Ultraschall Deckenlampen, 1999Originalquelle: Rights: Sammlung Stadtkultur, Münchner Stadtmuseum
"NACHTS. Clubkultur in München". Der Titel einer großen Sonderausstellung, mit der sich das Münchner Stadtmuseum 2021 den verschiedenen soziokulturellen Aspekten der Clubkultur widmet und die Geschichte des Nachtlebens in der Stadt beleuchtet. Als Vorgeschmack gibt es hier einen kleine Auswahl an Objekten und Erinnerungsstücken an die Münchner Musikszene von damals und heute.
München hatte schon immer seinen eigenen Sound - spätestens mit den "Musicland Studios" von Giorgio Moroder, in denen etwa die Rolling Stones, Led Zeppelin und Queen ihre Platten einspielten. Bis heute berühmt sind die Studios wegen des wegweisenden Disco-Hits "I Feel Love" von Donna Summer aus dem Jahr 1977. Schon 1975 verbuchte das in München gegründete und produzierte Trio "Silver Convention" mit "Fly, Robin, Fly" einen internationalen Erfolg: Der Song landete auf Platz 1 der US-Charts.
"Toxic Mega Rave" Alabama-Halle, 1994Originalquelle: Rights: Sammlung Stadtkultur, Münchner Stadtmuseum
Das Münchner Nachtleben der 1980er Jahre war geprägt von der sogenannten "Hallenkultur", für die die Alabamahalle als eine der Kultstätten der Münchner Jugend den Grundstein legte. Die Sendung „Live aus dem Alabama“ - jeden Montag im „Bayerischen Fernsehen“ - bot neben viel Musik vor allem kritische Diskussionsrunden. Nach ihrer Schließung 1987 zog die Alabamahalle um in die Domagkstraße – und wurde zur beliebten Location für zahlreiche Rave-Nächte.
Flyer, "Ultraschall - Programm No. 1", 1994Originalquelle: Rights: Sammlung Stadtkultur, Münchner Stadtmuseum
In den 1990er Jahren wurde das Gelände des alten Flughafens Riem zu einem weit über München hinaus bekannten Hotspot des Nachtlebens. Im Juni 1994 eröffnete in der ehemaligen Großküche der Flughafen-Kantine als erster Techno-Club der Stadt das "Ultraschall".
Dokument, "44 Namen für einen Club", 1994Originalquelle: Sammlung Stadtkultur, Münchner Stadtmuseum
Ideen für die Namensgebung gab es viele, hier zu sehen auf einer Brainstorm-Liste der Club-Betreiber*innen. Von "Stroboskop" bis "Hexenkessel", von "Silicium" bis "Dröhnophon". Am Ende entschied man sich für "Ultraschall".
Zu den Resident DJs des "Ultraschall" gehörten unter anderem Monika Kruse, Richard Bartz, Acid Maria und DJ Hell. Regelmäßiger Gast an den Plattentellern bei Veranstaltungen in Riem war auch...
...Sven Väth.
Reportage Riemer Hallen, 1993Originalquelle: Volker Derlath, Rights: Sammlung Stadtkultur, Münchner Stadtmuseum
Neben dem techno-lastigen "Ultraschall" gab es in Riem noch weitere Veranstaltungshallen: Die "Zeppelinhalle", die "Charterhalle", den "Wappensaal" und das...
..."Terminal 1", in den neben vielen Club-Partys auch Konzerte großer Bands stattfanden. Smashing Pumpkins und Oasis, Rammstein und Bob Dylan, Soundgarden und Green Day. Berühmt wurde die Location aber vor allem wegen eines Konzerts am 1. März 1994.
An diesem Tag fand das allerletzte Konzert der Band "Nirvana" statt - fünf Wochen, bevor sich Frontmann Kurt Cobain das Leben nahm.
1996 war in Riem dann Feierabend für das Nachtleben. Die alten Bauten mussten weichen für die neue Messestadt Riem.
Für die Münchner Clubszene öffnete sich aber schon recht bald wieder eine neue Spielwiese. Noch größer und noch zentraler in der Stadt. Es kam die Zeit des "Kunstpark Ost".
Bar im Ultraschall II, 1998Originalquelle: Marcus Zumbansen, Rights: Sammlung Stadtkultur, Münchner Stadtmuseum
Im September 1996 eröffnete auf einer Fläche von 90.000 Quadratmetern Europas größtes Partyareal, auf dem neben dem "Ultraschall 2" rund 30 Clubs und Discos, Bars und Restaurants, Spielhallen und Ateliers ein neues Zuhause fanden. Ermöglicht wurde dieser neue Hotspot...
