Beethoven weiter gedacht

Wie die Komponistinnen Emilie Mayer, Fanny Hensel und Louise Farrenc Mitte des 19. Jahrhunderts durch Beethoven Freiräume finden – und nutzen.

Von Google Arts & Culture

Text: Merle Krafeld, VAN Magazin

21. April 1850, Berlin: Der Konzertsaal des Königlichen Schauspielhauses ist voll, das Publikum gespannt, das Programm vielseitig: eine Sinfonie, eine Konzertouvertüre, außerdem Chor- und Kammermusik – alle aus der Feder von Emilie Mayer. Die Komponistin hat selbstbewusst in der einschlägigen Fachpresse zu diesem Konzert eingeladen – dem ersten, bei dem nur ihre Musik erklingt. »Bisher hat Frauenhand höchstens das Lied überwunden, worin sie wohl Inniges und Sinniges geschaffen, aber ein Quatuor oder eine Symphonie mit all den Künsten im Satze und in der Instrumentation – dies möchte als ein besonderer, höchst seltener Fall gelten können«, ist wenige Tage später in der Neuen Berliner Musikzeitung zu lesen. Warum ist es für den Rezensenten Mitte des 19. Jahrhunderts so verwunderlich, dass eine Frau große Sinfonien schreibt?

»Im 19. Jahrhundert werden die bürgerlichen Geschlechterbilder festgeschrieben, die sich ab etwa Mitte des 18. Jahrhunderts herausbilden«, erklärt Musikwissenschaftlerin Cornelia Bartsch. »Zum Beispiel die Idee, dass die Körper von Männern und Frauen grundlegend verschieden und auch mit gegensätzlichen Geschlechtscharakteren verbunden sind. Das hat man sich vorher anders vorgestellt. Die vielschichtigen Diskurse um den neuen Geschlechtergegensatz kann man vereinfacht vielleicht so darstellen: Frauen wurde eine größere Emotionalität, Männern eine größere Rationalität nachgesagt. Frauen sollten im Privaten wirken und Männer in der Öffentlichkeit. Vieles davon spukt noch heute durch weit verbreitete Vorstellungen von Geschlechterrollen.« Komponieren lernte man damals noch im Privatunterricht – den auch Frauen erhalten durften. Berufstätigkeit und Broterwerb waren aber gerade für die gutbürgerlichen Frauen, deren Familien genug Geld für Kompositionsunterricht besaßen, nicht vorgesehen. Für sie war die Rolle der Ehefrau angedacht.

Autograph Score "Das letzte Lied" Page 3, Originalquelle: University of Leeds Special Collections
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Komponistin Fanny Hensel, geb. Mendelssohn Bartholdy, und ihr Ehemann, Wilhelm Hensel

Junge Frauen durften also komponieren lernen, sollten aber nicht öffentlich auftreten. Analog dazu ging man davon aus, dass Frauen besser gefühlvolle Lieder für den heimischen Salon komponieren könnten und Männer großangelegte, komplexe Werke, »die als geistige Arbeit verstanden wurden«, wie Cornelia Bartsch die zeitgenössische Haltung zusammenfasst: »Hierzu gehörten dann auch Symphonien, die als öffentliche Rede an ein großes Publikum galten und im öffentlichen Konzertsaal aufgeführt wurden.« Für deren Komposition brauchte man neben der fundierten Ausbildung: Zeit. Diese Zeit hatten bürgerliche Ehegattinnen im 19. Jahrhundert neben der Führung großer Haushalte mit mehreren Bediensteten, Schwangerschaft, Wochenbett und Kindererziehung, selten. »Dabei ging es aber nicht nur um den zeitlichen Aufwand«, so Cornelia Bartsch. »Die Rolle der bürgerlichen Ehefrau war einfach von der Grundidee her nicht mit einem anderen Beruf kombinierbar.«

The Music Room of Fanny Hensel (nee Mendelssohn), Julius Eduard Wilhelm Helfft, 1849, Aus der Sammlung von: Cooper Hewitt, Smithsonian Design Museum
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Trotz dieser schlechten Startvoraussetzungen gab es sie: die Komponistinnen, die Wege fanden, ihre Musik unter die Menschen zu bringen, und die für eigene künstlerische Standpunkte einstanden. Bei Emilie Mayer, Fanny Hensel und Louise Farrenc spielte dabei auch das Erbe Ludwig van Beethovens eine Rolle.

