Auf der Spur: Aus der Geschichte des Münchner Musiklebens

Wo legendäre Alben entstanden, wo die besten Clubs waren, wo Freddie Mercury und Prince zur Geburtstagsparty baten: Unterwegs zu bedeutenden Discos, Bühnen, Studios

Das Logo des Blitz-Clubs (2020)Deutsches Museum

The Sound of Munich

München, Weltstadt mit Herz - aber auch mit einer großen Musikgeschichte. Mag immer wieder über das maue Nachtleben des Millionendorfs kurz vor den Alpen gehöhnt werden - die bayerische Landeshauptstadt war in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder ein pulsierendes und weltweit berühmtes Epizentrum für die Musikwelt: Sei es in Clubs, wo sich die Größen des Showbiz die Klinke in die Hand gaben, sei es in Studios, wo unvergessliche Alben entstanden. Ein Streifzug durch die legendärsten Orte, die das Münchner Musikleben prägten. Da ist Musik drin.

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Die Schauburg am Elisabethplatz, einst Ort der ersten Großraumdisco in der Bundesrepublik der 1960er Jahre: Das Blow Up, das 1967 von den Brüdern Temur und Anusch Samy, den damaligen Königen des wilden Schwabing, eröffnet wurde. Schon am ersten Abend war der Ansturm enorm. Bald galt die Disco als einer der heißesten und angesagtesten Clubs Europas. Aus der Liste der Künstler, die hier live spielten: Jimi Hendrix, Pink Floyd, Bill Haley, Yes. Nach dem Tod von Anusch bei einem Flugzeugabsturz 1970 brachte das Samy-Imperium langsam auseinander, 1972 machte das Blow Up wieder dicht.

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Jimi Hendrix kam hierher und Eric Clapton, Led Zeppelin und Uriah Heep. Das Crash, gleich neben der Bahnunterführung an der Lindwurmstraße, war Schauplatz denkwürdiger Nächte. Bis heute erzählt man sich von den Sauerkraut-Wettessen, bei denen Gäste kopfüber in riesige Töpfe des Kohlprodukts stürzten. Nett auch die Episode, als der DJ allen Gästen, die am nächsten Abend hoch zu Ross angeritten kämen, eine Flasche Whisky versprach. Tags darauf standen zwölf Pferde vor der Tür. Ach, gute Musik wurde übrigens auch gespielt. Nach der Schließung 1993 zog hier das Strom ein, das sich mit einer kurzen Unterbrechung durch den Electro-Club Garden bis heute gehalten hat.

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Das Schwabinger Tor, Neubauquartier für Büros, Geschäfte und Wohnungen an der Leopoldstraße. Hier stand einst in den 1970er-Jahren das legendäre Einkaufs- und Freizeitzentrum Schwabylon mit seinem angrenzenden, nicht minder berüchtigten Nachtclub Yellow Submarine, in dem sich ein riesiges Aquarium mit 650.000 Litern Meerwasser befand, in dem sich mehr als 30 Haie und Riesenschildkröten tummelten. Neben Cocktails und Whisky gab es im Angebot des exzentrischen Seventies-Schuppens auch Haifischflossensuppe. Später wurde der Club in Aquarius umbenannt, 1982 machte er komplett dicht.

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Die Leopoldstraße weiter südlich: Mitten im Epizentrum des pulsierenden Schwabinger Nachtlebens lagen zwei der legendärsten Clubs der 1960er Jahre direkt nebeneinander. Hausnummer 23 hatte das Big Apple, in dem 1966 ein noch unbeachteter Jimi Hendrix an einem Dienstagnachmittag im November vor nur halbvollem Haus sein erstes Deutschland-Konzert gab. Und nebenan das von Peter Naumann gegründete PN hithouse, das mehr noch der Treffpunkt der jungen Beat-Fans wurde. Eine der schönsten Episoden aus den späten Sechzigern: Der Gastauftritt einer Band namens Daddy, der es wegen des überschaubaren Repertoires nur knapp gelingt, ein abendfüllendes Konzert im PN zu bestreiten. Wegen einer Namensgleichheit muss sich die Band wenig später umbenennen. Ab da heißt sie Supertramp. Vom Charme der alten Clubs ist wenig geblieben, heute liegen hier zwei Telekommunikations-Geschäfte nebeneinander.

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Das Gärtnerplatzviertel, seit jeher der Hospot der Münchner LGBT-Community. In den 1970er und 1980er Jahren war das Old Mrs. Henderson in der Rumfordstraße 2 eine Institution schwuler Subkultur mit exzentrischen Partys. Mick Jagger schaute mal vorbei, David Bowie auch - und natürlich auch Freddie Mercury, der hier seinen 39. Geburtstag feierte und jenen Abend in seinem Videoclip zu Living on my Own verewigte.

