Gustav Klimt und Emilie Flöge (um 1909) von H. BöhlerÖsterreichische Nationalbibliothek
Emilie Flöge (1874–1952) war zweifellos die wichtigste Frau in Gustav Klimts Leben. Aus einer anfänglichen Liebesbeziehung entwickelte sich eine enge, lebenslange Freundschaft. Allerdings war Emilie Flöge auch bereit, die Besonderheiten, die Klimts eigensinniges Wesen mit sich brachte, zu akzeptieren. So musste sie hinnehmen, dass Klimt sie nicht heiratete und trotz ihrer gemeinsamen Beziehung nebenbei Affären mit Modellen unterhielt, mit denen er sogar Kinder hatte. Konkret sind drei länger andauernde Verbindungen mit Modellen des Meisters bekannt, aus denen insgesamt sechs Kinder hervorgingen.
Atelierraum von Gustav Klimt in der Feldmühlgasse 11 (1918) von Moriz NährÖsterreichische Nationalbibliothek
Emilies Beziehung zu Klimt hingegen blieb kinderlos. Die beiden wohnten nicht einmal zusammen. Emilie lebte mit ihren Schwestern, während Klimt im Haushalt seiner Mutter und seiner unverheirateten Schwestern wohnte. Tagsüber sahen sich die beiden selten, denn da arbeitete Klimt sehr konsequent in seinem Atelier, in dem er keinerlei Gesellschaft duldete.
Gustav Klimt (1917) von Moriz NährÖsterreichische Nationalbibliothek
Die beiden verbrachten daher vor allem die Abende miteinander. Insbesondere bei offiziellen Anlässen und bei den häufigen Besuchen von Theater- und Konzertaufführungen war Emilie Flöge stets an Klimts Seite. Im Laufe der Jahre wurde Emilie Flöge in der Wiener Gesellschaft tatsächlich als „Frau Klimt“ tituliert. Und sie sollte auch – neben seinen Geschwistern – nach Klimts überraschendem Tod Erbin seines Nachlasses werden.
Alter Mann auf dem Totenbett (um 1899) von Gustav KlimtBelvedere
Kennengelernt hatte Klimt die zwölf Jahre jüngere Emilie Flöge spätestens zu dem Zeitpunkt, als sein Bruder Ernst im Oktober 1891 Emilies Schwester Helene heiratete. Während die Brüder Klimt aus bescheidenen Verhältnissen stammten, zählte die Familie Flöge zur begüterten Wiener Gesellschaftsschicht. Vater Hermann Flöge war Inhaber einer Fabrik, die Meerschaumpfeifen produzierte. Vermutlich stellt das Bildnis, das Klimt in den späten 1890er-Jahren von einem alten Mann am Totenbett gemalt hat, Emilies Vater dar.
Ernst Klimt (1890) von Carl SchusterBelvedere
Als im Dezember 1892 Klimts Bruder Ernst überraschend verstarb, übernahm Klimt die Vormundschaft über dessen Tochter Helene Luise. Auch dadurch festigten sich die familiären Beziehungen mit der Familie Flöge.
Emilie Flöge (1910) von Madame d'Ora, AtelierÖsterreichische Nationalbibliothek
Ab 1892 führte Emilie mit ihren Schwestern Pauline und Helene eine Schneiderwerkstatt. 1904 eröffneten die drei Schwestern in der belebten Mariahilfer Straße im 6. Wiener Gemeindebezirk den Modesalon „Schwestern Flöge“. Josef Hoffmann und Koloman Moser, Klimts enge Mitstreiter aus den Reihen der Secession, entwarfen die gesamte Innenausstattung des Salons, die Ausführung oblag dem von Hoffmann und Moser 1903 gegründeten Designstudio Wiener Werkstätte. Das Ergebnis war eines der konsequentesten Interieurs im radikal puristischen Design der frühen Jahre der Wiener Werkstätte.
Emilie Flöge in einem Reformkleid (1909) von Madame d'Ora, AtelierÖsterreichische Nationalbibliothek
Viele Jahre zählte der Salon „Schwestern Flöge“ zu den führenden Modehäusern Wiens. Der Betrieb beschäftigte zu seinen besten Zeiten rund achtzig Mitarbeiterinnen, Schneiderinnen und Näherinnen. Emilie Flöge gehörte zu jenen Modeschöpferinnen, die unter anderem die sogenannte Reformmode propagierten.
Emilie Flöge in einem Reformkleid (1909) von Madame d'Ora, AtelierÖsterreichische Nationalbibliothek
Diese Mode zeichnete sich durch eine radikale Verweigerung des bis dahin obligatorischen Korsetttragens, also des engen Schnürens der Taille, aus. Auch die neuesten internationalen Modekreationen fanden Eingang in die Kollektionen des Salons. Zu diesem Zweck besuchte Emilie Flöge regelmäßig auch die führenden Modemessen in Paris und London.
