Die Restaurierung der beiden Meisterwerke von Caspar David Friedrich „Mönch am Meer“ und „Abtei im Eichwald“ dauerte zweieinhalb Jahre und wurde ermöglicht durch die großzügige Unterstützung der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung. Dabei deckten die Restauratorinnen Kristina Mösl und Francesca Schneider erstaunliche Details auf.
In neuem Glanz: Caspar David Friedrich kehrt zurück in die Alte Nationalgalerie
Jahrzehntelange Vernachlässigung, historische Restaurierungen und auch die fragile Maltechnik haben Caspar David Friedrichs Gemälden „Mönch am Meer“ und „Abtei im Eichwald“ zu Schaffen gemacht. Diese Faktoren begünstigten Veränderungen und Substanzverluste und führten, zusammen mit stark vergilbten Überzügen, zu einer erheblichen Verfälschung des ursprünglichen Erscheinungsbildes dieses wohl berühmtesten Bilderpaars der deutschen Romantik.
Von Mai 2013 bis Januar 2016 wurden in der Restaurierungsabteilung der Alten Nationalgalerie die beiden Gemälde kunsttechnologisch untersucht und grundlegend restauriert. Auf der Basis der Untersuchungsergebnisse wurde ein Restaurierungskonzept entwickelt. Im Zusammenspiel mit zahlreichen Institutionen und Experten wurde die Restaurierung zu einem sehr spannenden und erkenntnisreichen Prozess.
Technologischer Befund: Schicht für Schicht entschlüsseln
Ein Leinwandgemälde des frühen 19. Jahrhunderts besteht in der Regel aus vielen verschiedenen Schichten. Die erste Schicht besteht aus einem Keilrahmen zur Aufspannung der Leinwand. Darauf befindet sich eine sättigende Leimschicht, eine so genannte Vorleimung. Auf ihr liegt eine ein- bis dreischichtige Grundierung, meist bestehend aus Kreide und ölhaltigen Bindemitteln. Dann erst folgen die „malerischen“ Schichten: die Unterzeichnung der Komposition, die Untermalung zur Vorbereitung der meist mehrlagigen Farbschichten und schließlich der Firnis, ein schützender und farbsättigender Überzug. Die moderne wissenschaftliche Restaurierung orientiert sich an diesem Schichtenaufbau und gliedert sich dabei in drei Phasen: die Untersuchung der Materialien (Technologischer Befund) und ihrer Erhaltungszustände, eine Konzepterstellung auf Basis der Ergebnisse und die Durchführung der konservatorischen und restauratorischen Maßnahmen.
Abtei im Eichwald, Querschliff P4 aus Himmelsbereich (2015) von Caspar David FriedrichAlte Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin
Caspar David Friedrich verwendete als Bildträger ein feines Gewebe aus Flachsfaser in Leinenbindung, wobei die originalen Keilrahmen nicht erhalten sind. Die Leinwände für beide Bilder stammen aus ein und demselben Stoffballen und grenzten aneinander an. Die Leinwände sind dreifach grundiert. Die unterste Grundierung ist leuchtend rot pigmentiert, darauf folgen zwei hellbraune Schichten. Während die ersten zwei Grundierungen mit einem Spachtel aufgebracht wurden, scheint die dritte mit einer Rolle aufgetragen worden zu sein: Sie weist eine fein strukturierte Oberfläche auf, die Caspar David Friedrich auf besondere Weise maltechnisch zu nutzen wusste.
Mönch am Meer, Infrarotaufnahme (2015) von Caspar David FriedrichAlte Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin
Auf diesen Malgrund zeichnete der Künstler seine Kompositionen mit einem Stift. Die Unterzeichnungen, die mit Infrarotstrahlung sichtbar gemacht wurden, sind reich an Details und spielten eine große Rolle bei Friedrichs Bildfindung.
Die malerische Ausführung beginnt bei beiden Werken mit einer sehr dünnen Untermalung. Darüber liegt bei der Abtei nur eine Farbschicht. Der Mönch dagegen weist zwei Farbschichten auf und war zunächst als dunkelblaues Gemälde angelegt. Über die mittlere Himmelspartie legte Friedrich später eine zweite Farbschicht in Hellblau, Rosa und Weiß. Der Maler verwendete Bleiweiß, wenig Ocker-, Grün-, Braun- und Schwarzpigmente sowie das Blaupigment Smalte, letzteres wohl auch wegen seines halbtransparenten Charakters. Kombiniert mit einer spezifischen Maltechnik, bei der sich hauchdünne Farbschicht in den Tiefen der strukturierten Grundierung sammelte und feinste Farbpunkte ergab, vermied der Künstler einen sichtbaren Pinselduktus und schuf fast stufenlose Farbübergänge.