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Das ab 1966 gebaute Arabella-Haus in Bogenhausen: Ein 150 Meter langer Gebäudekomplex mit Hotelzimmern und Wohnungen, Büros und Arztpraxen - und einem der einst berühmtesten Musikstudios der Welt: Den Musicland-Studios, das Giorgio Moroder Anfang der 1970er-Jahre im Keller des Arabella gründete. Etliche großartige Alben wurden hier produziert, die Rolling Stones spielten hier It's Only Rock'n'Roll und Black'n'Blue ein, Elton John nahm Victim of Love auf, bei Queen waren es gleich vier Alben - das Stück, das mit den Studios aber immer in Verbindung gebracht wird, ist I feel Love von Donna Summer von 1977, das wegen seiner innovativen Synthesizer-Instrumentierung zum Prototyp der Elektronischen Tanzmusik wurde.

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Das Wirtshaus in der Au, ein gutes bayerisches Lokal in der Lilienstraße mit einem eigenen Veranstaltungsraum für exklusive Feiern eine Etage über dem Gastraum. Genau dort, im ersten Stock, war einst die Heimat des seit Anfang der 1970er-Jahre von DJ Chuck Hermann betriebenen Pop Club, dem Nachfolger des Beatclubs Sahara Dancing. Hermann legte hier freitags und sonntags gute alte Rock'n'Roll-Scheiben auf. Donnerstags liefen Songs aus den Sixties und Seventies, samstags ging es wüst zu, dann trafen sich hier die Punks. Der Pop-Club hatte strenge Auflagen, geöffnet war nur von 19 bis 22 Uhr. Anwohnerbeschwerden gab es fast jeden Tag. Nach schweren Krawallen in der Lilienstraße machte der Laden 1986 für immer dicht.

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Noch so ein einst großartiger, aber fast vergessener Ort der Münchner Subkultur der Achtzigerjahre: Die Cola-Halle in der Steinstraße. Das alte Fabrikgebäude von Coca Cola, einst geleitet vom Präsidenten des TSV 1860 München, Adalbert Wetzel. Junge Künstler und Studenten bauten das Haus nach der Schließung zu einem Klub um, in den kommen konnte, wer wollte. An den Wochenenden stiegen hier laute und rauschende Parties bis in den frühen Morgen. Allerdings nicht lange: 1987 wurde die Halle für den Bau eines Wohn- und Bürohauses abgerissen.

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Die Motorama-Ladenstadt, architektonischer Beton-Charme der Seventies. Hier verbarg sich nach der Eröffnung 1973 nicht nur der größte Autosalon des Landes, sondern auch eine der spannendsten Discotheken der Stadt, kurz vor dem Abgang zur S-Bahn. Das Eastside, einer Nobel-Disco, von der man sich heute noch die schöne Anekdote erzählt, dass Mick Jagger beim Begehr um Einlass vom Türsteher mit den Worten abgewiesen wurde: "Ich kenne Dich nicht." Nach dem Eastside kam das Liberty, da war die Tür wesentlich leichter, eine entspannte und lockere 80s Disco, in dem anders als im Eastside Drogen wie Hasch und Koks verpönt waren. Berauschen konnte man sich dank der günstigen Pauschal-Angebote von 10 Mark für vier Tequila aber dennoch.

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Die Bavaria-Filmstadt in Geiselgasteig: Als Drehort lieferten die Studios hier die Kulisse für zahlreiche Filmproduktionen - Blockbuster wie Die unendliche Geschichte, Wickie und die starken Männer oder auch den Kult-Film Das Boot.

Aber auch für die Musik der Achtziger Jahre war die Filmstadt ein wichtiger Maschinenraum. Hier wurden wöchentlich die Sendungen der Chartshow Formel Eins aufgezeichnet, mit Peter Illmann, später mit Ingolf Lück und Stefanie Tücking. Zahlreiche Popstars kamen am Anfang ihrer Karriere hierher, von Depeche Mode über Whitney Houston bis Madonna, die hier erstmals in Deutschland auftrat und dabei ihren Debüt-Hit Holiday präsentierte.

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Viel ist vom alten Münchner Flughafen Riem nicht mehr übrig geblieben. Der Tower ist eines der letzten Relikte. Was blieb, waren Erinnerungen an die ersten Flugreisen in die weite Welt, aber auch an unvergessene Party-Abende. Denn zwei Jahre nach dem Umzug des Flughafens ins Erdinger Moos eröffneten Dorothea Zenker, Peter Wacha und David Süss 1994 in der Großküche der ehemaligen Kantine das Ultraschall, das bald zu einem der bekanntesten Techno-Clubs weltweit wurde. Weitere Clubs, die hier damals für Furore sorgten: Die Charterhalle, das Terminal 1, die Hit FM Hall und der Wappensaal. Nach zwei Jahren war hier wegen des Baus des Messestadt Schluss, das Ultraschall zog um in den ...

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... Kunstpark Ost auf dem Gelände des alten Pfanni-Werks. Untergebracht war das Ultraschall bis zur Schließung 2003 in der alten Kartoffeltrocknungshalle. Der Kunstpark war damals Europas größtes Partyareal, mit Clubs wie dem K41, dem Babylon, dem Natraj Temple oder dem KW - Das Heizkraftwerk. Mit einem neuen Betreiber hieß das Gelände ab 2003 Kultfabrik, 2015 schlossen auch die letzten Klubs für den Umbau in das neue Stadtquartier Werksviertel.