Beethoven mit dem Manuskript der Missa solemnis, Joseph Karl Stieler, 1820, Aus der Sammlung von: Beethoven-Haus Bonn
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»Ich glaube, es kommt daher, daß wir gerade mit Beethovens letzter Zeit jung waren.«

Fanny Hensel, 1805 geboren, erhielt früh sowohl Klavier- als auch erstklassigen Kompositionsunterricht, weil für die musikalische Ausbildung ihres jüngeren Bruders Felix Mendelssohn Bartholdy hochkarätige Lehrer wie der Musiker und Komponist Carl Zelter engagiert wurden und Fanny an den Privatstunden teilnehmen konnte. Auch Hensels Ehe war ein Sonderfall, denn ihr Gatte, der Maler Wilhelm Hensel, den sie 1829 heiratete, unterstützte ihre künstlerische Tätigkeit konsequent. Es gibt sogar zahlreiche Gemeinschaftswerke: Lieder, für die Wilhelm Hensel den Text schrieb oder Kompositionen, die er kunstvoll mit Zeichnungen verzierte.

Autograph Score "Das letzte Lied" Page 4, Originalquelle: University of Leeds Special Collections
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Fanny Hensels musikalisches Wirken beschränkte sich weitestgehend auf ihr Haus in Berlin. Trotzdem erreichte sie alle wichtigen Kulturschaffenden der Stadt (und die, die dort auf Durchreise Station machten) – indem sie sie zu sich nach Hause einlud. Bis zu 300 Menschen kamen so zu den »Sonntagsmusiken« in ihr »Gartenhaus« in der Leipziger Straße 3, darunter Franz Liszt und Robert und Clara Schumann. Gespielt wurden unter anderem Werke von Bach, Beethoven, Mendelssohn Bartholdy – und gelegentlich auch von Hensel. Die Komponistin beteiligte sich als Pianistin und Dirigentin an den Aufführungen.Fanny Hensels Bruder tourte derweil als Komponist und Musiker durch Europa. Die beiden schrieben sich regelmäßig Briefe mit gegenseitigen Kritiken – schonungslos und als »Collegen« auf Augenhöhe. In so einem Briefwechsel aus dem Jahr 1835 bemängelt Felix Fannys kürzlich entstandenes Streichquartett, bei dem manche Sätze »in gar keiner Tonart« stünden. Die Tonartwechsel und die Form der Sätze war für Felix nicht nachvollziehbar. Als »Experimente« der Komponistin beschreibt auch die Musikwissenschaftlerin Annegret Huber diese Seiten des Streichquartetts.

Fanny antwortet mit einem Schreiben, in dem sie dem Bruder in manchen Stücken eine Einfachheit, die kindlich, aber auch kindisch sei, vorwirft. Beide Geschwister haben also verschiedene Ansätze – um diese abzustecken, bringt Fanny Hensel Beethoven ins Spiel. Der wurde schon zu Lebzeiten beinahe kultisch verehrt, obwohl viele seiner Werke, vor allem die, die in späteren Lebensjahren entstanden, auf die Zeitgenoss:innen eher düster statt schön und vor allem völlig unverständlich wirkten. Diese Irritation wurde häufig gerade durch Harmonie-Behandlung und Formfragen hervorgerufen – also genau die Aspekte, die der Bruder an Hensels Streichquartett kritisiert.

Portrait of Fanny Mendelssohn Hensel, Moritz Daniel Oppenheim, 1842, Aus der Sammlung von: The Jewish Museum, New York
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Fanny Hensel fragt in ihrem Brief, warum sie anders komponiert als der Bruder, und liefert die Antwort mit der für sie typischen bescheidenen Wortwahl gleich hinterher: »Ich glaube, es kommt daher, daß wir gerade mit Beethovens letzter Zeit jung waren, u. dessen Art u. Weise, wie billig, sehr in uns aufgenommen haben, u. die ist doch gar zu rührend u. eindringlich. Du hast das durchgelebt u. durchgeschrieben, u. ich bin drin stecken geblieben.« Hensels Selbstdarstellung als Beethoven-Nachfolgerin ist allein schon deshalb strategisch klug, weil er unter den Geschwistern ganz klar als Instanz gilt (Fanny hat sogar ihren einzigen Sohn nach dem Komponisten benannt). Dass Felix sich durch den späten Beethoven »durchgelebt« habe, ist, so Annegret Huber, ein Hinweis darauf, dass auch Felix in einer früheren Schaffenszeit stärker mit Tonarten experimentiert, sich aber mittlerweile davon abgewandt hatte.

