Brokatpapier (1743)Staatsbibliothek Bamberg
In nahezu allen historischen Bibliotheken mit Buchbeständen des 18. und 19. Jahrhunderts finden sich zahlreiche einfarbige, gemusterte oder kunstvoll mit Metallfolie verzierte Buntpapiere.
Von ihren Anfängen im 15. Jahrhundert bis ins papierene Zeitalter zwischen 1750 bis 1850 waren Buntpapiere künstlerische Zeugnisse und wertvoller Bestandteil der damaligen Buchkultur.
Schabloniertes Brokatpapier (1763/1763)Staatsbibliothek Bamberg
Dekorierte Papiere kamen über Jahrhunderte vor allem beim Buchbinden zum Einsatz. Als Einband- oder Vorsatzpapier, als Umschlag, Heftstreifen oder zum Beziehen eines Schubers waren Buntpapiere vielfältig einsetzbar.
Modeldruckpapier (1763)Staatsbibliothek Bamberg
Drei grundlegende Eigenschaften von Buntpapier
1. Buntpapiere entstehen erst nach der Fertigstellung des Trägerpapiers in einem eigenen Arbeitsschritt. Die Papiermasse wird also nicht bereits bei der Herstellung gefärbt, sondern nur die Oberfläche der Papiere.
2. Das Dekor der Papiere ist mit Flächenornamenten angelegt. Muster können mit sich wiederholenden Elementen (Rapport) oder frei und dynamisch gestaltet werden.
3. Buntpapiere sind in der Regel Halbfabrikate, die zur Weiterverarbeitung für verschiedene Anwendungsbereiche hergestellt werden.
Marmorpapier - Faszinierende Formensprache aus Fernost
Die Marmoriertechnik ist eines der wohl ältesten Veredelungsverfahren für Papier weltweit. Von Japan über den Iran und die Türkei gelangte marmoriertes Papier im ausgehenden 16. Jahrhundert nach Europa.
Granitmarmorpapier (1808)Staatsbibliothek Bamberg
Wegen seiner ungewöhnlichen Formensprache löste Marmorpapier eine große Faszination aus. Ab dem 17. Jahrhundert entwickelten sich unterschiedliche Varianten in ganz Europa.
Marmorpapier (1772)Staatsbibliothek Bamberg
Von schier unerschöpflicher Vielfalt sind die Variationsmöglichkeiten der Farben und Muster beim Marmorpapier.
Mit dem Kamm gezogenes Marmorpapier oder Schneckenmarmorpapier kam sehr häufig in Bucheinbänden als Vorsatzpapier oder Bezugsstoff sowie als Umschlag von Broschüren zum Einsatz.
Einblicke in eine Marmorierwerkstatt
Diderots Enzyklopädie von 1765 veranschaulicht detailliert auf zwei Kupferstichtafeln die Arbeitsschritte bei der Herstellung von Marmorpapier, bei der Oberflächenbehandlung und beim Marmorieren von Buchschnitten.
Encyclopédie, Marbreur de Papier, Tafel 1 (1767) von Denis Diderot; Jean Le Rond d’Alembert; Louis-Jacques GoussierStaatsbibliothek Bamberg
Vorbereitungen für die Herstellung
Fig. 2 reibt Farbe mithilfe eines Reibers an. Das Farbpulver wird mit einem Lederstück zusammengefegt.
Fig. 5 legt das Papier in ein Becken mit einem Marmoriergrund aus Gummiwasser, auf den Farben geträufelt und verzogen wurden, und zieht das Muster ab.
Fig. 3 sprenkelt Farbe mithilfe eines Pinsels auf den Marmoriergrund im Becken.
Fig. 4 gestaltet das Muster mit einem Kamm durch das "Verziehen" der Farben.
Fig. 8 hängt marmorierte Papiere mit einem Aufhängekreuz ("Krucke", französisch le tréteau) zum Trocknen auf.
Fig. 1 rührt Gummiwasser für den Marmoriergrund an bzw. seiht den fertigen Marmoriergrund in das Becken.
Encyclopédie, Marbreur de Papier, Tafel 2 (1767) von Denis Diderot; Jean Le Rond d’Alembert; Louis-Jacques GoussierStaatsbibliothek Bamberg
Nachbehandlung
Fig. 9 poliert das getrocknete marmorierte Papier.