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Der wohl unverwüstlichste und auch bekannteste aller Clubs der Stadt ist sicher das P1, genannt das Oanser auf der Westseite am Haus der Kunst. Gegründet als Offiziersclub für die US-amerikanischen Truppen 1949, damals noch im Ostflügel des Gebäudes, wurde es gerade in den 1980er Jahren zu einem Treffpunkt der Münchner Schickeria, in dem sich auch internationale Show-Prominenz dazu gesellte. Von Mick Jagger über Tina Turner bis Rod Stewart, von Woody Allen bis Robert de Niro. Im Oanser traf sich, wer in war und drin war. Auch heute ist das P1 mit seinem 400 Quadratmeter großen Club und der 600 Quadratmeter großen Terrasse ein Hotspot des Münchner Nachtlebens.

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Schon in den 1960er und 1970er Jahren als Tanzlokal sehr angesagt war das Park Café am Rand des Alten Botanischen Gartens. Erbaut wurde es Mitte der 1930er Jahre an der Stelle, an der einst der Glaspalast gestanden hatte. 1984 war dann Schluss mit gefälligem Tanztee, dann übernahm Hansi Grandl den Laden und richtete die wohl härteste Tür der Stadt ein. Auf die Frage, warum er beim Einlass so knallhart selektiere, sagte er einmal: "Entweder man macht eine Tür oder man hängt sie gleich aus." Zu den prominentesten Gästen zählte Prince, der hier seinen 30. Geburtstag feierte.

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Auch mitten in der Innenstadt gab es großartige Clubs - wie zwischen 1986 und 1999 die Wunderbar, in der die Sportfreunde Stiller eines ihrer allerersten Konzerte gaben. Später ging man hier in die Erste Liga, heute residiert hier die Cocktailbar Americanos City.

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Ein edler Laden für Textilien: Das Kosttor ist heute eine feine Adresse. Früher war die graue Tür in der Mitte eine der bestbewachten Eingänge des Münchner Nachtlebens. Erst ab den frühen 1980er-Jahren zum Mirage, dann ab 1986 zur Disco Far Out. Später war hier bei Hausnummer 12 die Heimat des Crown's Club. Gleich links ums Eck übrigens befand sich in der Neuturmstraße 5 ein noch viel grandioserer Club, das Atomic Café. 17 Jahre lang - von 1997 bis 2014 - betrieben von Christian Heine und Roland Schunk. Eine Heimat für Indie und Beat, Drum and Bass, Garage, Soul und Funk und vieles mehr. Kurz: für alles außer Techno.

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In der alten Registrierstelle des Technischen Rathauses untergebracht war ab 2003 die Registratur, ein ziemlich lässiger Techno-Club, in dem unter anderem Grandmaster Flash, Major Lazer oder DJ Hell auflegten. Dort, wo einst in der städtischen Verwaltung Briefe sortiert wurden, ging nun richtig die Post ab, vor allem bei den Rocktronik-Parties oder den Zombocombo-Nächten. 2009 war dann Schluss, am letzten Abend hieß es: the Party's over. Heute residiert hier eine Werbeagentur.

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Mögen Nostalgiker auch unken, das Club-Sterben gehöre inzwischen zur Geschichte Münchens wie der Marienplatz und der Olympiapark: Es gibt immer noch sagenhaft gute Locations zum Abfeiern, etwa das Harry Klein, das sich 2003 in den Optimolwerken nahe dem Ostbahnhof gründete. Seit 2010 befindet es sich hinter dieser schmucklosen Fassade in der Sonnenstraße 8 und gilt als legitimierter Nachfolger des alten Ultraschall. Einzigartig ist allein schon der Raum, ein 350 Tonnen schwerer Betonwürfel, der wegen des Schallschutzes mit 24 Zentimeter dicken Stahlbetonwänden auf elf Stahlfedern ruht. Ein Grund, warum der Club hier ständig ins Vibrieren kommt.

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Die Alte Utting, ein altes ausrangiertes Passagierschiff, das 65 Jahre lang über den Ammersee tuckerte. Nach seiner Ausmusterung 2015 brachte es Kulturveranstalter Daniel Hahn nach München - und ließ es auf einer alten, nicht mehr benutzten Eisenbahnbrücke vor Anker gehen. Heute ist es mit seinem Biergarten an Deck ein angesagter Treffpunkt für laue Sommerabende, aber auch für Live-Konzerte und Klub-Abende mit DJs. Gleich nebenan im alten Viehhof hat Hahn einen weiteren kulturellen Hotspot samt Techno-Club etabliert, dort mit einer alten U-Bahn: den Bahnwärter Thiel.

Mitwirkende: Geschichte

Mirko Hecktor, Moritz von Uslar, Patti Smith, Andreas Neumeister: Mjunik Disco - von 1949 bis heute. Blumenbar Verlag, München 2008
ISBN 9783936738476

Quelle: Alle Medien
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