Huber versteht das »Steckenbleiben«, von dem Fanny spricht, dabei keineswegs als Stagnation. Die Komponistin denkt vielmehr die Problemstellungen Beethovens – wie schafft man musikalische Zusammenhänge zwischen mehreren Sätzen eines Werkes? Wie geht man mit von der Grundtonart entfernter liegenden Tonarten um? – weiter als ihr Bruder und findet eigene Lösungen. »Mit dem Streichquartett hat Fanny Hensel sich emanzipiert von dem, was ihr Lehrer Zelter ihr beigebracht hat«, fasst Huber zusammen. »Auch durch das, was sie in Auseinandersetzung mit Beethoven gelernt hat.« Cornelia Bartsch geht hier noch einen Schritt weiter: »Fanny Hensels Streichquartett ist eine musikalische Korrespondenz über den späten Beethoven. Sie bezieht sich musikalisch auf ein Werk ihres Bruders, in dem der sich wiederum mit dem späten Beethoven auseinandersetzt. Bei Felix hat man das Gefühl, er möchte Beethoven erklären. In Beethovens op. 74 führt das Anfangsmotiv schnell in eine ganz andere Tonart. Felix verarbeitet das in seinem Streichquartett op. 12, macht daraus eine ›ordentliche‹ Kadenz. Fanny greift den Faden ihres Bruders auf, aber anstatt Beethoven zu erklären, öffnet sie das musikalische Geschehen, wird noch experimenteller. Und zeigt damit, wie widerborstig Beethoven war.« Wie sehr Fanny Hensel selbst von ihrer künstlerischen Position – trotz ihrer zurückhaltenden Formulierung – überzeugt ist, zeigt sich darin, dass sie ihren Bruder ganz selbstverständlich fragt, ob er ihr Quartett aufführen werde. Ob er es tat, ist nicht bekannt.

»Sie hat die Fesseln einer Manier, die zwischen Haydn und Mozart schwankte, abgestreift und sich offenbar dem Studium Beethoven’s hingegeben.«

Die bereits erwähnte Komponistin Emilie Mayer war genauso zerstreut – dauernd verlor sie Hüte, Handschuhe oder Regenschirme – wie talentiert: sowohl in der Bildhauerei (eines ihrer Werke wurde sogar im Grünen Gewölbe in Dresden ausgestellt) als auch in der Komposition. Sie konzentrierte sich auf letzteres, trat selbstbewusst als professionelle Komponistin auf und ließ sich als solche ins Berliner Adressbuch (dem damaligen Linked-in-Pendant) eintragen. Ihre acht Sinfonien und weitere große Orchesterwerke, ihr Singspiel und zahlreiche Kammermusikwerke wurden oft und sehr erfolgreich im In- und Ausland aufgeführt. Sie umging dabei die Rollenerwartungen an bürgerliche Ehefrauen, indem sie nicht heiratete.

Im Mai 1812 wurde Emilie Mayer als Tochter eines Apothekers in Friedland geboren und durch den frühen Tod der Mutter schnell zur Halbwaise. Über ihre jungen Jahre ist wenig bekannt, bis zu einem Schicksalsschlag 1840: Ihr Vater erschießt sich. Emilie Mayer zieht zu ihrem Bruder nach Stettin und erweitert dort den Klavierunterricht, den sie seit ihrer Kindheit erhalten hat, durch Kompositionsstunden bei Carl Loewe. Um Geld zu sparen, will sie Gruppenunterricht nehmen, Loewe lehnt das aber ab, weil er sie wegen ihres großen Talents im Einzelunterricht fördern will. Und Mayer lernt schnell. Ihre erste datierte Komposition entsteht 1842. Nur fünf Jahre später werden zwei Sinfonien mit großem Erfolg uraufgeführt. Noch im selben Jahr geht Mayer nach Berlin, um ihr Kompositionsstudium beim Musiktheoretiker und Beethovenspezialisten Adolph Bernhard Marx und beim Komponisten und Dirigenten Wilhelm Wieprecht zu vertiefen. Fanny Hensel, die im selben Jahr stirbt, lernt Mayer in Berlin wahrscheinlich nicht mehr kennen.

