Das Vermächtnis des Oskar Sala

Mit Hindemith und Hitchcock: Das Leben und Wirken eines großen musikalischen Genies

Oskar Sala am MixturtrautoniumDeutsches Museum

Auf dem Weg zum Synthesizer

Er war einer der bedeutendsten Protagonisten und Pioniere  der elektronischen Musik des 20. Jahrhunderts: Oskar Sala (1910 – 2002). Als Musiker. Komponist und Naturwissenschaftler widmete er sich ganz dem Spiel und der Entwicklung des Trautoniums in den verschiedensten Varianten, eines Instruments, das Ende der 1920er-Jahre von Friedrich Trautwein erfunden wurde und die Erzeugung von Klängen und Geräuschen aller Art ermöglichte. Bis heute gilt das Trautonium als Vorläufer des Synthesizers.

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Geboren wurde Oskar Sala am 18. Juli 1910 in Greiz/Thüringen. Er stammte aus einer kunstaffinen Familie. Mutter Annemarie (1887 – 1959) trat als Sängerin auf, Vater Paul (1874 – 1932) war Augenarzt und förderte die musikalische Begabung seines Sohnes. Bereits als Jugendlicher schrieb Oskar Sala eigene Kompositionen, mit 14 Jahren etwa Sonaten und Lieder für Violine und Klavier. 1926 stellte er bei einem Konzert in seiner Heimatstadt erstmals eigene Werke vor.

Oskar Sala am Trautonium (1930)Deutsches Museum

Nach dem Abitur 1929 ging Sala (hier sitzend am Instrument) nach Berlin, um in die Meisterklasse von Paul Hindemith (1895 – 1963, hinten im Bild mit Fliege) Komposition zu studieren. Hindemith hatte großes Interesse am Bau von Instrumenten, die sich gerade für das damals neue Medium Rundfunk eigneten. In der in der Hochschule seit Mai 1928 angesiedelten Rundfunkversuchsstelle kam er in Kontakt mit Ingenieur Friedrich Trautwein (1888 – 1956, stehend links), der mit dem Trautonium gerade eines der frühesten elektronischen Musikinstrumente entwickelt hatte.

Orchester der ZukunftDeutsches Museum

Bei der öffentlichen Präsentation des Trautoniums am 30. Juni 1930 im Rahmen des Festivals „Neue Musik Berlin“ spielte Sala mit Hindemith und Rudolph Schmidt (1909 – 2007) das Stück: „Die kleinen Stücke für drei Trautonien. Des kleinen Elektromusikers Lieblinge". Zwei Jahre später wurden bei der Sonderschau Elektrische Musik 1932 viele neue elektrische Musikinstrumente vorgeführt: Trautonium, Theremin, Hellertion, Neo-Bechstein-Flügel, Elektrochord, Elektro-Geige und Elektro-Cello als Orchester der Zukunft waren einträchtig beisammen und präsentierten unterschiedliche Techiken der Tonerzeugung, Klangfarben und Spielweisen.

Das Trautonium der Rundfunkversuchsstelle (1930)Deutsches Museum

Das Trautonium kann klingen wie eine Geige, wie eine Oboe oder wie eine Sirene. Es kann aber auch Vokale erzeugen. Es hat keine Tastatur, sondern eine Metallschiene, über die eine mit Widerstandsdraht umwickelte Saite gespannt wird. Wird die Saite auf die Metallschiene gedrückt, wird ein Stromkreis geschlossen und mit Hilfe von Röhren, die sich im Instrument befinden, ein obertonreicher Klang erzeugt, aus dem über Drehschalter gesteuerte Filter verschiedene Klänge herausdestillieren können.

Dieses Exemplar – das Trautonium der Rundfunkversuchsstelle – von 1930 ist das älteste und einzige von dort noch erhaltene Trautonium, das neben der Bedienung durch die Metallschiene und die Regler zur Einstellung der Filter ...

.. auch über das Pedal hier bedient wurde. Damit wurde die Lautstärke gesteuert. Das Instrument hatte keine festen Tonstufen und erzeugte zahlreiche unterschiedliche Klangfarben, die direkt in den Rundfunk eingespeist werden konnten

Trautonium (1930)Deutsches Museum

Danach spezialiserte sich Sala auf die Weiterentwicklung des Trautoniums. Zur Erweiterung seiner mathematisch-naturwissenschaftlichen Kenntnisse studierte er Physik an der Universität Berlin.

Auf Anregung der Firma Telefunken, das Trautonium als Hausmusikinstrument in Serie zu produzieren, entwickelte Oskar Sala das Volkstrautonium, das auf der Berliner Funkausstellung 1933 der Öffentlichkeit präsentiert wurde. Unter der Bezeichnung Trautonien für Hausmusik baute Telefunken 200 Stück, aufgrund des für damalige Verhältnisse stolzen Preises war es kein Markterfolg und wurde nicht weiterproduziert.

Für das Trautonium gab es auch eine eigene Schule für die richtige Bedienung.

Neben der Tonschönheit ließen sich auch die Dynamik des Spiels sowie die Triller, Verzierungen und Klangfarben erzeugen und beeinflussen.

