Der Kuss

Von "Belvedere"

Belvedere, Wien

Kuss (1908-1909) von Gustav KlimtBelvedere

Das Gemälde „Der Kuss (Liebespaar)“ von 1908/09 ist heute zweifellos Klimts bekanntestes Werk.

Ein Liebespaar, das, in kostbare goldene Gewänder gekleidet, auf einer Blumenwiese kniet, scheint vor einem unendlichen, aus einem goldenen Nebel bestehenden Kosmos zu schweben. Durch diesen mystischen Hintergrund wird die transzendente Wirkung dieses Bildes noch verstärkt.

Die Körper der Liebenden sind in einer einzigen Kontur vereint. Plastisch ausgeformt erscheinen lediglich Gesichter und Hände der beiden sowie die Schultern und die Füße der Frau, während die übrigen Körperpartien von flachen Ornamenten bedeckt sind.

Die Ornamentformen auf dem Kleid der Frau, runde, buntfarbige Muster und florale Elemente, betonen Weichheit und Sanftheit. Verschiedenfarbige Blüten zieren Haar und Gesicht und betonen ihr feminin-liebliches Wesen.

Den Mann überlagern rechteckige, kontrastreiche Gebilde in Weiß und Schwarz, die Kantigkeit und Stärke vermitteln. Die Ornamentformen in Klimts Gemälde symbolisieren somit auch die Prinzipien der Geschlechter.

Klimt schafft das Abbild einer vollkommenen Vereinigung von Mann und Frau, beide verschmelzen miteinander. Hier verbinden sich Mann und Frau mit Erde und Kosmos und scheinen von der Macht geleitet, die alles zusammenhält – der Liebe.

Wer sind die Dargestellten?

Häufig wird darüber gerätselt, wer die beiden Personen im Bild „Der Kuss“ sind. Klimt selbst hat sich dazu nie geäußert.

Gustav Klimt und Emilie Flöge (um 1909) von H. BöhlerÖsterreichische Nationalbibliothek

Viele vermuten, dass es sich um ein Selbstbildnis des Künstlers gemeinsam mit seiner lebenslangen Partnerin Emilie Flöge handelt.

Emilie Flöge in einem Reformkleid (1909) von Madame d'Ora, AtelierÖsterreichische Nationalbibliothek

Emilie Flöge war eine selbstbewusste, moderne Frau, die mit ihren Schwestern einen gutgehenden Modesalon in Wien führte und bei allen offiziellen Anlässen an Klimts Seite war.

Emilie Flöge in einem von Gustav Klimt entworfenen Kleid (1909) von Madame d'Ora, AtelierÖsterreichische Nationalbibliothek

Emilie Flöge (1910) von Madame d'Ora, AtelierÖsterreichische Nationalbibliothek

Emilie Flöge in einem Reformkleid (1909) von Madame d'Ora, AtelierÖsterreichische Nationalbibliothek

Emilie Flöge, Gustav Klimt und Eleonore Zimpel in Litzlberg am Attersee (1905)Belvedere

Möglicherweise stellt die Szene eine Reminiszenz an die glücklichen Tage dar, die Gustav und Emilie jeden Sommer an ihrem Urlaubsort am Attersee verbracht haben.

Kuss (1908-1909) von Gustav KlimtBelvedere

Die Blumenwiese, auf der das Liebespaar kniet, wäre demnach das Ufer des Attersees; dies würde auch erklären, weshalb die Wiese nach rechts hin so abrupt endet.

Die merkwürdigen Schlingpflanzen, die sanft über die Beine der Geliebten gleiten, könnten eine Anspielung auf die Wasserpflanzen des Attersees sein.

Und mit dem Hintergrund des Bildes könnte die Oberfläche des Attersees gemeint sein, auf der sich das Sonnenlicht in einer Vielzahl kleiner Funken spiegelt und bricht.

Gustav Klimt mit Katze vor seinem Atelier in der Josefstädter Straße 21 in Wien (1911) von Moriz NährBelvedere

Gegen diese Vermutung spricht allerdings die Tatsache, dass aus biografischen Quellen nicht nachweisbar ist, dass Klimt sich hier gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin verewigen wollte. Zudem hat Klimt generell von sich selbst keine Bildnisse geschaffen.

Kuss (1908-1909) von Gustav KlimtBelvedere

Möglicherweise hatte er aber gar nicht beabsichtigt, in diesem Bild konkrete Personen zu verewigen. Vielmehr kann „Der Kuss“ als eine Allegorie der Liebe verstanden werden, die eine allgemeingültige Aussage über dieses zentrale Thema des menschlichen Lebens trifft.