Bereits 1848 erscheinen erste Werke von Emilie Mayer im Druck, die Lieder Op. 5–7. Am Anfang ihrer Karriere geht sie mit dieser eher weiblich konnotierten Gattung also auf Nummer sicher, dann aber schnell aufs Ganze. Erst gibt sie Privatkonzerte mit eigener Kammermusik, dann im April 1850 das besagte erste große Konzert. Die Presse ist größtenteils begeistert, weitere Veröffentlichungen von Werken, Aufführungen und Konzertreisen folgen.Dass sie seit 1847 bei einem ausgewiesenen Beethovenkenner und -verehrer studiert, scheint sich auch auf die Kompositionen auszuwirken. Zu ihrer Sinfonie in h-Moll schreibt ein Rezensent in 1852 im Echo: »Sie hat die Fesseln einer Manier, die zwischen Haydn und Mozart schwankte, abgestreift und sich offenbar dem Studium Beethoven’s hingegeben.« In dieser Sinfonie finden sich, wie die Musikwissenschaftlerin Claudia Breitfeld nachweist, durchaus Beethoven-Anklänge, Mayer führt die Motive aber in ganz eigener Weise weiter. So ähnlich sieht es auch der Rezensent 1852: »Man hört, dass die Künstlerin, angeregt von erhabenen Gedanken, die Feder geführt hat, aber man erfreut sich an ihrer eigenen schöpferischen Kraft, die sich auf so zarte Weise an das herrliche Original lehnt.«


Ein anderer Rezensent der Neuen Berliner Musikzeitung betont die Freiheit, die damit einhergeht – und die ihm, anders als dem Kollegen vom Echo, gar nicht zusagt: In vorherigen Sinfonien habe Mayer sich noch »streng an die Formen des Sinfoniesatzes« gehalten. »Hier aber verflüchtigt sie ihre Gedanken mehr zu phantastischen Reflexionen, schwankt in den Motiven zuweilen unsicher umher und sucht hie und da wohl noch ein Instrument zu erhaschen, dem sie Leben einhauchen will, um den Gedanken zu halten.« Auch in ihren Kammermusikwerken aus den 1850er Jahren beobachtet ein zeitgenössischer Rezensent eine größere Experimentierfreude durch die Auseinandersetzung mit Beethoven: »In einem Quintett neuerer Arbeit [...] hatte sich die Komponistin mehr den Formen Beethovens genähert. Die Erfindung hatte dadurch einen größeren Spielraum, den die Komponistin durch kühnern Auffschwung benutzt hat.« Bis zu ihrem Tod 1883 bleibt Mayer als professionelle Komponistin tätig.

»Legte mir ein junger Componist Variationen wie die von L. Farrenc vor, so würde ich ihn sehr darum loben, der günstigen Anlagen, der schönen Ausbildung halber, wovon sie überall Zeugniß geben.«
… schreibt der Komponist Robert Schumann 1836 über Louise Farrencs Air russe varié op. 17 – die, bis sie ihn erreichte, ein ordentliches Stück Weg zurückgelegt hatte, denn die Komponistin lebte in Paris. »Paris war damals opernverrückt«, sagt die Musikwissenschaftlerin Christin Heitmann. »Alle, die in Paris etwas werden wollten, mussten für’s Musiktheater komponieren. Und da hat Louise Farrenc überhaupt keine Ambitionen gezeigt.«

Unangepasstheit lernt Louise Farrenc, ebenfalls 1804 geboren, von klein auf. Sie wächst in einer Pariser Künstler:innensiedlung mit reichem kulturellen Leben auf, wo sie von ihren liberal denkenden Eltern von Anfang an gefördert wird, zum Beispiel im Klavierspiel. Frauen durften damals zwar schon am Pariser Conservatoire studieren, allerdings nicht höhere Studien in Komposition belegen. Farrenc erhält darum im Alter von 15 Jahren Privatunterricht bei Anton Reicha, der mit Beethoven persönlich bekannt war. Den Kompositionsunterricht führt sie auch nach ihrer Heirat mit dem Flötisten und Musikverleger Aristide Farrenc, der viele Werke Beethovens wie auch Farrencs herausgibt, fort. Zunächst schreibt Farrenc eher klein besetzte Werke, ab 1834 entstehen zwei Konzertouvertüren, dann drei Sinfonien und groß besetzte Kammermusik. Farrenc geht dabei vom Ideal der deutschen Instrumentalmusik aus, für die sich in Paris nur eine kleine Gruppe von Leuten interessiert – unter anderem das Orchester der »Société du Concerts du Conservatoire«, das sich 1828 gründet mit dem expliziten Bestreben, regelmäßig Beethovens Sinfonien auszuführen. Selten werden bei den Konzerten der Société aktuelle französische Kompositionen gespielt, wohl aber die dritte Sinfonie von Louise Farrenc – mit Erfolg! Die Beethoven-Verehrung, die zumindest auf einen kleinen Zirkel in Frankreich überschwappte, sorgte also dafür, dass sich in Paris ein Orchester, das bald als eines der besten in Europa galt, mit reiner Instrumentalmusik auseinandersetzte – und eben auch Farrencs Werke musizierte.