Abtei im Eichwald, Querschliff P2 aus Bodenbereich (2015) von Caspar David FriedrichAlte Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin
Bald nach Vollendung der Bilder wurde ein Eiweißfirnis aufgetragen, der heute nur noch in minimalen Resten nachzuweisen ist. Ob dieser Firnis noch in Dresden vom Maler selbst oder in Berlin von fremder Hand aufgebracht wurde, ist offen. Temporäre Eiweißfirnisse wurden in der Literatur des 19. Jahrhunderts für frische Ölgemälde empfohlen, da sie den notwendigen Sättigungseffekt erzielten und gleichzeitig die Öltrocknung weiterhin zuließen. Diese Eiweißfirnisse wurden später abgewaschen und durch den finalen Firnis, meist ein Naturharz, ersetzt.
Erhaltungszustand: Bügelschäden und Pigmentverlust
Die heutigen Keilrahmen können etwa auf 1827 datiert werden. „Der Mönch“ wurde im Gegensatz zur „Abtei“ mindestens dreimal neu aufgespannt. Hierbei wurde der Rahmen immer stärker ausgekeilt und dadurch in seiner Funktion als Bildspanner zunehmend beeinträchtigt.
Abtei im Eichwald, Vorzustand Streiflichtaufnahme (2015) von Caspar David FriedrichAlte Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin
Folgenschwere Veränderungen erfuhren besonders die Leinwände. In Vorbereitung der großen „Jahrhundertausstellung deutscher Kunst von 1775-1875“, in der die Nationalgalerie 1906 Friedrichs Werke erstmals wieder einem breiteren Publikum bekannt machte, wurden beide Gemälde mit einer zweiten Leinwand verstärkt. Diese „Doublierung“ mit einem zusätzlichen Gewebe, das vollflächig auf die Rückseite der Originalleinwand geklebt wurde, sollte das Bild stabilisieren und Risse und Löcher schließen. Sie war jedoch eine große Belastung für die Werke: So wurden die Leinwandränder beschnitten und neue, grobe Leinwand mit einer Wachs-Harz-Mischung aufgebügelt. Unvollständig geschmolzene Wachsklumpen machten dabei die Leinwand beulig, während Druck und Hitze großflächige Schäden an Grundierung und an der Farbschicht verursachten. Beim „Mönch am Meer“ sind auf der Vorderseite mehrere Abdrücke von Bügeleisen zu erkennen. Die so entstandenen Fehlstellen wurden neben weiteren Beschädigungen großflächig überkittet und anschließend übermalt.
Einhundert Jahre später waren die Restaurierungsmaterialien stark verfärbt und spröde. Insbesondere die gestrichelten Retuschen einer weiteren Restaurierung aus den 1920er-Jahren hatten sich weißlich verfärbt und erweckten den falschen Eindruck von Nebelschwaden über dem Meer. Das Blaupigment Smalte hat sich bei der „Abtei im Eichwald“ teilweise entfärbt, eine langsame chemische Reaktion, die unumkehrbar ist. Das genaue Ausmaß der Farbveränderung ist mit heutigen Untersuchungsmethoden kaum feststellbar, wir gehen aber von einer deutlicheren Blaufärbung des Bildes zu seiner Entstehungszeit aus.
Mönch am Meer, Zwischenzustand während Firnisabnahme (2015) von Caspar David FriedrichAlte Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin
Die größten Beeinträchtigungen für die Gesamterscheinung beider Gemälde stellten die bis zu sieben Firnisschichten dar, die im Lauf der Jahrzehnte aufgebracht worden waren. Die starke Vergilbung dieser Überzüge hatte extreme Farbwertverschiebungen zur Folge, insbesondere in den blauen Bereichen. Einige Partien der Firnisse waren darüber hinaus von feinsten Mikrosprüngen durchsetzt, deren Sprungkanten stark reflektierten und sich wie ein milchiger Schleier über die Farbschichten legten.
Konservierung und Restaurierung: Wiederherstellung der Lesbarkeit
Die Ergebnisse der Untersuchungen waren Grundlage für ein detailliertes Konservierungs- und Restaurierungskonzept zur Sicherung und Freilegung der erhaltenen Originalsubstanz. Um eine möglichst große Annäherung an den Originalzustand zu erreichen, wurde entschlossen, vorherige historische Restaurierungen weitgehend zurückzunehmen. Alle verwendeten Restaurierungsmaterialien sind reversibel und alterungsbeständig.