Dass Klimt eine solche Botschaft, die die Kunstliebhaberinnen und -liebhaber unmittelbar und emotionell berührt, in vollendeter Weise gelungen ist, zeigen weltweite Popularität und der geradezu ikonenhafte Rang, den „Der Kuss“ genießt.

"Der Kuss" von Gustav Klimt, 1. Version 1907/1908 (1908) von Moriz NährÖsterreichische Nationalbibliothek

Ursprünglicher Zustand und endgültige Fassung

Kunstschau 1908 (1908)Österreichische Nationalbibliothek

Vermutlich hatte Klimt bereits im Jahr 1907 mit der Arbeit am Gemälde „Der Kuss“ begonnen. Als er es im Sommer 1908 unter dem Titel „Liebespaar“ in der Kunstschau präsentierte, avancierte es sofort zur Hauptattraktion und wurde noch während der laufenden Ausstellung vom Unterrichtsministerium angekauft.

Kunstschau 1908 (1908)Österreichische Nationalbibliothek

Klimt-Raum in der Kunstschau Wien 1908 (1908) von Moriz NährÖsterreichische Nationalbibliothek

Bevor Klimt das Gemälde tatsächlich ablieferte, nahm er noch einige Veränderungen vor. Die Arbeiten erstreckten sich vermutlich bis ins Jahr 1909.

"Der Kuss" von Gustav Klimt, 1. Version 1907/1908 (1908) von Moriz NährÖsterreichische Nationalbibliothek

Ein frühes Foto dokumentiert den Erstzustand des Bildes.

In der früheren Fassung erkennt man, dass die Unterschenkel der Geliebten ursprünglich kürzer waren. Die Blumenwiese war in der früheren Fassung dekorhafter gestaltet.

Kuss (1908-1909) von Gustav KlimtBelvedere

Klimt hat in der endgültigen Version noch viel mehr Schlingpflanzen über die Unterschenkel der Geliebten gelegt als in der ursprünglichen Fassung.

Der Österreichische Pavillon auf der Internationalen Kunstausstellung in Rom 1911 (1911)Österreichische Nationalbibliothek

Das Bild wurde als Nächstes in der Internationalen Kunstausstellung in Rom 1911 gezeigt. Dort trug das Gemälde bereits den Titel „Der Kuss“, jene Bezeichnung, die fortan untrennbar mit dem Bild verbunden geblieben ist.

Kuss (1908-1909) von Gustav KlimtBelvedere

Hauptwerk von Klimts Goldener Periode

Das Gemälde ist zweifellos das bedeutendste Werk aus Klimts sogenannter Goldener Periode. In diesen Bildern entwickelte Klimt eine völlig neue, geradezu singuläre Technik, die ihm ermöglichte, echtes Blattgold hauchdünn auf die Leinwand aufzutragen.

Blattgold und Ölfarben verschmelzen zu einer Einheit und erzeugen eine prachtvoll glänzende, schimmernde Wirkung. Damit lieferte Klimt einen herausragenden, innovativen Beitrag zur Kunst des europäischen Jugendstils.

Im Gemälde „Der Kuss“ sind nicht nur die Gewänder des Liebespaares mit Blattgold überzogen, sondern auch der Hintergrund, der mittels feiner Goldplättchen als eine Art kosmischer Nebel erscheint und die Liebenden in eine gänzlich andere Realitätsebene entrückt.

Neben Blattgold hat Klimt in manchen Bereichen des Bildes auch feine Platinplättchen aufgetragen.

Wien 14., Linzerstraße 247: Geburtshaus von Gustav Klimt (um 1900) von Moriz NährÖsterreichische Nationalbibliothek

Darüber, weshalb sich Klimt so sehr für das Material Gold interessiert hat, gibt es lediglich Mutmaßungen. Frühe Anregungen könnte er bereits in seinem Elternhaus erhalten haben, hatte doch sein Vater als Goldgraveur gearbeitet.

Kuss (1908-1909) von Gustav KlimtBelvedere

Schlüsselerlebnisse waren sicherlich die im Jahr 1903 unternommenen Reisen nach Venedig und Ravenna, wo Klimt die mittelalterlichen Goldmosaike in den Domen und Kirchen bewunderte.

Mitwirkende: Geschichte

Franz Smola, Belvedere Wien

Quelle: Alle Medien
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