Der Schweizer Hans Jakob Schmidt, angestellt bei der Züricher Firma Orell Füssli & Co., erfand 1887 ein neuartiges Verfahren für die Herstellung von Farbreproduktionen. In der Photothek des Zentralinstituts für Kunstgeschichte (ZI) befinden sich einige solcher „Photochromdrucke“, die die bayerischen Schlösser des sogenannten Märchenkönigs Ludwig II. zeigen.
Gold und Farbenpracht
Ein Photochrom ist keine Fotografie, sondern ein Flachdruck, der fotomechanisch im rasterlosen Mehrfarbendruck vervielfältigt wird. Durch dieses Verfahren erhalten die einzelnen Farben eine besondere Leuchtkraft. Insbesondere wurde Goldfarbe verwendet. Zu erkennen sind die Photochromdrucke von Photochrom Zürich an einer Seriennummer, gefolgt von den Buchstaben P. Z. und einer Bildunterschrift in goldenen Buchstaben am unteren Bildrand.
Garmisch: Königshaus am Schachen (1870/1872) von Georg Dollmann und Joseph RöhrerZentralinstitut für Kunstgeschichte
Schwangau: Schloss Neuschwanstein (1869/1884) von Christian Jank und Eduard RiedelZentralinstitut für Kunstgeschichte
Von der Fotografie zum Photochromdruck
Um ein Photochrom zu erzeugen, wird zunächst ein Schwarzweißnegativ benötigt, das auf eine mit Asphalt beschichtete Steindruckplatte (ähnlich wie eine Lithografie) aufbelichtet wird. Danach werden die einzelnen Farbschichten separat gedruckt. In der Sammlung des ZI befinden sich auch Abzüge der Originalaufnahmen, die als Vorlage dienten.
Die Aufnahmen der Königsschlösser stammen von Joseph Albert (1825–1886), Hoffotograf des bayerischen Königshauses, und entstanden 1886 kurz vor seinem Tod am 5. Mai.
In der Gegenüberstellung der fotografischen Abzüge und den Farbbildern fällt auf, dass einige der Photochromdrucke seitenverkehrt sind. In diesen Fällen hatte man statt des Originalnegativs eine Kopie verwendet.
König Ludwig II. und seine Märchenschlösser
"Ein ewig Rätsel will ich bleiben mir und anderen"
Als Ludwig II. (1845–1886) König von Bayern wurde, war er gerade einmal 18 Jahre alt. Als Förderer der Künste verfolgte er eine rege und kostspielige Bautätigkeit. Die Schlösser Linderhof, Herrenchiemsee und Neuschwanstein, aber auch das Königshaus am Schachen, gehören heute zu den meistbesuchten Baudenkmälern in Bayern.
An Gold und Prunk fehlt es den Wand- und Deckenflächen der Innenräume nicht. Die Ausgestaltung verbindet Motive des Barocks und des Rokokos und zitiert sowohl französische als auch süddeutsche Vorbilder.
Ettal-Linderhof: Schloss Linderhof (1874/1886) von Christian JankZentralinstitut für Kunstgeschichte
Der ovale Spiegelsaal im Obergeschoss.
Das ovale Arbeitszimmer, das Speisezimmer und das Schlafzimmer im Obergeschoss.
Ettal-Linderhof: Schloss Linderhof (1874/1886) von Christian JankZentralinstitut für Kunstgeschichte
Im Speisezimmer stand ein sog. Tischleindeckdich. Der Tisch konnte in die darunter befindliche Küche herabgelassen, dort eingedeckt und in Handarbeit wieder nach oben gefahren werden. Das königliche Schlafzimmer ist der größte Raum auf Schloss Linderhof und an das des französischen Königs Ludwig XIV. angelehnt.
In der Innendekoration lebt eine theatralische Traumwelt auf. Als Bewunderer der Opern Richard Wagners, wählte Ludwig II. für die szenische Ausstattung zum Teil Motive aus Musikdramen wie Tannhäuser und Lohengrin.
Zwei Ansichten des Sängersaals im vierten Obergeschoss und der Thronsaal.
Schwangau: Schloss Neuschwanstein (1869/1884) von Julius Hoffmann und Wilhelm HauschildZentralinstitut für Kunstgeschichte
Der Thronsaal erstreckt sich über das dritte und vierte Obergeschoss. Daneben ist der Sängersaal der zweitwichtigste Raum des Schlosses und ein Lieblingsprojekt des Königs gewesen. Das Bildprogramm zeigt die Sage von Parzival und dem Heiligen Gral.
Das Schlafzimmer und das Ankleidezimmer sowie der obere Absatz des Treppenhauses.
Schwangau: Schloss Neuschwanstein (1869/1884)Zentralinstitut für Kunstgeschichte
Im überaus reich verzierten Schlafzimmer ist die Legende von Tristan und Isolde dargestellt. Auf dem Teppichboden sind Schwäne, ein Leitmotiv der Ausstattung, zu sehen.
Prunktreppe und zweites Vorzimmer (sog. Ochsenaugen-Saal)
Die große Prunktreppe im südlichen Flügel ist eine Rekonstruktion der Versailler Gesandtentreppe. Ihr Pendant im Nordflügel ist heute noch im Rohbauzustand.
Das zweite Vorzimmer des Paradeschlafzimmers heißt auch Ochsenaugensaal in Anspielung an den gleichnamigen salon de l’Œil-de-bœuf in Versailles. Namensgebend sind zwei ovale Fenster, sog. Ochsenaugen, in der Gesimszone.
Chiemsee-Herreninsel: Neues Schloss Herrenchiemsee (1880/1883) von Georg von DollmannZentralinstitut für Kunstgeschichte
Ansicht des Arbeitszimmers und Blick auf die Deckenmalerei im Badezimmer.
Während die Wohnräume des Erdgeschosses holzgetäfelt sind, liegt im Obergeschoss ein Prunkraum mit vergoldeter und reich ornamentierter Ausstattung. Der sog. Türkische Saal orientiert sich an einem Saal im Palast von Eyüp des Sultans Selim III. Die Photochromdrucke zeigen besonders eindrücklich die leuchtend bunten Stoffe und die goldenen Verzierungen.
Garmisch: Königshaus am Schachen (1870/1872) von Georg Dollmann und Joseph RöhrerZentralinstitut für Kunstgeschichte
Alle Abbildungen aus der Photothek des Zentralinstituts für Kunstgeschichte München
Konzeption & Text: Nadine Raddatz (Photothek, Zentralinstitut für Kunstgeschichte)
Mit Unterstützung von Sonja Hull und Ralf Peters
Zum Weiterlesen:
Sabine Arqué, u.a.: Photochromie. Voyage en Couleur. 1876-1914. Paris 2009.
Winfried Ranke: Joseph Albert - Hofphotograph der bayerischen Könige. München 1977.
Uwe Gerd Schatz: Die Schlösser König Ludwigs II. von Bayern. In: Bayerische Schlösserverwaltung - Unser Schlösserblog. 26.08.2020
Christine Tauber: Ludwig II. Das phantastische Leben des Königs von Bayern. München 2013.
Bruno Weber: Vom Lichtbild mit Farben zum Photochromdruck. In: Librarium: Zeitschrift der Schweizerischen Bibliophilengesellschaft. 50 (2007), Heft 1.
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