Abtei im Eichwald, Zwischenzustand nach Abnahme der Altkittungen und –retuschen (2015) von Caspar David FriedrichAlte Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin
Die zuvor erwähnten Doublierungen wurden belassen, da ihre Entfernung eine große mechanische Belastung für die Gemälde dargestellt hätte, die wir unbedingt vermeiden wollten. Die Malschicht wurde gefestigt und die Oberfläche gereinigt und damit konservatorisch für die anschließende Firnisabnahme vorbereitet. Schlecht integrierte, verfärbte Kittungen, Retuschen und Übermalungen aus früheren Restaurierungen wurden abgenommen. Außerdem wurde der „Mönch“ vom Keilrahmen abgespannt, der Rahmen vergrößert und somit wieder funktionsfähig gemacht. Nach der Regulierung der Bildspannung beider Gemälde wurden die Fehlstellen neu gekittet. Ein aufgesprühter Zwischenfirnis isolierte die Kittungen und sättigte die Farbschicht. Hierauf folgte die farbliche Integration der gekitteten Fehlstellen durch Retuschen.
Casa Bartholdy-Saal in der Alten Nationalgalerie während der Retuschearbeiten (2015) von Caspar David FriedrichAlte Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin
Die neuen Retuschen beschränkten sich dabei auf die Wiederherstellung der Lesbarkeit der Kunstwerke. So wurden die zahlreichen Mikro-Fehlstellen, die durch Verputzung der Malschicht entstanden waren, nur in den wenigen Bereichen optisch zurückgedrängt, in denen sie den Eindruck der Gemälde nachweislich verfälschten – beim „Mönch am Meer“ insbesondere in Bereichen der Wolkenkanten, die zuvor wie dunkle Regenwolken erschienen.
Ein weiterer dünner Spritzfirnis bildete den Abschluss der Restaurierung.
Ergebnis: Neue Perspektiven auf den Romantiker
Die Restaurierung vom „Mönch am Meer“ und der „Abtei im Eichwald“ förderte wichtige Erkenntnisse zu Tage. So zeigen die Umstände des Leinwanderwerbes, dass der Künstler beide Werke wohl von Anfang an als Pendants geplant hatte. Mit gewerblich vorgrundierten Leinwänden bediente sich Friedrich zeitgemäßer Materialien. Andererseits verwendete er das im 19. Jahrhundert kaum noch gebräuchliche Blaupigment Smalte, dessen Farbton und Halbtransparenz er sehr gezielt einsetzte.
Mönch am Meer, Infrarotaufnahme (2015) von Caspar David FriedrichAlte Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin
Erstmals werden in der Sonderpräsentation Der Mönch ist zurück die Unterzeichnungen beider Gemälde in Infrarotreflektogrammen veröffentlicht, die den Schaffensprozess nachvollziehbar machen. Beim „Mönch“ wird die Entleerung der Seelandschaft deutlich: Der Künstler übermalte drei geplante Segelschiffe und trieb damit die „unendliche Einsamkeit“ in jener „unbegrenzten Wasserwüste“ auf die Spitze, die nicht nur Zeitgenossen wie Clemens Brentano und Heinrich von Kleist in der Malerei noch nie gesehen hatten.
Abtei im Eichwald, Infrarotaufnahme (2015) von Caspar David FriedrichAlte Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin
In der Unterzeichnung der „Abtei“ wird der perspektivische Aufbau der Kirchenarchitektur deutlich. Zudem sind viele Details der Mönchsprozession zu erkennen, so etwa die Kreuze oder Gebetbücher in den Händen der Mönche.
Casa Bartholdy-Saal in der Alten Nationalgalerie mit Mönch am Meer im Endzustand (links) und Fototafel des Vorzustandes (2015) von Caspar David FriedrichAlte Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin
Die Restaurierung beruhigte den kompositorischen Bildaufbau erheblich, dessen klare Gliederung in Horizontalen, Ellipsen und Hyperbeln durch alte Retuschen gestört worden war. Insgesamt waren beide Gemälde deutlich besser erhalten als wir ursprünglich vermutet hatten: Beim „Mönch“ sind rund 97 %...
Casa Bartholdy-Saal in der Alten Nationalgalerie mit Abtei im Eichwald im Endzustand (links) und Fototafel des Vorzustandes (2015) von Caspar David FriedrichAlte Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin
...bei der „Abtei“ 98 % der originalen Malerei erhalten; 11 % bzw. 8 % davon konnten durch die Abnahme von Übermalungen und Retuschen wieder freigelegt werden. Die Entfernung der stark vergilbten Firnisse erbrachte eine weitgehende Klärung und Rückführung der Farbwertverschiebungen. Der kühle, blaue Grundton, der beim „Mönch am Meer“ bildbeherrschend, bei der „Abtei im Eichwald“ nach der Smalte-Degeneration zumindest noch geringfügig vorhanden ist, nähert dieses berühmteste Bilderpaar der deutschen Romantik nach 200 Jahren wieder deutlich einander an.
Mönch am Meer, Endzustand nach Restaurierung
Abtei im Eichwald, Endzustand nach Restaurierung
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Text: Staatliche Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz / Kristina Mösl
Konzept / Umsetzung: Malith C. Krishnaratne
© Staatliche Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz
www.smb.museum
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