Von "Alte Pinakothek, Bayerische Staatsgemäldesammlungen"
Alte Pinakothek, Bayerische Staatsgemäldesammlungen
Jugendliches Selbstbildnis (1629) von Rembrandt (Harmensz. van Rijn)Originalquelle: Exponat in der Online-Sammlung der Pinakotheken
Am 4. Oktober 1669 – vor nunmehr 350 Jahren – starb Rembrandt van Rijn (1606/07-1669) im Alter von 63 Jahren in seiner Wahlheimat Amsterdam. Bereits zu Lebzeiten zählte er zu den bedeutendsten und erfolgreichsten niederländischen Malern des Goldenen Zeitalters.
Self-Portrait (1669) von Rijn, Rembrandt vanMauritshuis
So häufig wie kaum ein anderer Künstler hat Rembrandt sich im Verlauf seiner Karriere selbst ins Bild gesetzt: innerhalb von vierzig Jahren rund neunzig Mal.
Self-portrait with Tousled Hair (ca. 1628 - ca. 1629) von Rijn, Rembrandt vanRijksmuseum
Allein in den frühen sechs Jahren seiner Karriere, die Rembrandt als eigenständiger Künstler in Leiden tätig war, schuf er etwa dreißig Selbstbildnisse, darunter Zeichnungen, Radierungen und Gemälde.
Rembrandt Laughing (about 1628) von Rembrandt Harmensz. van RijnThe J. Paul Getty Museum
Insbesondere Rembrandts frühe Selbstbildnisse sind eher als Studienköpfe zu verstehen, mit denen der junge Künstler die Wiedergabe unterschiedlicher Gesichtsausdrücke übte. Gleichzeitig experimentierte er hier mit dem effektvollen Einsatz von Licht und Schatten und wendete verschiedene Techniken in der Malerei und Graphik an, um zu optimalen Ergebnissen zu gelangen. Auf diese Weise fand er zu seinem ganz eigenen Weg der Malerei, der unter anderem durch eine dramatische Lichtführung und die charakteristische Malweise mit variantenreichem Farbauftrag gekennzeichnet ist.
Jugendliches Selbstbildnis (1629) von Rembrandt (Harmensz. van Rijn)Originalquelle: Exponat in der Online-Sammlung der Pinakotheken
Die kleine Münchner Holztafel mit dem Brustbild eines jungen Mannes zeigt Rembrandt im Alter von 23 Jahren.
Das Bild ist rechts auf der Höhe des Kinns mit »RHL 1629« (Rembrandt Harmenszoon Leiden) bezeichnet.
Rembrandt sucht die Nähe zum Betrachter und wählt einen engen Bildausschnitt, der lediglich seinen Kopf und seine rechte Schulter bis hin zur Brust zeigt. Er ist leicht nach vorne gebeugt und wendet seinen Kopf dem Betrachter zu, den er mit weit geöffneten Augen und leicht hochgezogenen Augenbrauen anschaut. Sein volles, fast schulterlanges, krauses Haar fällt lockig über die Stirn. Der Mund ist leicht geöffnet.
Bemerkenswert ist der überraschte, erstaunt wirkende Gesichtsausdruck des jungen Mannes. Körperhaltung und Mimik erwecken den Eindruck einer Momentaufnahme – ein kurzer, spontaner Augenblick. Die Ausleuchtung mit scharfen Kontrasten zwischen Hell und Dunkel verstärkt diesen Eindruck.
Das stark gebündelte Licht fällt diagonal von links auf Hemdkragen, Wange und Ohrläppchen und streift noch Nase, Mund und Kinn.
Seine Augen, der wohl lebendigste Teil des Gesichts, liegen im Schatten.
Spontanität kennzeichnet auch Rembrandts Malweise: außer in wenigen Partien des Gesichts herrscht ein breiter und lockerer Pinselstrich vor. Den Hemdkragen modelliert der Maler mit dickem Farbauftrag und breitem Duktus...
...während er die feinen, lockigen Haare auf der Stirn mit einem spitzen Gegenstand in schwungvoller Bewegung aus der nassen dunklen Farbe kratzt, so dass die ockerfarbene Untermalung zum Vorschein kommt.