In Farrencs Kompositionen lassen sich zwar Beethoven-Verweise finden, jedoch keine Beethoven-Problemstellungen wie bei Fanny Hensel. »Louise Farrenc macht wirklich ihr Ding«, so Christin Heitmann »Bei ihr ist zum Beispiel die Behandlung der Blasinstrumente sehr speziell. Sie hat ein Sextett geschrieben für Klavier und Blasinstrumenten-Quintett, sowas gibt es vorher nicht. Und in ihren Sinfonien sind die Bläserstimmen viel selbstständiger als zum Beispiel bei Beethoven.«

1842 wird Farrenc Klavierprofessorin am Conservatoire – und bleibt es 30 Jahre lang. In dieser Zeit erstreitet sie unter anderem, dass sie denselben Lohn bekommt wie ihre männlichen Kollegen. Ihre dritte Sinfonie wird nicht nur in Frankreich, sondern auch in Dänemark, Belgien und der Schweiz aufgeführt und viel gelobt. Zweimal erhält sie den renommierten »Prix Chartier« für ihre Kammermusik.


Von Louise Farrencs Sicht auf die Pariser Musikwelt und ihr eigenes Schaffen wissen wir nur wenig, denn nur wenige Briefe und Quellen von ihr sind erhalten. Christin Heitmann bedauert das: »Über ihr Selbstverständnis und ihr Selbstbewusstsein als Komponistin wüsste ich wahnsinnig gerne mehr. Wenn man von den Werken ausgeht und dem Kontext, in dem sie entstanden sind – alle Welt in Paris behauptet: ›Sinfonien können nur Deutsche komponieren, wir in Frankreich nicht‹ – und sie macht genau das, als Frau, die kein Blasinstrument spielen oder dirigieren lernen durfte (zumindest soweit wir wissen): Sie schreibt diese Sinfonien mit dieser Kraft und dieser Ausstrahlung.«

Autograph Score "Das letzte Lied" Autograph Score "Das letzte Lied", Felix Mendelssohn Bartholdy, Originalquelle: University of Leeds Special Collections
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Bedeutende künstlerische Karrieren basieren zu einem großen Teil auf glücklichen Umständen und Zufällen. Im 19. Jahrhundert brauchten Komponistinnen aber noch weit mehr davon als die männlichen Kollegen: Als Frau überhaupt die Chance zu bekommen, sich im Komponieren auszuprobieren und dabei konsequent gefördert zu werden, war mehr als unwahrscheinlich. Auch die Möglichkeit, als Künstlerin im Erwachsenenalter professionell arbeiten zu können, war die absolute Ausnahme. Emilie Mayer, Fanny Hensel und Louise Farrenc waren solche Ausnahmeerscheinungen – und noch dazu Ausnahmetalente. Sie alle haben Beethoven weiter gedacht – nicht nur als Nachfolgerinnen, sondern im Sinne einer Öffnung, die sich durch Beethoven auftut und Platz schafft für eigene künstlerische Ideen.

Bibliographie:

Briefe von Fanny Hensel und Felix Mendelssohn Bartholdy zitiert nach Eva Weisweiler: Die Musik will gar nicht rutschen ohne Dich und Annegret Huber: Das Konzept der Montage als analytische Kategorie. Fanny Hensels Metaphernspiel um »Jugend/Altersschwäche« in neuem Licht.

Presse-Rezensionen zu Emilie Mayer zitiert nach Almut Runge-Woll: Die Komponistin Emilie Mayer.

Robert Schumann zu Louise Farrenc zitiert nach Christin Heitmann: Die Orchester- und Kammermusik von Louise Farrenc.

Cornelia Bartsch: Lebewohl. Fanny Hensels Auseinandersetzung mit Beethovens späten Werken.

Claudia Breitfeld: »Es webt darin ein männlich-leidenschaftlicher Geist«. Emilie Mayers Auseinandersetzung mit Beethoven.

Christin Heitmann: Die Orchester- und Kammermusik von Louise Farrenc.

Annegret Huber: Zerschlagen, zerfließen oder erzeugen? Fanny Hensel und Felix Mendelssohn Bartholdy im Streit um musikalische Formkonzepte nach »Beethovens letzter Zeit«.

Mitwirkende: Geschichte

Text: Merle Krafeld, VAN Magazin

Quelle: Alle Medien
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