stadt Nürnberg, Museen der Stadt Nürnberg"
Museen der Stadt Nürnberg
Der Maler, Zeichner, Kupferstecher und Verleger Johann Andreas Graff (1636-1701) war über 20 Jahre lang mit der berühmten Naturforscherin und Künstlerin Maria Sibylla Merian verheiratet. Er gilt heute als vergessen und in seiner Leistung verkannt. Seine äußerst genauen Stadtansichten gehören jedoch zum Besten, was auf diesem Gebiet zu seiner Zeit geleistet wurde. Mit dieser Ausstellung soll Johann Andreas Graff eine längst verdiente Würdigung erfahren. Es sind Ansichten aus Nürnberg zu sehen, die durch ihre äußerste Genauigkeit in der Wiedergabe der Details bestechen und uns heute – neben ihrer hohen künstlerischen Ästhetik – einen hervorragenden Eindruck des alten Nürnberg geben.
Stadtplan der Stadt Nürnberg aus dem Jahr 1648 (1648) von Matthäus MerianKunstsammlungen der Stadt Nürnberg, Museen der Stadt Nürnberg
Ansicht der Stadt Nürnberg in der Mitte des 17. Jahrhunderts.
Ansicht der Stadt Nürnberg in der Mitte des 17. Jahrhunderts.
6 Egidienplatz
Egidienplatz (früher Dillinghof) nach Norden mit Pellerhaus und romanischer Egidienkirche (1682) von Johann Andreas GraffKunstsammlungen der Stadt Nürnberg, Museen der Stadt Nürnberg
Der Egidienplatz im Jahr 1682
Trotz aller Veränderungen gleicht die Topographie des Platzes der heutigen Situation.
Beherrscht wird er von der Fassade des Pellerhauses, das Graff als eines der schönsten Renaissancebürgerhäuser Deutschlands zeigt.
Das Pellerhaus am Ende des 19. Jahrhunderts. Im 2. Weltkrieg wurde es größtenteils zerstört.
Der jetzige Bau, der von den Architekten Fritz und Walter Mayer unter Einbeziehung alter Bausubstanz in den 1950er Jahren errichtet wurde.
Egidienplatz (früher Dillinghof) nach Norden mit Pellerhaus und romanischer Egidienkirche (1682) von Johann Andreas GraffKunstsammlungen der Stadt Nürnberg, Museen der Stadt Nürnberg
Den Platz prägt auf ähnliche Weise die damals noch romanische Egidienkirche, die 1696 abbrannte und die Johann Andreas Graff hier für die Nachwelt überlieferte.
Bei dem Brand im Juli 1696 wurden die Egidienkirche und das angrenzende Gymnasium fast vollständig zerstört.
Egidienplatz nach Osten mit Ruinen von Kirche und Gymnasium nach dem Brand von 1696 (1696) von Johann Andreas GraffKunstsammlungen der Stadt Nürnberg, Museen der Stadt Nürnberg
Die von Graff gezeichnete Ansicht schildert die Folgen der Brandkatastrophe nicht nur bildlich, sondern auch in einer umfangreichen Legende über der Abbildung.
König Konrad III. stiftete das Kloster für Schottenmönche aus Regensburg, die ab 1150 eine romanische Basilika mit anschließender Klosteranlage einschließlich einer Klosterschule errichteten. Letztere wurde nach der Reformation ab 1526 als erste Schule nach den humanistischen Prinzipien Philipp Melanchthons eingerichtet. Der aus Thüringen zugewanderte Vater von Johann Andreas Graff war Rektor dieser Schule und er selbst wurde wahrscheinlich im "Rectoris Hauß" (Markierung "r") geboren.
In den Jahren 1711 bis 1718 wurde auf den Überresten des Vorgängerbaus eine barocke Kirche neu errichtet.
Am 4. September 1718 fand die Wiedereinweihung der Kirche St. Egidien statt. Die prachtvoll Stuckaturen im Inneren gelten als das Hauptwerk des aus Italien stammenden Künstlers Donato Polli.
Stadtplan der Stadt Nürnberg aus dem Jahr 1648 (1648) von Matthäus MerianKunstsammlungen der Stadt Nürnberg, Museen der Stadt Nürnberg
7 Heilig-Geist-Spital
Innenraum der ehemaligen Heilig-Geist-Kirche nach Osten (1696) von Johann Andreas GraffKunstsammlungen der Stadt Nürnberg, Museen der Stadt Nürnberg
Der Nürnberger Kaufmann und Ratsherr Konrad Groß, der zu den reichsten Männern seiner Zeit im Deutschen Reich gehörte und sogar Kaiser Ludwig dem Bayern und seinem Nachfolger Karl IV umfangreiche Darlehen gewährte, tat sich durch viele fromme Stiftungen hervor. Unter ihnen war das HeiligGeist-Spital, das 1339 gegründet wurde, die bedeutendste: sowohl Sieche und chronisch Kranke (ohne ansteckende Krankheiten) als auch arme, nicht mehr arbeitsfähige Nürnberger wurden aufgenommen. Ursprünglich für 200 Insassen gedacht, wuchs das Spital durch Zustiftungen zu einer beachtlichen Größe heran. Als fromme Stiftung erhielt es eine großzügige gotische Kirche.