Fig. 10/1 glättet das Papier mit einer Glättmaschine (französisch le lissoir).
Fig. 10/2 faltet das Papier mit einem Falzbein. Links vom Handwerker liegt ein Stapel ungefalteter Papiere, rechts von ihm ein Stapel fertiger Papiere.
Fig. 11/1 bereitet mit einem spitzen Stäbchen das Kamm-Marmorpapier durch Verziehen der auf dem Wasser aufgespritzten Farbe vor.
Fig. 11/2 hält mehrere Buchblöcke zusammengepresst und berührt die Wasseroberfläche damit, um den Buchschnitt zu marmorieren.
Einfarbig gestrichenes Papier - Die älteste Form
Die Gestaltung von Buntpapieren reicht in Europa bis ins frühe 15. Jahrhundert zurück. Die Farben bestanden aus pflanzlichen oder mineralischen Pigmenten, die mit tierischem Leim gebunden wurden. Die Oberfläche des Papiers strich man mit Pinsel oder Bürste ein.
Glanzpapier - Die Veredlung
Glanzpapiere sind einfarbig gestrichene Papiere, deren Oberfläche mit Wachs, Gelatine oder Lack behandelt wurde. Für den Glanzeffekt wurde das gefärbte Papier unter gleichmäßigem Druck mit einem hartgeschliffenem Stein überfahren, um es zu glätten und zu polieren.
Sprenkelpapier - "Die Eierschale"
Eine andere Art der Veredelung kam ab der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts in Mode: Das Besprenkeln von hellem Grund mit dunkler Farbe. Man nennt derartiges Papier auch „Kiebitzpapier“, denn das Dekor erinnert an die Eier des gleichnamigen Vogels.
Kleisterpapier - neue Gestaltungsarten entstehen
Durch die Nutzung von pflanzlichem Stärkekleister entwickelten sich ab dem 17. Jahrhundert neue Gestaltungsarten. Befeuchtete Blätter bestrich man mit dem eingefärbten Kleister und verzierte sie mit Mustern, solange die Farbe noch feucht war.
Kleisterpapier in Abzugstechnik (1776)Staatsbibliothek Bamberg
Die feine Äderung entsteht durch das Aufeinanderlegen von zwei dekorierten Papierbögen, die dann voneinander abgezogen werden.
Kleisterpapier Herrnhuter Art (1794)Staatsbibliothek Bamberg
Herrnhuter Kleisterpapier
Von herausragender Qualität waren die Papiere, die Frauen der Herrnhuter Brüdergemeine in der Oberlausitz produzierten. Ihre Besonderheit sind die vielschichtigen und komplexen Blumen- und Musterdekore, die eine plastische Tiefenwirkung erzeugen.
Kleisterpapier Herrnhuter Art (1776)Staatsbibliothek Bamberg
Kleisterpapiere aus der "Buntpapier-Manufactur" in der sächsischen Oberlausitz wurden von 1764 bis 1824 in den Handel gebracht und eroberten so den Papiermarkt des östlichen Mitteldeutschlands. Über Missionierungsarbeit fanden die Herrnhuter Papiere weltweite Verbreitung.
Modeldruckpapier - unendliche Kreativität
Im 18. und frühen 19. Jahrhundert war diese Gestaltungstechnik besonders beliebt. Modeldruckpapiere entstanden in der Tradition des Textildrucks im Hochdruck als Hand-Blockdruck-Verfahren. Aus Frankreich kam das typische blaue "Dominotierpapier".
ModeldruckpapierStaatsbibliothek Bamberg
Die Mustervielfalt der Modeldruckpapiere ist unerschöpflich. Neben schlichten ein- oder zweifarbigen Streifen- und Gittermuster gibt es ornamentale Flächenmuster. Unzählige Varianten von Rankendesigns und Streudekoren mit naturnahen oder fantasievollen Blüten sind möglich.
Spiel aus 3 HolzmodelnStaatsbibliothek Bamberg
Zur Herstellung der Muster setzte man Modeln ein, Druckstöcke aus Holz mit eingearbeiteten Dekorelementen oder mit eingeschlagenen Metallteilen. Der Druck erfolgte stempelartig direkt auf das Papier. Für jede Farbe benötigte man eine eigene Model.
