Wein lässt die Münzen klingeln
Wein und Geld – für die Menschen im antiken Griechenland gehörte beides zusammen. Auf Münzen geprägte Bilder von Trauben und Trinkgefäßen, vom Weingott Dionysos und seinem Gefolge zeigen die Bedeutung des Weines für Wohlstand und Selbstverständnis einiger griechischer Städte.
Jedes einzelne Stück ist dabei ein kleines Kunstwerk, das uns Detailfreude, Schönheitssinn und Humor der antiken Stempelschneider vor Augen führt.
Dionysos – Gott des Weines und des Rausches
Wo Wein angebaut wurde, genoss der Gott Dionysos eine besondere Verehrung. Die Menschen erhofften sich von ihm nicht nur eine gute Traubenlese, als Gott des Rausches war er auch für die Folgen des Weinkonsums, Ausschweifung und Grenzüberschreitung, Übermut und Lebenslust zuständig.
Maske des Dionysos (450–400 v. Chr.)Landesmuseum Württemberg
Aufgrund seiner Popularität als Gott des Weines war Dionysos ein beliebtes Motiv auf Gefäßen sowie in der Plastik und wurde auf Münzen zahlreicher Städte abgebildet.
Hemidrachme aus Thasos (Thrakien) Hemidrachme aus Thasos (Thrakien) (nach 280 v. Chr.)Landesmuseum Württemberg
Die verschiedenen Darstellungen des Dionysos vom 6. bis zum 2. Jahrhundert v. Chr. zeigen eindrucksvoll, wie sich das Bild wandelte, das sich die Menschen von ihm machten:
Drachme aus Naxos (Sizilien) Drachme aus Naxos (Sizilien) (530–490 v. Chr.)Landesmuseum Württemberg
Gesichter des Dionysos
Das älteste Münzbild des Weingottes wurde in der griechischen Kolonie Naxos auf Sizilien ab 530 v. Chr. geprägt.
Dionysos trägt nach der damaligen Mode einen spitzen Vollbart und langes lockiges Haar.
Der Kranz aus Efeuranken, der den berauschten Kopf kühlen soll, ist sein typisches Attribut.
Stater aus Theben (Böotien)Landesmuseum Württemberg
Wild, wollüstig, unheimlich
Einhundert Jahre später erscheint Dionysos auf Münzen der Stadt Theben in Böotien. Der Gott wurde hier als Sohn der thebanischen Königstochter Semele verehrt.
Die Darstellung mit wildem Haupt- und Barthaar deutet auf seinen ausschweifenden, natur- und triebverbundenen Charakter hin...
Tetradrachme aus Maroneia (Thrakien) Tetradrachme aus Maroneia (Thrakien) (168–80 v. Chr.)Landesmuseum Württemberg
Jung und schön
...während in hellenistischer Zeit, im 3. und 2. Jahrhundert v. Chr., Dionysos als junger Mann abgebildet wurde.
Mit seinen langen Locken strahlt er eine fast weibliche Schönheit aus.
Das rauschhafte Wesen des Gottes ist hier kaum noch zu entdecken.
KylixLandesmuseum Württemberg
Berauschte und Betrunkene
Die Folgen des Weinkonsums, wie Hemmungslosigkeit und Ekstase, spiegeln sich auch im Gefolge des Dionysos wider.
Groteske mythologische Figuren, sogenannte Satyrn, sowie rasende Mänaden oder zarte Nymphen führen wilde Tänze auf und lassen ihren sexuellen Gelüsten freien Lauf.
Stater aus Thrakien ("Lete"-Typus) Stater aus Thrakien ("Lete"-Typus) (530–480 v. Chr.)Landesmuseum Württemberg
Nicht nur in der Vasenmalerei, auch auf Münzbildern wurde das weinselige Gefolge gerne in dynamischen Szenen dargestellt.
