Zentralinstitut für Kunstgeschichte
Zentralinstitut für Kunstgeschichte
Das Photographische Atelier Schmidt in Nürnberg
Im November 1867 erhält Ferdinand Schmidt offiziell die Lizenz zum Fotografengewerbe. Im Oktober hatte er das fotografische Atelier seines verstorbenen Vaters Georg Schmidt (1811–1867) übernommen. In einer Anzeige bewirbt Schmidt sein Geschäft und seine umfangreichen Leistungen und ist sogar „zu Aufnahmen von Leichen stets in Bereitschaft“.
Ferdinand Schmidts FotografenkutscheOriginalquelle: Helmut Beer: Das alte Nürnberg des Ferdinand Schmidt. Fotografien 1860 bis 1909. Nürnberg 2009, S. 17
Schmidt wird am 19. Juni 1840 in Nürnberg geboren, wo er am 22. August 1909 stirbt. Als handwerklich begabter Fotograf, baut er eine fahrbare Dunkelkammer aus einer Kutsche, da er primär im Kollodium-Nassplatten-Verfahren fotografiert – einem Verfahren, das eine rasche Weiterverarbeitung in einer Dunkelkammer erfordert.
Der Chronist des alten Nürnbergs fängt die Stadt in einer Zeit großer Veränderung ein. Seine Fotografien zeigen prachtvolle Bürgerhäuser, erbaut in der Spätgotik und Renaissance, die schon zu seiner Zeit eine reiche Geschichte hinter sich haben. Während des Zweiten Weltkriegs wird das Nürnberg aus Schmidts Fotografien weitgehend zerstört und so erlauben seine Bilder eine Zeitreise in das Nürnberg um 1900.
Sternhof, Neutorstraße 13
Um 1800 ist der Sternhof ein Gasthaus für Reisende und Unterkunft für Handwerker. Der Name stammt von dem Stern, der dieses Gasthaus markierte. An den ungewöhnlich weitläufigen Innenhof grenzen zahlreiche Häuser und Schmieden an. Nachdem Ende des Gastbetriebs 1851 verfällt der Hof allmählich, bis zum weitgehenden Abriss in den 1880er Jahren. Im Zweiten Weltkrieg fällt der Rest einem Luftangriff zum Opfer. Heute stehen auf dem Grundstück Neubauten aus der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts. Die Hausnummer 13 existiert in den Adressbüchern nicht mehr.
Der malerische Blick in den Innenhof des Sternhofs mit dem Neutorturm im Hintergrund inspiriert im Laufe der Jahre zahlreiche Künstler. So auch Lorenz Ritter, der den Hof einige Jahre vor Schmidt zeichnet.
Spätestens um 1890 bleibt nur noch eines der ursprünglichen Fachwerkgebäude übrig. Hier zu sehen auf einer Zeichnung von 1911.
Nürnberg: Ehemaliger Sternhof, Neutorstraße 13 (1567/1599)Zentralinstitut für Kunstgeschichte
Auf dieser Fotografie von 1918 sieht das Gebäude schon stark baufällig aus. Erbaut wird der Sternhof vermutlich nachdem 1567 ein Brand die vorherigen Häuser auf diesem Grundstück zerstört hat. Offene Dockengalerien schmücken die Obergeschosse. Sie sind typisch für Nürnberger Wohnhäuser des Mittelalters. Docken sind aus Holz gedrechselte Säulen einer Balustrade.
Wohnhaus, Hübnersplatz 7
Am Hübnersplatz 7 stand dieses Wohnhaus aus dem 16. und 17. Jahrhundert. Die verschachtelten, hölzernen Balustergalerien und Treppenhäuser faszinieren Schmidt wahrscheinlich, als er sie 1880 fotografiert. In vielen spätgotischen Nürnberger Wohnhäusern befinden sich Treppen zwischen Geschossen und Fluren im Freien, im Innenhof. Im Erdgeschoss befinden sich häufig Werkstätten oder Lagerräume.
Nürnberg: Ehemaliges Wohnhaus, Hübnersplatz 7 (1480/1620)Zentralinstitut für Kunstgeschichte
In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts werden die Holzgalerien verstärkt. Eine Bombe zerstört im Zweiten Weltkrieg den gesamten Häuserblock.
Pickerthaus, Albrecht-Dürer-Platz 10
Das am Ende des 15. Jahrhunderts erbaute Bürgerhaus trägt seinen Namen nach der hier untergebrachten Kunsthandlung. 1858 kauft der namenhafte Fürther Kunstsammler und Hofantiquar Abraham Pickert (1783–1870) das Haus. Seine drei Söhne Sigmund, Julius und Max treten ebenfalls ins Antiquitätengeschäft ein. Nach dem Tod Abraham Pickerts übernimmt sein ältester Sohn Sigmund (1825–1893), der 1872 Hofantiquar wird. Schmidts Fotografie aus der Zeit der 1870er oder 1880er Jahre zeigt die im Innenhof ausgestellten Kunstschätze.