(Modelspiel aus Privatbesitz)
Bronzefirnispapier - Die Fusion zweier Verfahren
Um 1690 entwickelten der Formschneider Jacob Enderlin und die Brüder Neuhofer in Augsburg eine völlig neue Art des Buntpapiers - eine Kombination des beim Kattundruck angewandten Modeldruckverfahrens und der Stoffmalerei mit Bronzefirnis.
Bronzefirnispapier (1724) von Georg Christoph StoyStaatsbibliothek Bamberg
Hierfür wurde als Druckfarbe eine goldglänzende Mischung aus Firnis und glänzendem Bronzepulver verwendet. Als Trägerpapier dienten meist einfarbig gestrichene Papiere. Bei den Dekoren dominieren Ranken und florale Motive, seltener sind geometrische Formen.
Bronzefirnispapier (1763)Staatsbibliothek Bamberg
Bronzefirnispapier mit schwarz eingefärbtem Trägerpapier fand speziell für Leichenpredigten Verwendung; es hieß daher "Trauerpapier". Papiere in heiteren Farben benutzte man dagegen gerne als Umschläge von Dissertationen oder als festliche Hülle von Huldigungsschriften.
Kupferstichpapier - Selten und edel
Sehr viel seltener kam das Tiefdruckverfahren des Kupferstichs bei Buntpapieren zur Anwendung - dafür aber mit hochwertigen Ergebnissen. Die Herstellung der Papiere erfolgt wie bei herkömmlichen Kupferstichen, jedoch mit spezifischen Besonderheiten:
Schabloniertes Papier in Kupferstichtechnik (1743) von Jeremias WolfStaatsbibliothek Bamberg
Die Kupferplatten wurden mit schwarzer Druckfarbe auf einfarbig gestrichenem Papier, Goldpapier oder in einer Kombination beider auf partiell gefärbten und mit Blattmetall belegten Bögen abgedruckt. Ihre feine Ornamentierung entspricht dem Zeitgeschmack des 18. Jahrhunderts.
Brokatpapier - Höhepunkt des Buntpapierhandwerks
Um 1700 etablierten sich Brokatpapiere im Handel. Mit ihnen erreichte die handwerkliche Buntpapierherstellung einen Höhepunkt.
Schabloniertes Brokatpapier (1775)Staatsbibliothek Bamberg
Brokatpapier entstand in einem Prägedruckverfahren. Bei dieser neuen Gestaltungsmethode experimentierte man mit einfarbigen und mehrfarbigen, mit gemusterten oder ungemusterten bestrichenen Goldpapieren.
Brokatpapier (1753) von Johann Carl MunckStaatsbibliothek Bamberg
In eine Metallplatte wurde ein großflächiges Dekor eingeschnitten oder eingraviert und dann mittels einer Presse auf das Papier gedruckt. Brokatpapier hat so einen ganz besonderen Reiz.
In mehr als hundert Jahren entstand eine große Bandbreite an Ornamentik, von schlichten Flächenmustern über kunstvoll verschlungenes Rankenwerk bis hin zu Kompositionen mit vielen Figuren wie diese Jagdgesellschaft.
Auch bilderbogenartige Brokatpapierdrucke mit profaner Motivik waren als Umschlag für anlassbezogene Druckwerke beliebt. Dieses Papier mit einem heiteren ländlichen Fest schmückt eine Festschrift für einen Abt des Zisterzienserklosters Ebrach.
Brokatpapier von Johann Carl MunckStaatsbibliothek Bamberg
Viel Freude in der phantastischen Welt der Buntpapiere!
Staatsbibliothek Bamberg
Ausstellung der Staatsbibliothek Bamberg,
15. Oktober 2023 bis 27. Januar 2024
Staatsbibliothek Bamberg
Katalog zur Ausstellung: Grießmayr, Ulrike; Rinck, Julia: farbenfroh und glanzvoll. Buntpapiere aus den Beständen der Staatsbibliothek Bamberg. Bamberg, 2023 (Bamberger Buch-Geschichten, Nr. 3).
Texte: Dominik Vorsatz nach Texten von Ulrike Grießmayr und Julia Rinck
Photos: Gerald Raab