Self-portrait (ca. 1628) von Rijn, Rembrandt vanRijksmuseum
Die frühen Selbstbildnisse Rembrandts dienten nicht nur Studien, sondern wurden rasch auch als Sammlerobjekte begehrt. Mit einem solchen Selbstbildnis erwarb der Käufer nicht nur eine der beliebten Charakterköpfe Rembrandts, sondern zugleich ein authentisches Werk mit dem Gesicht des Künstlers selbst. Der junge Künstler etablierte damit auf dem Markt eine „Marke“, baute sie auf und entwickelte sie weiter.
Rembrandts Vorgehensweise ist aus heutiger Sicht vergleichbar mit der von Andy Warhol, dessen Bildnisse für jeden sofort erkennbar sind und im Einzelfall auch den Künstler selber zeigen.
Kreuzabnahme Christi (1632/33) von Rembrandt (Harmensz. van Rijn)Originalquelle: Exponat in der Online-Sammlung der Pinakotheken
Als junger Historienmaler übte Rembrandt Emotionen, Affekte und Mimik der Figuren seiner Erzählungen möglichst wirklichkeitsgetreu wiederzugeben, um der Darstellung Authentizität zu verleihen. Dabei stand er sich oft selbst Modell und zeichnete die verschiedenen Gesichtsausdrücke nach seinem Spiegelbild. Diese Studien dienten nicht nur Übungszwecken, sondern sie fanden auch Verwendung in Gemälden. Noch in seiner Werkstatt in Leiden schuf Rembrandt beispielsweise die „Kreuzabnahme Christi“ als Teil seines berühmten „Passionszyklus“.
Beim genauen Hinschauen entdeckt man, dass einige der Gesichter in den Szenen des Passionszyklus auffallend dem Selbstbildnis des jungen Rembrandts ähneln.
Jugendliches Selbstbildnis (1629) von Rembrandt (Harmensz. van Rijn)Originalquelle: Exponat in der Online-Sammlung der Pinakotheken
Der Eindruck einer zwanglosen und spontanen Momentaufnahme bei den Selbstbildnissen Rembrandts ist mit den heutigen »selfies« vergleichbar. Der Autor des Bildes erfasst sich selbst in einem von ihm bestimmten Augenblick.
Alexander Gerstl und #myrembrandt (2014)Alte Pinakothek, Bayerische Staatsgemäldesammlungen
Ein solches »selfie« brachte Rembrandt schließlich bis ins All: 2014 wurde für die Aktion #myrembrandt das »Jugendliche Selbstbildnis« auf Reisen geschickt und über digitale Kanäle weltweit verbreitet - und darüber hinaus: Auch Alexander Gerst, 2014 als Astronaut im Einsatz auf der ISS, hat an der Aktion teilgenommen - und Rembrandt damit die Sterne gezeigt.
Rembrandt im All (2014/2014)Alte Pinakothek, Bayerische Staatsgemäldesammlungen
Seit 23.07.2014 ist das »Jugendliche Selbstbildnis« selbst Teil des Universums: Von einer bayerischen DLR-Raumstation aus wurde das Werk in ein digitales Signal (eine sogenannte »S-Welle« zwischen 2,6 und 3,95 GHz) umgewandelt und über eine große Funkantenne ins Weltall geschossen. Seitdem ist das Digitalisat auf dem Weg ans Ende unserer Galaxie und wird diese in 52 Jahren verlassen - um dann in den endlosen Weiten des Weltalls auf eine ewige Reise ins Unbekannte gehen.
Jugendliches Selbstbildnis (1629) von Rembrandt (Harmensz. van Rijn)Originalquelle: Exponat in der Online-Sammlung der Pinakotheken
Rembrandt 350
Anlässlich des Jubiläumsjahres ist Rembrandts »Jugendliches Selbstbildnis« gemeinsam mit weiteren Werken des niederländischen Meisters im großen Holländer-Saal der Alten Pinakothek in München zu sehen. Dort zeigt sich Rembrandts »selfie« als Bindeglied zwischen Charakterstudien und Historienmalerei - auch 300 Jahre später noch so faszinierend wie zur Zeit seiner Entstehung.
© Bayerische Staatsgemäldesammlungen
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