Nürnberg: Ehemaliges Pickerthaus, Albrecht-Dürer-Platz 10 (1480/1500)Zentralinstitut für Kunstgeschichte
Nach dem Tod Sigmund Pickerts 1893 geht das Geschäft an seinen jüngeren Bruder Max (1836–1912), der das Haus der Stadt Nürnberg vermacht. In dieser Fotografie aus der Zeit zwischen 1920 und 1940 ist die Kunsthandlung bereits Geschichte.
Das spätgotische Haus zeigt einen für die Zeit typischen Aufbau: Ein Innenhof verbindet ein Vorder- und ein Hinterhaus.
Im Obergeschoss an den Nord-, West- und Ostseiten des Hofes befinden sich Dockengalerien. Am 2. Januar 1945 zerstört eine Sprengbombe das Wohnhaus.
Haus zu den Löwenköpfen, Ecke Theresienstraße 11 und Tetzelgasse 1
Schmidt fotografiert den Innenhof dieses Wohnblocks kurz vor dessen Abriss 1892. Die Gebäude an der Ecke Tetzelgasse 1 und Theresienstraße 11 müssen dem Neubau des Postamts an der Theresienstraße weichen, der sogenannten Theresienpost. Einmal mehr zeigt sich Schmidt somit als Chronist einer sich im Wandel befindlichen Stadt am Übergang zum 20. Jahrhundert. Der Besuch des Fotografen bleibt nicht unbemerkt. So verteilen sich die Hausbewohner auf allen Ebenen; sichtbar auch auf einer weiteren Fotografie dieses Hofes: …
Nürnberg: Ehemaliges Haus zu den Löwenköpfen, Theresienstraße 11 (1616)Zentralinstitut für Kunstgeschichte
… von einem leger gegen einen Pfeiler gelehnten Knaben und Herren im Dreiteiler …
… zu einer Frau, die sich posierend auf die Brüstung einer Holzgalerie stützt …
… und neugierig aus einem Fenster des Treppenturms blickenden Kindern.
Nachdem sich auf diesem Gelände einst das Ungeldamt befand – ein mittelalterliches Amt für eine Art Umsatzsteuer – wird es 1616 zu einem einheitlichen Komplex umgebaut. Die einzelnen Ebenen der zum Teil offenen, hölzernen und geschlossenen, gemauerten Galerien verbindet ein achteckiger Treppenturm. Auf Schmidts Fotografien erscheint der Hof deutlich in die Jahre gekommen.
Im Zweiten Weltkrieg wird auch die Theresienpost zerstört. Heute ist die Straßenecke unbebaut.
Das Gebäude trägt den Namen Haus zu den Löwenköpfen, vermutlich in Anspielung auf ein Wappen, das sich an dem Chörlein (typischer Nürnberger Erkeranbau) der Straßenfassade befand.
Wohnhaus, Karlstraße 7
Ein weiteres schönes Exemplar eines Innenhofs im Renaissancestil zeigt dieses nicht weiter benennbare Haus in der Karlstraße. Maßwerkornamente dekorieren die geschlossenen Galerien am ersten und zweiten Stockwerk. Das Haus wird spätestens im Zweiten Weltkrieg zerstört und die Hausnummer 7 existiert heute nicht mehr.
Das Haus zum Pfauen ist ein charakteristisches Beispiel eines Nürnberger Maßwerkhofes aus der Zeit um 1550. Zweigeschossige Holzgalerien umziehen drei Seiten des Hofes.
Am 2. Januar 1945 wird das Gebäude vollständig zerstört und auch die Tetzelgasse 32 existiert heute nicht mehr.
Nürnberg: Ehemaliges Wirtshaus Historischer Hof, vormals Imhoffsches Haus (?), Tucherstraße 20 (1450/1550) von Adam KraftZentralinstitut für Kunstgeschichte
Wirtshaus Historischer Hof, Tucherstraße 20
Das Haus Tucherstraße 20 wird um 1500 im spätgotischen Stil erbaut. Im ersten Stock dieses prächtigen Innenhofs befindet sich eine umlaufende steinerne Empore mit Maßwerkbrüstung. Im zweiten Stock verkleiden geschnitzte Holzpaneele die Empore.
