Man steckt nicht drin ...

Als Édouard Manets „Im Wintergarten" (1878/79) zum ersten Mal nach Berlin kam, sorgte das Bild fast für einen Skandal und trieb der Kaiserin die Schamesröte ins Gesicht. Das Gemälde galt als unmoralisch und unzüchtig.

Aber warum?

Da chillen zwei Leute im Garten. Sie sind sogar verheiratet. Wo ist das Problem? Niemand ist nackt, keiner tut etwas Unanständiges...

Mehrdeutigkeit ist faszinierend, besonders in der Kunst. Und wie immer bei großer Malerei (und großartigen Beziehungen) wird die Sache faszinierender, komplexer und mehrdeutiger, je tiefer man eintaucht.

Wie steht es wirklich um die Beziehung der beiden?

Ist Madame Guillemets Blick distanziert? Ist er gleichgültig? Ist sie gelangweilt von ihrem Mann?

Oder ist da ein unsichtbares Band zwischen den beiden, etwas Vertrautes – so wie er sich lässig über die Bank zu ihr beugt?

In der Mitte des Bildes berühren sich die Hände des Paares fast. Ein Hinweis auf Trennung? Oder doch unterdrückte Intimität?

An einer Hand trägt Madame einen Handschuh ...

aber diese hier ist nackt.

Die Eheringe sind zentral ins Bild gesetzt, aber was ist mit Monsieur Guillemets Zigarre? Ist es wirklich nur eine Zigarre? (Als das Bild entstand, studierte Sigmund Freud schließlich noch in Wien.)

In der Literatur jener Zeit galten Wintergärten als neu und exotisch und dienten als perfekte Kulisse für Affären und erotische Szenen.

Wie auch immer: Manets „Wintergarten" erinnert daran, dass wir eine Beziehung nur verstehen, wenn wir selbst in ihr stecken. Die Sache ist nun mal etwas ... kompliziert.