Der Satyr
Eine winzige Silbermünze von der thrakischen Insel Thasos zeigt detailgenau einen laufenden oder tanzenden Satyr mit einem Trinkbecher, einem Kantharos, in der Hand.
Der schlaffbäuchige, glatzköpfige Alte ist bewusst lächerlich gezeichnet. Tierische Attribute wie sein Pferdeschweif kennzeichnen ihn als triebhaften Naturgeist.
Dieser Stater, auf dem die Entführung einer Nymphe dargestellt ist, wurde ebenfalls in Thasos geprägt. Das wald- und weinreiche Thrakien im Norden der Ägäis galt den Griechen als Heimat und Spielplatz des dionysischen Gefolges.
Kostbare Weingefäße auf Münzen
Trink-, Transport- und Mischgefäße für Wein waren im 5. Jahrhundert v. Chr. ein beliebtes Motiv auf Silbermünzen des griechischen Theben. Dass sich diese Stadt mit dem Getränk des Dionysos verbunden sah, hatte kaum wirtschaftliche, sondern mythologische Gründe: Die Thebaner hielten den Weingott für einen Sohn aus ihrem Königshaus.
Der Volutenkrater, ein prächtiges Mischgefäß für Wasser und Wein, verblieb im 4. Jahrhundert v. Chr. als einziges Bildthema auf der Rückseite thebanischer Statere. Kunstvoll haben die Münzstempelschneider die feinen Volutenhenkel sowie Einzelheiten der Verzierung ausgeführt.
Kein Tongefäß, sondern eine Kostbarkeit aus edlem Metall sollte auf diesen Münzen dargestellt werden. Die Ähnlichkeit des Materials von Bildträger und Bildmotiv war vielleicht beabsichtigt. In dieser spätklassischen Zeit hatte der Volutenkrater seine ursprüngliche Funktion verloren und diente vor allem als Grabbeigabe oder Weihgeschenk – oder als Symbol für den Gott Dionysos.
Rätselhafte Kistenträger
Der Kult des Dionysos fand im 2. Jahrhundert v. Chr. auf Münzen des Pergamenischen Reiches einen besonders symbolbeladenen Ausdruck. Sogenannte Cistophoren, wörtlich „Kistenträger“, zeigen im Efeukranz auf der Vorderseite den Gott in Gestalt einer Schlange aus einem Korb kriechend.
Der griechische Gott des Weines steht hier in einer asiatisch geprägten Kulttradition.
Cistophor des M. Antonius Cistophor des M. Antonius (39 v. Chr.)Landesmuseum Württemberg
Der Neue Dionysos
Der römische Feldherr Marcus Antonius nutzte die Symbolik dieser Cistophoren genannten Münzen für seine Selbstdarstellung als „Neuer Dionysos“.
Einzug des Marcus Antonius in Ephesos (1741) von Charles-Joseph NatoireOriginalquelle: Musée du Louvre, Département des Peintures / Musée des Beaux-Arts de Nîmes
Als Dionysos verkleidet soll er rauschende Feste mit seiner Geliebten Kleopatra in Alexandria gefeiert haben.
Sein ausschweifender, „dionysischer“ Charakter scheint nicht nur ein Produkt feindseliger Verleumdung aus dem nüchternen Rom gewesen zu sein.
Kleine Botschafter
Wein sowie Dionysos und sein Gefolge wurden vor allem vom 6. bis zum 2. Jahrhundert v. Chr. im antiken Griechenland auf Münzen dargestellt. Als Zahlungsmittel wanderten diese von Hand zu Hand, wobei ihre Bildmotive von vielen Augen gesehen und mit den Prägeorten in Verbindung gebracht werden können - bis heute.
Die kleinen Objekte übermitteln uns durch die Jahrtausende lebendige Bilder aus der Vorstellungswelt der Menschen im antiken Griechenland.
Konzept & Texte: Sonja Kitzberger
Redaktion & Umsetzung: Anna Gnyp
Englische Übersetzung: Sharon Adams
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