Der symmetrische Bildausschnitt, den Schmidt wählt, zeigt die Besonderheit dieses Bauwerks:
Diese Stelen von 1505 mit musizierenden Figürchen werden dem Nürnberger Bildhauer und Baumeister Adam Kraft (ca. 1460–1509) zugeschrieben.
Nürnberg: Ehemaliges Wirtshaus Historischer Hof, vormals Imhoffsches Haus (?), Tucherstraße 20 (1450/1550)Zentralinstitut für Kunstgeschichte
Im 19. Jahrhundert befindet sich im Erdgeschoss das Wirtshaus Historischer Hof.
Nürnberg: Ehemaliges Wirtshaus Historischer Hof, vormals Imhoffsches Haus (?), Tucherstraße 20 (1450/1550)Zentralinstitut für Kunstgeschichte
Ein Blick durch den Hof zeigt die unterschiedlichen Baustile der angrenzenden Gebäude.
Nürnberg: Ehemaliges Wirtshaus Historischer Hof, vormals Imhoffsches Haus (?), Tucherstraße 20 (1450/1550)Zentralinstitut für Kunstgeschichte
Die Nordseite wird im 17. Jahrhundert umgebaut. Der Häuserblock wird am 2. Januar 1945 zerstört.
Pellerhaus, Egidienplatz 23
Das Pellerhaus gilt bereits zur Zeit seiner Entstehung als eines der eindrucksvollsten Exemplare der Nürnberger Renaissance. Das 1602–1605 nach Plänen von Jakob Wolff dem Älteren (1546–1612) erbaute Haus ist eine klassische Nürnberger Anlage mit Vorder- und Hinterhaus, verbunden über einen Innenhof. Dieser Hof zeigt sowohl Einflüsse der italienischen Renaissance – wie die Bogenstellungen der Arkaden im Erdgeschoss und der Galeriegänge in den Obergeschossen –, als auch typisch Nürnbergische Merkmale der Spätgotik – wie die mit Maßwerkornament verzierten Brüstungen.
Nürnberg: Egidienplatz (1602/1828)Zentralinstitut für Kunstgeschichte
Auftrag- und Namensgeber ist der Kaufmann Martin Peller. Er ist ab ca. 1581 in Nürnberg tätig und wird 1585 in den Adelsstand erhoben. 1596 erhält er das Nürnberger Bürgerrecht.
Bis 1600 ist Peller wohlhabend genug, um auf einem der repräsentativen Plätze Nürnbergs ein Grundstück zu kaufen. Auf dem Egidienplatz ist er in guter Nachbarschaft vieler wichtiger, alteingesessener Patrizierfamilien, wie Imhoff, Behaim und Ebner.
Nürnberg: Pellerhaus, Egidienplatz 23 (1602/1605) von Jakob Wolff the ElderZentralinstitut für Kunstgeschichte
Durch den Bau des Wohn- und Geschäftshauses will Peller seine Chancen auf eine Mitgliedschaft im Stadtrat erhöhen, um damit mehr politische Macht in Nürnberg zu erlangen.
Sprengbomben beschädigen das Pellerhaus am 3. Oktober 1944 und am 2. Januar 1945 schwer. Nur Teile der Eingangshalle und der Arkaden im Hof bleiben erhalten.
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Bereits 1956/57 bauen Fritz und Walter Mayer eine neue, moderne Fassade. Von 2008 bis 2018 wird der Innenhof fast vollständig historisch rekonstruiert und ist heute für Besucher zugänglich.
Nürnberg: Ehemaliges Wohnhaus, Äußerer Laufer Platz 17 (1600/1625)Zentralinstitut für Kunstgeschichte
Wohnhaus, Äußerer Laufer Platz 17
Zu diesem stattlichen Hof, der einst an der Adresse Äußerer Laufer Platz 17 stand, ist wenig bekannt. Das Gebäude wird wohl um 1600 im Stil der Nürnberger Renaissance erbaut. Ein achteckiger Treppenturm an der Nordseite akzentuiert den großen Innenhof.
Schmidts Fotografie setzt diesen Treppenturm mit seinen Maßwerkornamenten in den Fokus. Besonders malerisch wirkt diese Hinterhofaufnahme durch die spielenden Kinder.
Der kopfschüttelnde Hund verrät, dass die Kinder wohl sehr lange in ihrer Position ausharren müssen.
In einige seiner Fotografien integriert Schmidt interessierte Zuschauer und Kinder als lebendige Requisiten, um seine Motive zu beleben.