Emilie Flöge in einem von Gustav Klimt entworfenen Kleid (1909) von Madame d'Ora, AtelierÖsterreichische Nationalbibliothek
Emilie betrieb eine sehr fortschrittliche Marketingstrategie und präsentierte in jungen Jahren ihre neuesten Kollektionen oftmals selbst, wie zahlreiche Fotos eindrucksvoll belegen.
Porträt Emilie Flöge (1902) von Gustav KlimtWien Museum
1902 malte Klimt ein Porträt seiner Lebenspartnerin, auf dem diese in ganzer Figur erscheint. Emilie trägt dabei ein am Körper auffallend eng anliegendes Kleid, das nicht tailliert ist und somit auf die von ihr propagierte Reformmode verweist.
Der Stoff hat ein exzentrisches Muster, dessen wellenartige und ovale Formen an Fischschuppen erinnern, eine Assoziation, die durch die überwiegend blau-grüne Färbung des Kleides noch unterstrichen wird.
Einzelne Dekorteile gestaltete Klimt aus echtem Blattsilber und Blattgold, eine Technik, die er kurze Zeit später intensivierte.
Angesichts der länglichen Proportionen der Figur, die sich auch in der zarten, schmalen Form der Hand äußern, scheint es, als habe der Meister Emilie in eine schmale, fischähnliche Gestalt verwandelt.
Tatsächlich war Klimt in diesen Jahren von der Unterwasserwelt fasziniert und drückte dies in Werken mit Titeln wie „Wassernixen“ oder „Wasserschlangen“ aus.
Emilie selbst war von dieser Interpretation ihres Porträts wenig begeistert. Wohl aufgrund ihrer mangelnden Sympathie für das Bild hatte Klimt dann auch keine Hemmungen, es wenige Jahre später gewinnbringend an eine öffentliche Institution zu verkaufen.
Emilie Flöge, Gustav Klimt und Eleonore Zimpel in Litzlberg am Attersee (1905)Belvedere
Besonders intensiv war die Beziehung zwischen Klimt und Emilie immer dann, wenn beide gemeinsam auf Urlaub fuhren. Sie verbrachten jeden Sommer ein paar Wochen auf dem Land, zumeist am Attersee in Oberösterreich, allerdings nicht allein, sondern stets in Gesellschaft der Familie Flöge.
Gustav Klimt und Pauline Flöge auf einer Bootsfahrt am Attersee (1905) von Emma BacherÖsterreichische Nationalbibliothek
Zu dieser zählten Emilies Schwestern Pauline und Helene, Helenes Tochter Helene Luise und die Mutter Barbara Flöge.
Gustav Klimt und Emilie Flöge (um 1909) von H. BöhlerÖsterreichische Nationalbibliothek
Auf vielen Aufnahmen vom Attersee trägt Emilie die von ihr entworfenen Kleider, einige dieser Fotos dürften speziell für Marketingzwecke angefertigt worden sein. So publizierte etwa die damals in Deutschland sehr bekannte Zeitschrift „Kunst und Kunsthandwerk“ 1906/07 eine Serie von Aufnahmen, auf denen Emilie im Garten der damals angemieteten Villa Oleander ihre jüngste Modekollektion präsentierte. Möglicherweise war sogar Klimt selbst der Fotograf der Aufnahmen.
Palais Stoclet, SpeisezimmerÖsterreichische Nationalbibliothek
Im Sommer 1910 arbeitete Klimt im Garten der Villa Oleander an den Entwürfen für den Mosaikfries, den das Ehepaar Adolphe und Suzanne Stoclet für das Speisezimmer seines von Josef Hoffmann neu errichteten Palais in Brüssel in Auftrag gegeben hatte. Die Auftragserteilung war bereits einige Jahre zuvor erfolgt, doch begann Klimt erst jetzt, sich mit der Ausführung der Entwurfszeichnungen auf großformatigen Kartons zu beschäftigen.
Werkzeichnung für die Ausführung eines Mosaikfries für den Speisesaal des Palais Stoclet in Brüssel: Teil 2, Die Erwartung (Tänzerin) (1910–1911) von Gustav KlimtMAK – Museum für angewandte Kunst
Die Mitarbeiter der Wiener Werkstätte, die den Fries auf höchst komplexe Weise in Marmor, Keramik, Glas und Emaille in ein Mosaik umzusetzen hatten, drängten immer heftiger auf eine Ablieferung der Entwürfe. Somit blieb Klimt nichts anderes übrig, als auch in den Urlaubswochen am Attersee daran zu arbeiten.
Emilie Flöges Nichte Helene Luise erinnerte sich später, dass Klimt bei der Herstellung der Entwürfe auch von Emilie unterstützt wurde, indem sie unter anderem die bereits gezeichneten Partien mit Blattgold bedeckte.
Text: Österreichische Galerie Belvedere / Franz Smola
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