Das Rundfunkttrautonium (1934)Deutsches Museum

1934/35 baute Sala im Auftrag der Reichsrundfunkgesellschaft dann das Rundfunktrautonium, das erste Trautonium, das ganz ohne Mithilfe des Erfinders Friedrich Trautwein entstand. Als Weiterentwicklung seiner Vorgänger hatte es zwei Manuale und zwei Pedale, die unabhängig voneinander auf die Pedale wirkten. Eine seitliche Bewegung der Pedale ermöglichte zudem das Umstimmen der Manuale während des Spiels. Auf dem Instrument, das im Berliner Funkhaus in der Masurenallee stand, entwickelte Sala eine eigene Radiosendung mit dem Titel: „Musik auf dem Trautonium“.

Das Konzerttrautonium (1937)Deutsches Museum

Für weitere öffentliche Auftritte entwickelte Oskar Sala ein weiteres, nun wieder transportables Instrument, das Konzerttrautonium, das wie das Rundfunktrautonium über zwei Manuale und zwei Pedale verfügte, über eine etwas kompaktere Form und nach Angaben von Sala auch über „etwas kühnere subharmonische Zusätze“.

Oskar Sala im FunkhausDeutsches Museum

Erstmals erklang das Instrument im April 1939 im Rundfunk, zur Aufführung kam das „Konzert für Trautonium und Orchester“ des Komponisten Harald Genzmer, es spielte das Deutschlandorchester unter Karl List.

Oskar Sala und Harald Genzmer in Wien (1942)Deutsches Museum

Daran schlossen sich selbst in den Kriegsjahren zahlreiche gemeinsame Auftritte von Sala und Harald Genzmer am Flügel bei Konzerten in ganz Europa an, wie hier im April 1942 im Mozartsaal in Wien.

Wiener Ilustrierte 1942 (1942)Deutsches Museum

... worüber schließlich auch die Wiener Illustrierte berichtete ...

Die Zeitschrift widmete sich dabei dem Konzert von Sala und Genzmer ...

... aber auch der Spielweise des Trautoniums.

Das Mixturtrautonium von Oskar SalaDeutsches Museum

Nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelte Oskar Sala das Mixturtrautonium. Wie das Konzerttrautonium besaß es zwei Manuale und Pedale, die klanglichen und spieltechnischen Möglichkeiten wurden aber noch einmal deutlich erweitert. Öffentlich vorgestellt wurde das Mixturtrautonium Ende 1952 mit der Uraufführung des Konzerts für Mixturtrautonium und großes Orchester von Harald Genzmer im Südwestfunk Baden-Baden.

Das Tonstudio von Oskar Sala (1958)Deutsches Museum

Ab 1958 trat Sala kaum noch öffentlich bei Konzerten auf, stattdessen arbeitete er meist in seinem Berliner Tonstudio, das das Deutsche Museum nach seinem Tod fast vollständig übernehmen konnte. Sala ergänzte das Mixturtrautonium um ein elektronisches Schlagwerk für Perkussionsschaltungen und modifizerte es dann um weitere Komponenten wie etwa Rauschgeneratoren oder ein elektrisches Metronom. Die Optimierung der Tonbandtechnik eröffnete dazu ganz neue Möglichkeiten wie etwa die Simulation eines vollständigen elektronischen Orchesters.

Alfred Hitchcock und Oskar SalaDeutsches Museum

Sala komponierte auf dem Mixturtrautonium Musikstücke für zahlreiche Film- und Fernseh-Dokumentationen. Sein berühmtester Film aber wurde Die Vögel von Alfred Hitchcock. Und das kam so: Ein früherer Kommilitone von Oskar Sala arbeitete in den Universal Studios in Hollywood, als er hörte, dass sich Hitchcock für seinen nächsten Film synthetisch erzeugte Vogelstimmen wünschte. So entstand der Kontakt zu Oskar Sala. Hitchcock, der ganz bewusst auf klassische Filmmusik verzichten wollte, flog sogar nach Berlin in Salas Tonstudio und zeigte sich beeindruckt von den Trautoniums-Tönen, die letztlich sämtliche Klangeffekte dieses Films erzeugten.

Video zum Trautonium (1961)Deutsches Museum

Oskar Sala WeihnachtskarteDeutsches Museum

Sala, der privat mit seiner Frau Käthe viel in der Welt unterwegs war, gerne nach Italien und Griechenland reiste, nach Ägypten und in die USA, trat nach 1988 wieder verstärkt in der Öffentlichkeit auf und schuf neue Werke und Klänge für den Film. Er war bei Festivals und Gesprächsrunden in ganz Europa zu Gast, war in Gesprächskonzerten und im Theater zu hören, empfing zahlreiche Künstler und gab unzählige Interviews. Er wurde in Rundfunksendungen und Filmen gewürdigt und mehrfach ausgezeichnet.

Oskar Sala in Bonn (1995)Deutsches Museum

1995 stellte Oskar Sala dem Deutschen Museum Bonn sein Mixturtrautonium als Dauerleihgabe zu Verfügung, hier zusammen mit dem Bayerischen Staatsminister für Wissenschaft und Kultur, Hans Zehetmair, bei der feierlichen Übergabe seines Mixturtrautoniums an das Deutsche Museum in Bonn

2000 übergab er seinen Nachlass dem Deutschen Museum. Bis zu seinem Tod blieb er der einzige Spieler des Trautoniums. Oskar Sala starb am 26. Februar 2002 in Berlin.

Quelle: Alle Medien
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