Klimts Studien für den Beethovenfries

Keine der Studiengruppen, die Klimt im Zusammenhang mit seinen Gemälden geschaffen hat, wirkt so homogen und harmonisch in sich geschlossen wie der herausragende Komplex der Zeichnungen für den Beethovenfries

Der linke Seitensaal mit dem Beethoven-Fries von Gustav Klimt während der 14. Ausstellung der Wiener Secession (1902) von Moriz NährÖsterreichische Nationalbibliothek

Die herausragenden Studien für den Beethovenfries zeigen eine besondere Nähe zum Hauptwerk, das untrennbar mit der 1902 veranstalteten Beethovenausstellung der Secession verbunden ist. Insgesamt 21 Künstler realisierten hier vorübergehend das Ideal eines modernen Gesamtkunstwerks. Im Zentrum des tempelartigen Interieurs von Josef Hoffmann die Beethovenfigur von Max Klinger, die den Komponisten als Erlöser der Menschheit verherrlichte. Die Ausstellungsdekorationen standen daher im Zeichen von Kampf und Überwindung, Sehnsucht und Erlösung.

In diesem Sinn gestaltete Klimt auch seinen Beethovenfries. Hauptelemente dieser sich über drei Wände erstreckenden gemalten Allegorie sind „Die Sehnsucht nach Glück“, der Ritter und die „Schwache Menschheit“, „Die feindlichen Gewalten“, die „Poesie“ sowie das „Ideale Reich“ der Künste und der Liebe. In den Stellungen und Gesten seiner Figuren richtete Klimt sich nach den vertikalen und horizontalen Hauptlinien der puristischen Ausstellungsarchitektur. Er konzentrierte sich weitgehend auf die Konturlinien, durch deren Stilisierung sich die Charaktere markant voneinander abheben.

Studien für "Die Sehnsucht nach Glück" im "Beethovenfries" (1901) von Gustav KlimtAlbertina Museum

Die zart fließende Linienführung der Studien für das rhythmisch wiederholte, schwebende Figurenpaar der „Sehnsucht nach dem Glück“ entspricht der Metaphysik dieses Programmteils.

Studien für den knienden Mann von "Die Leiden der schwachen Menschheit" im "Beethovenfries" (1901) von Gustav KlimtAlbertina Museum

Einen Ausdruck von Demut und Askese vermittelt die der „Schwachen Menschheit“ zugehörige Profilfigur des knienden hageren Mannes mit dem vorgebeugten Kopf und den horizontal ausgestreckten Armen. Auf seinen verhältnismäßig hohen Realitätsgrad verweisen die kräftigen Umrisslinien und die Innengestaltung der vorbereitenden Studien.

Studie für "Mitleid" im "Beethovenfries" (1901) von Gustav KlimtAlbertina Museum

Dass die introvertierte Figur des „Mitleids“ einer ganz anderen, übersinnlichen Bedeutungsebene angehört, geht unmittelbar aus den fragilen Konturen der vorbereitenden Studie hervor.

In der geneigten Kopfstellung, den gefalteten Händen und den eckig abgewinkelten Armen zeigt Klimt sich von der religiösen Seite der modernen „Gotik“ des belgischen Bildhauers Georg Minne inspiriert.

Studie für die linke Figur von "Die drei Grogonen" im "Beethovenfries" (1901) von Gustav KlimtAlbertina Museum

In zahlreichen Studien widmete Klimt sich der erotisch-provozierenden Gruppe „Die Drei Gorgonen“. Eine schlank stilisierte Stehende mit dunklen wilden Locken verkörpert den verführerischen Typus der Femme fatale; bei ihr dominiert eine sinnlich-fließende Linienführung.

Studie für die linke Figur von "Die drei Gorgonen" im "Beethovenfries" (1901) von Gustav KlimtAlbertina Museum

Etwas eckiger gestalten sich die Umrisse der hageren Aktfigur mit hysterischem Blick, die durch eine helle, wirre Haarmasse und verkrampfte Gesten charakterisiert ist.

Studie für die rechte Figur von "Die drei Gorgonen" im "Beethovenfries" (1901) von Gustav KlimtAlbertina Museum

Mit schlichten, organisch belebten Konturlinien bereitete Klimt die Frauengestalt vor, die sich im Fries an das Ungeheuer schmiegt und mit der Zickzackbewegung ihres spitzen Ellenbogens und des gehobenen Knies die orthogonale Disziplin durchbricht.

Zwei Kompositionsskizzen für "Die drei Gorgonen" im "Beethovenfries" (1901) von Gustav KlimtAlbertina Museum

In zwei kleinen, rechteckig eingefassten Kompositionsskizzen für die Dreiergruppe experimentierte Klimt lebhaft mit dem Linienrhythmus der Körperkonturen und mit den abwechselnd dunklen und hellen Haarmassen. Als verspielte Note wirkt das Stakkato der – auch im Fries betonten – Schampartien.

Studie für "Unkeuschheit" im "Beethovenfries" (c. 1901-1902) von Gustav KlimtAlbertina Museum

Von einer besonderen Linienmelodik ist die Studie für das verführerisch blickende Gesicht der „Unkeuschheit“, deren wellenförmig fließende Haarmassen auf die für den Beethovenfries überragende Bedeutung der symbolistischen Linienkunst Jan Toorops verweist.

Studien für "Die Leiden der schwachen Menschheit" und "Nagender Kummer" im "Beethovenfries" (1901) von Gustav KlimtAlbertina Museum

In zwei kauernden und zwei sitzenden Gestalten widmete Klimt sich dem Thema des Kummers. Die von George Minne inspirierten Skizzen zur rechten Seite, die den „Nagenden Kummer“ vorbereiten, weisen in ihrer radikal abgewinkelten Gesten bereits auf den Expressionismus voraus.

Studie für "Die Poesie" im "Beethovenfries" (1901) von Gustav KlimtAlbertina Museum

Die Studie einer bekleideten Figur für die Profilgestalt der „Poesie“ führt vor Augen, wie intensiv Klimt sich mittels der Stellungen und Gesten in das Wesen seiner Figuren hineinversenkt hat. In der mit einem langen Gewand bekleideten Gestalt konzentrierte er sich auf das subtile Wechselspiel von eckig fixierten und frei fließenden Linien, wobei die ausgesparte helle Fläche des abgewinkelten Arms subtil hervortritt.

In der Zeichnung verweisen Merkmale wie die Linie des vorgebeugten Nackens, die verschlossenen Mimik und das fallende Haar auf konzentriertes in-sich-Hineinhören. Die Studie mutet wie eine modern belebte Abwandlung eines griechischen Vasenmotivs an.

Studie für "Diesen Kuss der ganzen Welt" im "Beethovenfries" (1901) von Gustav KlimtAlbertina Museum

Innerhalb der monumentalen, geschlossenen Zweiergruppe differenzierte Klimt zwischen der Plastizität der athletischen, muskulös angespannten Rückenfigur des Mannes und der flächigen Silhouette der von ihm zum Großteil verdeckten Frau. Der männlich-weibliche Dialog zwischen kräftig pulsierenden und weich fließenden Umrisslinien ist programmatisch.

Mitwirkende: Geschichte

ALBERTINA, Wien

Quelle: Alle Medien
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