Arbeitskittel "Pfanni", 1995Originalquelle: Rights: Sammlung Mode/Textilien, Münchner Stadtmuseum
...durch den Wegzug der Firma "Pfanni", die hier jahrzehntelang Kartoffelprodukte hergestellt hatte. Arbeitskittel wie diese wurden von den Betreiber*innen des "Ultraschall 2" bei den Renovierungsarbeiten des Gebäudes getragen.
Silberne Schallplatte "Kernkraft 400", 2000Originalquelle: Rights: Sammlung Stadtkultur, Münchner Stadtmuseum
Zu einem der größten Münchner Hits der späten 1990er Jahre mutierte der Song "Kernkraft 400" des Münchner Duos "Zombie Nation". Veröffentlicht wurde das Stück auf International Deejay Gigolo Records, dem Plattenlabel von DJ Hell.
Der Song "Kernkraft 400" von "Zombie Nation" entstand im Umfeld der subversiven Münchner Musikszene und war eigentlich nicht dazu bestimmt, ein Hit zu werden. Das Elektro-Projekt setzte es sich bei seiner Gründung zum Ziel, die großen Gesten des Mainstream-Pop zu persiflieren. Doch ironischerweise entwickelte sich ihr Lied schnell zu einem der populärsten Münchner Produktionen überhaupt. Aus dem Underground gelang das Duo schnell zu einer silbernen Schallplatte in Großbritannien und zu einem Auftritt bei "Top of the Pops". Die Performance, Persiflage im besten Sinne.
Heute ist der Song endgültig im Mainstream angekommen und entwickelte sich vor allem in den Stadien und Sportarenen der Welt zum Dauerbrenner. Als Pausen-Jingle in den nordamerikanischen Profiligen NBA, NHL und NFL oder auch als offizielle Torhymne bei den Spielen der deutschen Fußball-Nationalmannschaft. Eine faszinierende Kurz-Doku des Online-Portals "Vice" schildert die erstaunliche Geschichte von "Kernkraft 400" mit vielen Anekdoten und Hintergründen.
Im Jahr 2003 beerbten die "Kultfabrik" und die "Optimolwerke" den "Kunstpark Ost", in den Jahren 2016 und 2017 war dann aber auch dort mit dem Party- und Veranstaltungsbetrieb Schluss. Es begannen die Arbeiten für das neue Werksviertel, ein neues urbanes Quartier zum Leben, Wohnen und Arbeiten mit dem neuen Konzertsaal als Herzstück des Areals. Das Club-Leben der Stadt hatte sich aber schon Anfang des neuen Millenniums immer mehr in die Innenstadt verlagert.
Zu einem der angesagtesten Clubs der Stadt wurde ab 2003 die "Registratur" in den Räumen der ehemaligen Postverwaltung im alten Technischen Rathaus an der Blumenstraße 28. Sechs Jahre lang legten hier bekannte DJs aus der House- und Techno-Szene auf, im September 2009 war dann Schluss. Mit diesen in ganz München ausgehängten Plakaten warben die Club-Betreiber für den allerletzten Abend am 19. September.
Die "Registratur" war aber auch Schauplatz einiger großer Live-Gigs - hier mit den Indie-Haudegen von Maximo Park im Rahmen ihrer Club-Tour 2009
Veranstaltungsplakat, "Harry Birthday - 5 Jahre dein Platz an der Sonne", 2015Originalquelle: Dominik Schieß (Grafik), Tanja Carina Leithe (Artwork)
Zur richtigen Partymeile wurde schließlich die sogenannte Feierbanane entlang der Sonnenstraße, so genannt wegen des einer Banane ähnelnden gekrümmten Straßenverlaufs zwischen Sendlinger Tor und Sonnenstraße. Hier etablierten sich zahlreiche Clubs wie das "Harry Klein"...
Slipmat, "Harry Klein - Himmel der Bayern", 2016Originalquelle: Dominik Schieß (Grafik und Artwork)
...das 2003 in den Optimolwerken eröffnet wurde und 2010 dann in die Sonnenstraße umzog. Wie die "Rote Sonne" am Maximiliansplatz gilt das "Harry Klein" als legitimer Nachfolger des "Ultraschall". Auf Flyern und Plakaten spielten die Betreiber*innen immer wieder mit dem Bezug zum Freistaat Bayern, sei es hier auf der Slipmat...