Der Prospekt der barockisierten Kirche zeigt genau den sogenannten Heiltumsschrein, der als Aufbewahrungsort der Spitze der Heiligen Lanze und eines Spans vom Kreuz Christi vom Gewölbe des Chorraumes herabhing. Alle anderen Reichskleinodien sowie der Krönungsornat waren im obersten Stock der Sakristei links neben dem Chor hinter einer massiven Eisentür vor Diebstählen geschützt und von 1424 bis 1796 hier aufbewahrt. Die im Weltkrieg total zerstörte Kirche wurde als Raumschale wieder aufgebaut und wird als Mehrzweckversammlungsraum genutzt.
Eine Kopie des Heiltumsschreins ist heute im Stadtmuseum im Fembo-Haus zu sehen. Das Original befindet sich als Leihgabe der evangelischen Kirchenstiftung Heilig-Geist im Germanischen Nationalmuseum.
Stadtplan der Stadt Nürnberg aus dem Jahr 1648 (1648) von Matthäus MerianKunstsammlungen der Stadt Nürnberg, Museen der Stadt Nürnberg
4 Frauenkirche
Innenraum der Frauenkirche nach Osten mit Emporen der Barockzeit (1696) von Johann Andreas GraffKunstsammlungen der Stadt Nürnberg, Museen der Stadt Nürnberg
Die Hallenkirche wurde mit "Superweitwinkel" vom Künstler gezeichnet. Von einem stark erhöhten Standort sind die nachträglich in die gotische Kirche eingebauten und heute nicht mehr vorhandenen Emporen gut zu sehen.
Obwohl die Orgel durch eine der vier massiven Säulen auf der rechten Empore etwas verdeckt wird, zeichnete sie Graff besonders sorgfältig, denn Kirchenmusik spielte zu seiner Zeit eine große Rolle in Nürnberg.
Die gotische Frauenkirche an der Ostseite des Hauptmarktes gehört zu den drei bedeutendsten Kirchen Nürnbergs. Die Spuren ihrer fast völligen Zerstörung im Zweiten Weltkrieg sind nicht mehr wahrnehmbar.
Bildnachweis: Gregor Peda, Kunstverlag Peda, Passau
Stadtplan der Stadt Nürnberg aus dem Jahr 1648 (1648) von Matthäus MerianKunstsammlungen der Stadt Nürnberg, Museen der Stadt Nürnberg
1 Sebalduskirche
Innenraum der Sebalduskirche nach Osten mit Emporen der Barockzeit (1693) von Johann Andreas GraffKunstsammlungen der Stadt Nürnberg, Museen der Stadt Nürnberg
Der Blick geht durch das mit Apostelfiguren, Totenschilden und Epitaphien geschmückte Langhaus bis zum 1379 vollendeten Hallenchor. Die reiche Ausstattung macht bewusst, dass es in Nürnberg keinen Bildersturm gab. Das patrizische Stadtregiment beließ die weitgehend von wohlhabenden Nürnbergern gestifteten Kunstwerke als Erinnerungsstücke an ihre Vorfahren in den Kirchen.
Insbesondere wurde der Schrein mit den Gebeinen des hl. Sebald in Ehren gehalten, für den 1519, also kurz vor der Einführung der Reformation in Nürnberg, ein Reliquiengehäuse im Renaissancestil von der Erzgießerfamilie Vischer geschaffen wurde. Ab 1230 war über seinem Grab eine Kirche im spätromanischen Stil errichtet worden. Die dazu abschließende Weihe noch zu Ehren des hl. Petrus erfolgte im Jahr 127 4. ln der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts wurde diese Nürnberger Hauptkirche dem Stadtpatron Sebaldus, einem legendären, wundertätigen Eremiten, geweiht.
Das gotische Taufbecken steht hier noch an seinem ursprünglichen Standort zwischen den westlichsten Pfeilern des Mittelschiffes (heute im Westchor). Im 19. Jahrhundert wurden die Emporen und die barocke Ausstattung einschließlich Hochaltar entfernt.
Nürnbergs älteste Pfarrkirche wurde im Zweiten Weltkrieg stark zerstört, die kostbare Innenausstattung konnte aber durch rechtzeitige Auslagerung größtenteils gerettet werden.
Bildnachweis: Pfarrgemeinde St. Sebald
Stadtplan der Stadt Nürnberg aus dem Jahr 1648 (1648) von Matthäus MerianKunstsammlungen der Stadt Nürnberg, Museen der Stadt Nürnberg
28 Maxplatz
Maxplatz (früher Neuer Bau) nach Westen mit Tritonbrunnen (1693) von Johann Andreas GraffKunstsammlungen der Stadt Nürnberg, Museen der Stadt Nürnberg
Auf diesem Blatt gibt Graff ein mit größter Präzision und hervorragender Tiefenwirkung gestaltetes Platzensemble wieder. Jedes einzelne Haus dieser damals neuen und beliebten Wohngegend, "Neuer Bau" genannt, ist hier erkennbar.