Nürnberg: Ehemaliges Wohnhaus, Äußerer Laufer Platz 17 (1600/1625)Zentralinstitut für Kunstgeschichte
Zwei Fotografien aus den 1930er Jahren zeigen einen leicht anderen Blick in den Hof …
Nürnberg: Ehemaliges Wohnhaus, Äußerer Laufer Platz 17 (1600/1625)Zentralinstitut für Kunstgeschichte
… sowie die Straßenfassade auf der Südseite. Das Gebäude wird im Zweiten Weltkrieg vollständig zerstört.
Hertelshof, Panierplatz 9
Ein achteckiger Treppenturm steht auch in dieser Aufnahme des Hertelhofs im Mittelpunkt. Die unterschiedlichen gotischen Maßwerkornamente unter den Fenstern und am Treppenturm zeichnen diese Seitenfassade aus. Die Hofansicht entwickelt sich zu einem beliebten Motiv im Laufe der Jahre.
Das Gebäude stand einst an der Ecke Panierplatz 9 und Untere Söldnersgasse. Zur Straßenecke hin öffnet sich der Hof mit einem Garten.
Im Jahr 1604 erwirbt der Weinhändler Hieronymus Hertel das Grundstück und lässt 1612 das Gebäude errichten, das daher den Namen Hertelshof trägt.
Am 2. Januar 1945 wird das Gebäude fast vollständig zerstört. Ein besonderes Detail kann die Zeit jedoch überdauern.
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Eine der Maßwerkbrüstungen aus dem obersten Stockwerk ziert ein Mauerstück, an dem vormals das Portal zum Hof gestanden hat. Diese Erinnerung an das einstige Gebäude hängt jedoch heute verkehrt herum.
Krafft'sches Haus, Theresienstraße 7
Die Adresse Theresienstraße 7 beherbergt im Mittelalter und der frühen Neuzeit zahlreiche Vertreter namhafter Nürnberger Patrizierfamilien, wie Welser, Tucher, Scheurl, Pfinzing, Stromer und Haller von Hallerstein.
Im Jahr 1509 kauft Jakob Welser (1468–1541) das Anwesen von den Stromern. Nach ihm wird der eindrucksvolle Innenhof (Welserhof) benannt, der bis 1512 vom Architekten Hans Behaim dem Älteren (1455/60–1538) errichtet wird.
Seinen letzten Namen, Krafft‘sches Haus, verdankt das Gebäude Philip Casimir Krafft. Der Kaufmann erwirbt das Anwesen 1812, bevor es 1896 in Besitz der Klein‘schen Brennmaterialien Stiftung gelangt. Schmidts Aufnahme von 1903 zeigt den Innenhof bereits zur Zeit dieser Stiftung.
Das Krafft'sche Haus, errichtet im Stil der Spätgotik mit Einflüssen der Neuzeit, besteht aus einem Vorder- und Hinterhaus und einem großen Innenhof. Im Süden, Osten und Westen umziehen den Hof überwiegend offene Galerien mit ornamentalen Maßwerkbrüstungen.
Nur Teile des Innenhofs, das Eingangsportal sowie das einst über dem Portal angebrachte Wappen überstehen den zweiten Weltkrieg.
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In den 1950er Jahren erhält das Gebäude eine neue Fassade, die auf die erhaltenen Teile des Erdgeschosses aufbaut. Der Innenhof wurde in den letzten 50 Jahren umfassend restauriert und zum Großteil historisch wiederaufgebaut. Heute befinden sich im Welserhof ein Freilichtkino und eine Kleinkunstbühne.
Alle Fotografien aus der Photothek des Zentralinstituts für Kunstgeschichte München, mit Ausnahme der Bildzitate aus Nürnbergs Bürgerhäuser und ihre Ausstattung und Das alte Nürnberg des Ferdinand Schmidt. Fotographien 1860 bis 1909.
Konzeption & Text: Nadine Raddatz
Mit Unterstützung von Sonja Hull, Elina Meßfeldt, Ralf Peters, Silvia Werndl und Pia Wiesner
Mehr zum Fotografen Ferdinand Schmidt gibt es auf dem Blog des ZI nachzulesen.
Weiterführende Literatur (u. a.):
Fritz Traugott Schulz: Nürnbergs Bürgerhäuser und ihre Ausstattung. 1. Bd.: Das Milchmarktviertel. Leipzig/Wien 1933;
Centrum Industriekultur (Hrsg.): Nürnberg 1865-1909. Photographien von Ferdinand Schmidt, München 1987;
Helmut Beer/Michael Diefenbacher: Im Wandel - Nürnberg vor 100 Jahren. Fotographien von Ferdinand Schmidt 1860-1909, Nürnberg 1999;
Helmut Beer: Das alte Nürnberg des Ferdinand Schmidt. Fotographien 1860 bis 1909, Nürnberg 2009.
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