Plakat, Harry Klein, "Dahoam sterbn d'Leit", 2016Originalquelle: Dominik Schieß (Grafik)
...oder diesem Plakat mit dem Titel "Dahoam sterbn d'Leit", eine Hommage an den gleichnamigen Heimatfilm aus dem Jahr 1985. Als Vorlage für diese Fotocollage mit hauseigenen Resident DJs diente das Rembrandt-Gemälde "Die Anatomie des Dr. Tulp"
Bierkrug "5 Jahre Harry Klein", 2008Originalquelle: Sammlung Stadtkultur, Münchner Stadtmuseum
Für großen Wirbel sorgte 2008 ein Bierkrug, den die Club-Crew
anlässlich des fünfjährigen Bestehens des "Harry Klein" in den Optimolwerken herausbrachte. Abgebildet war das abgewandelte und gesetzlich geschützte Logo des „Vereins Münchner Brauereien e.V.“. Laut Club-Betreiber David Süß humoristische Hommage an die Münchner Braukultur und das bayerische Reinheitsgebot. Die Münchner Brauer fanden das nicht so lustig und verklagten den Club unter anderem wegen Rufausbeutung und Markenverletzung
Veranstaltungsplakat "Marry Klein", 2017Originalquelle: Svenja Dahm (Grafik), Phaedra Richter (Artwork)
Mit der Veranstaltungsreihe "Marry Klein" versucht der Club mehr Sichtbarkeit und Beteilung von Frauen sowie nicht-binären Menschen im Nachtleben zu schaffen, da die Clubkultur auch heutzutage noch männlich dominiert und patriachal geprägt ist.
Während der Corona-Pandemie ab März 2020 war das "Harry Klein" einer jener fünf Clubs aus München und Nürnberg, die an der Kampagne "United We Stream" teilnahmen. Der Premierenabend wurde am 7. April auf "ARTE Concert" übertragen. Im "Harry Klein" legten Stefanie Raschke & Proximal auf.
Einer der jüngsten Clubs der Stadt residiert heute in einem historischen Gemäuer, im alten Kongresssaal des Deutschen Museums. 1935 eröffnet, war er bis 1985 Münchens größter Konzertsaal. Ray Charles und Miles Davis, Frank Zappa und The Who, Peter Gabriel, Elton John und viele weitere Legenden aus der Welt des Pop und Rock hatten hier ihren Auftritt. Anfang der 1990er Jahre wurde der Kongresssaal zum "Forum der Technik" mitsamt großem IMAX-Kino und Planetarium umgebaut. Danach stand er jahrelang leer.
"Blitz Club" aus Fotoreihe "Vorübergehend geschlossen", 2020Originalquelle: Ernst Jank, Münchner Stadtmuseum
2017 zog schließlich das "Blitz" hier ein, das sich schnell zu einem der auch international namhaftesten Clubs der Stadt entwickelte. Das "Blitz" fasst 800 Gäste und ist, wie es die Betreiber nennen, mit einem "einzigartigen Beschallungskonzept" ausgelegt.
Wandverkleidung Blitz-Club, 2017Originalquelle: Sammlung Stadtkultur, Münchner Stadtmuseum
Dabei sorgt das Raum-im-Raum-Konzept für eine phänomenale Akustik im Inneren des Clubs wie auch für eine perfekte Schall-Isolation nach außen.
Innenaufnahme Blitz Club München, 2017Originalquelle: Simon Vorhammer
Stempel "Blitz", 2019Originalquelle: Sammlung Stadtkultur, Münchner Stadtmuseum
Das altbekante Münchner Club-Motto "Wer reinkommt, ist drin" trifft natürlich auch aufs "Blitz" zu. Immerhin ist die Tür hier nicht ganz so hart, die Türsteher gelten als weitaus weniger streng als in anderen Clubs der Stadt.
Aufkleber zum Abkleben von Handykameras, 2018Originalquelle: Sammlung Stadtkultur, Münchner Stadtmuseum
Eine der großen Besonderheiten im "Blitz": Das strikte Film- und Fotografierverbot. Mit diesen Stickern müssen die Besucher ihre Handy-Kameras überkleben, um das Feiern unmittelbarer genießen zu können, ohne sich durch die Reproduktion des Erlebten ablenken zu lassen.
Das alles und noch viel mehr gibt es 2021 in der großen Sonderausstellung "NACHTS. Clubkultur in München" im Münchner Stadtmuseum zu sehen.
Wir freuen uns auf Ihren Besuch!
www.muenchner-stadtmuseum.de
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