Der Kupferstich stellt die drei Brunnen in den Bildmittelpunkt, von denen die beiden Nutzbrunnen zur Wasserentnahme inzwischen verschwunden sind. Lediglich der barocke Tritonbrunnen befindet sich noch an ursprünglicher Stelle. Als Vorbild für den 1687 aufgestellten Brunnen diente Berninis Brunnen in Rom von 1642/43.
Auch wenn sich die Maße dieses Platzes nicht geändert haben, ist doch ein erheblicher optischer Wandel eingetreten. Die Bebauung musste gewaltige Kriegsschäden verkraften. Die dichte Bepflanzung mit Bäumen gibt ihm ein völlig neues Aussehen.
Der Künstler vor dem Herrensitz Lichtenhof (um 1685) von Johann Andreas GraffKunstsammlungen der Stadt Nürnberg, Museen der Stadt Nürnberg
Kurzbiografie Johann Andreas Graff
1636: Geburt in Nürnberg als Sohn eines geachteten Schulleiters am Egidiengymnasium
1653-58: Ausbildung als Maler, Zeichner, Kupferstecher in Frankfurt a. M. in der Werkstatt von Jakob Marrell, Stiefvater von Maria Sibylla Merian
1658-64: Studien- und Arbeitsaufenthalt in Italien mit Stationen Venedig, Genua, Florenz und Rom als Mitglied einer dortigen Malergilde
1665: Rückkehr nach Frankfurt und Hochzeit mit Maria Sibylla Merian
1668: Umzug nach Nürnberg. Lebens- und Arbeitsgemeinschaft mit der "Gräffin" im "Haus zur goldenen Sonne", tatkräftige Unterstützung ihrer Arbeit an den Blumen- und Raupenbüchern; eigene Kupferstiche.
Poetenwäldlein im westlichen Pegnitztal mit Blick auf die Nürnberger Burg in der Ferne (1688) von Johann Andreas GraffKunstsammlungen der Stadt Nürnberg, Museen der Stadt Nürnberg
1682: Rückkehr mit der Familie nach Frankfurt zur Unterstützung der verwitweten und hilfsbedürftigen Schwiegermutter.
1686: Rückkehr nach Nürnberg ohne Familie, dauerhafte Trennung.
Langjährige, intensive Arbeit an umfangreichen Werkgruppen: "Große Stadtprospecte" und "Kleine Landtschäfftlein" zusammen mit Johann Ulrich Kraus und dessen Stecherwerkstatt in Augsburg zur Umsetzung seiner Vorlagen in präzise Stiche; weitere wichtige Arbeiten: Zeichnungen als Auftragsarbeiten von Nürnberger Familien.
1694: Zweite Ehe nach Abschluss des langwierigen Scheidungsverfahrens.
1701: Tod in Nürnberg in aktiver Schaffensperiode als "ehrbarer und kunstreicher Mahler".
Das Gedenkjahr zum 300. Todestag von Maria Sibylla Merian nahmen der Förderverein Kulturhistorisches Museum e.V. und seine Kooperationspartner zum Anlass, dem Zeichner und Kupferstecher Johann Andreas Graff eine Ausstellung zu widmen. Johann Andreas Graff, der über 20 Jahre mit der berühmten Naturforscherin und Künstlerin Maria Sibylla Merian verheiratet war und selbst als vergessen und in seiner Leistung als verkannt gilt, sollte damit endlich eine verdiente Würdigung erfahren.
Gartenanwesen mit Landhaus der Familie Varget im Westen vor der Stadtmauer (vor 1688) von Johann Andreas GraffKunstsammlungen der Stadt Nürnberg, Museen der Stadt Nürnberg
Der Förderverein Kulturhistorisches Museum Nürnberg e.V. wurde als Initiative zur Erhaltung und Darstellung des kulturellen Erbes der ehemaligen Reichsstadt Nürnberg im Januar 2009 gegründet.
Er hat es sich zur Aufgabe gemacht, Forschung und Wissen über die Geschichte Nürnbergs durch Vorträge und Kunstführungen und Publikationen zu fördern.
Das Endziel ist die Förderung und Schaffung eines Kunsthistorischen Museums durch Erweiterung der Museen der Stadt Nürnberg.
www.foerderverein-khm-nuernberg.de
Teil 2 der Ausstellung: Die Lorenzer Altstadt
Diese Ausstellung basiert auf dem Ausstellungskatalog "Johann Andreas Graff, Pionier Nürnberger Stadtansichten"
herausgegeben vom Förderverein Kulturhistorisches Museum Nürnberg e.V.
ISBN 978-3-00-056458-1
Texte und Gestaltung: Dr. Silke Colditz-Heusl, Margot Lölhöffel, Theo Noll, Pablo de Ia Riestra, Dr. Werner Schultheiß, Bertold Frhr. von Haller, Helge Weingärtner
Realisierung: Brigitte List