Die gemalte Utopie

Das „Lob des Kommunismus“ von Ronald Paris im DDR Museum

Ronald Paris bei der Enthüllung des Lob des Kommunismus im DDR Museum (2010-10-09)DDR Museum

Das Werk und sein Schöpfer

1969/70 malte Ronald Paris für den Konferenzsaal des Hauses der Statistik in Ostberlin sein  „Lob des Kommunismus“, den Bertolt Brecht als „das Einfache, das schwer zu machen ist“ beschrieb. Das bedeutete für den Künstler Bekenntnis zur Utopie und Kritik am bestehenden System. 

Lob des Kommunismus (1970) von Ronald ParisDDR Museum

Der Mond

Die silberne Scheibe des Vollmonds symbolisiert die Kälte der Ausbeutergesellschaft. In der Mitte des Triptychons geht die Sonne der Revolution auf, die im rechten Teil über der Menschheit erstrahlt. Das Werk ist durchzogen von der Lichtmetaphorik der sozialistischen Utopie.

Sklaven

Man mag an die düstere Atmosphäre eines Bergwerks denken, in dem die Arbeiter wie die Sklaven in der Antike unbekleidet für den Reichtum ihrer Herren schuften. Noch weist nichts darauf hin, dass sich das Sklavenheer eines Tages erheben wird.

Wasser und Brot

Für die Ausgebeuteten gibt es nur ein karges Mahl: trocken Brot, einen Krug mit Wasser oder Wein und einen Hering. Immerhin ist ein reinliches weißes Tuch über den Tisch gelegt. Man darf an das Abendmahl von Jesus und seinen Jüngern denken.

Der Lehrer der Massen

Die Gestalt ist zwar barfüßig, wirkt in ihrem in Regenbogenfarben schillernden Anzug aber gar nicht proletarisch, sondern eher wie ein Prophet, der den Armen die frohe Botschaft der Erlösung bringt. Er weist mit der Hand auf das Paar, das sich in ein Buch vertieft.

Brechts Lehrgedicht

Das titelgebende Gedicht von Bertolt Brecht aus dem Theaterstück „Die Mutter“ nach Maxim Gorkis gleichnamigen Roman ist in das Fresko integriert. Dieses Element erinnert an die religiöse Kunst des Mittelalters, die oft Bibelstellen oder andere kurze erklärende Zitate zeigt.

Die Resignierten

Neben den Lesenden ein zweites Paar: der eine schläft, der andere hält die Augen geschlossen und hält sich die Ohren zu. Sie wollen nichts wissen vom Befreiungskampf der Arbeiterklasse. Das Motiv erinnert an die Radierung „Schlaf der Vernunft“ (1799) von Francisco de Goya.

Karl Liebknecht

Eine blutrote Sonne geht auf. Sie schwebt über Karl Liebknecht, wie man ihn von Fotos kannte, die in der DDR überall präsent waren. Der Mitbegründer der Kommunistischen Partei wurde im Januar 1919 gemeinsam mit Rosa Luxemburg ermordet und zum Märtyrer stilisiert.

Demonstration

Zwei Polizeibüttel mit der in den zwanziger Jahren üblichen militärischen Kopfbedeckung, dem Tschako, packen einen Demonstranten. Ein Herr im Mantel und mit Hut beobachtet die Szene. Es mag sich um einen Angehörigen der politischen Polizei oder einfach um einen Bürger handeln.

Totentanz

Der Maler knüpft an das mittelalterliche Motiv des Totentanzes an. Die Mächtigen der Welt bilden einen bunten Reigen, der, geführt vom Knochenmann, dem Jüngsten Gericht entgegen schreitet. Unter den auf den Kopf gestellten Tänzern befinden sich Vogelmenschen und ein Engel.

Die Bourgeoisie

Das Bürgertum ist als böse und dekadente Familie dargestellt. Ein Haifischmensch mit schwarz-weiß-roter Schärpe und seine Gattin mit breiter Delphinschnauze trinken Sekt. Das Töchterlein wartet brav und züchtig auf einen Ehemann, während der Sohn von künftigen Kriegen träumt.

Höllenhunde

Zwei Hunde mit Krallen und gefletschten Zähnen bewachen wie Zerberus in der griechischen Mythologie den Eingang zum Hades. Sie symbolisieren in ihrer abstoßenden Hässlichkeit den Faschismus und den Krieg. Ihr Atem und ihr zu Boden tropfender Speichel sind ein tödliches Gift.

Arbeitermacht

Der Gewehrlauf des revolutionären Arbeiters weist die Höllenhunde in die Schranken. Der Revolutionär mit den umgehängten Patronengurten bildet das Zentrum der Komposition. Er erinnert an den Heiligen Georg, den Drachentöter der christlichen Legenden.

Revolutionäre Traditionen

Hinter dem Arbeiter stehen ein Kämpfer der Roten Reiterarmee aus dem russischen Bürgerkrieg, ein revolutionärer Matrose der Volksmarinedivision aus der deutschen Novemberrevolution von 1918 sowie andere Figuren, die man als Kämpfer gegen den Faschismus deuten könnte.

Utopia

Der Sozialismus hat gesiegt. Die Menschen recken nach den Jahren der Finsternis die müden Glieder. Kinder spielen und lernen, ein Ingenieur hält ein Flugzeugmodell hoch, andere entwerfen mit dem Zirkel ein Zukunftsprojekt. Unter der strahlenden Sonne erblüht das Leben.

Der Maler und sein Modell

Vor seiner Staffelei sitzt der Künstler in eigener Person. Wer aber ist das Modell? Einer Interpretation zufolge handelte es sich um Professor Robert Havemann. Er war, wie der Maler, überzeugter Kommunist und gleichzeitig entschiedener Kritiker des SED-Systems.

Friedliche Revolution Demonstration auf dem Alexanderplatz (1989-11-06) von Berliner ZeitungDDR Museum

Zeiten des Umbruchs

Nur wenige hundert Meter vom „Lob des Kommunismus“ entfernt, auf dem Alexanderplatz, gingen im November 1989 Hunderttausende auf die Straßen, um friedlich für Veränderungen zu demonstrieren. Wenige Tage später fiel die Berliner Mauer und die Grenzen der DDR wurden geöffnet.

Bild Zeitung Sonderausgabe mit der Überschrift zur Wiedervereinigung "Guten Morgen Deutschland" (1990-10-03) von Bild ZeitungDDR Museum

Ein neues Land entsteht

Nur ein paar Monate später, am 3. Oktober 1990, wurde Deutschland vereint und damit das Ende der sozialistischen DDR besiegelt. Der Kommunismus als Staatsform auf deutschem Boden blieb Utopie.

"Lob des Kommunismus" im Haus der Statistik (2009-02-24)DDR Museum

Das Schicksal des Freskos

Als das Haus der Statistik 2010 zum Abriss freigegeben wurde, drohte die Zerstörung des Wandgemäldes.

Ronald Paris bei der Enthüllung des "Lob des Kommunismus" im DDR Museum (2010-10-09)DDR Museum

Ein neues Zuhause

Das DDR Museum rettete das Gemälde, transportierte das elf Meter lange Kunstwerk ab und ließ es restaurieren. Seitdem hat das Fresko in den Räumen des DDR Museum eine neue Heimstatt gefunden.  

Quelle: Alle Medien
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