Dünen

In den 1890er Jahren kam Theobald Schorn nach Ahrenshoop. Ausgedehnte Reisen hatten den Absolventen der Münchener Kunstakademie vorher durch die Länder des nahen und fernen Ostens bis nach Tibet geführt. Das Interesse europäischer Künstler an diesen unbekannten Welten wurde nicht unwesentlich durch die archäologischen Ausgrabungen des 19. Jahrhunderts in Ägypten und Vorderasien ausgelöst. Was davon in Schrift und Bild veröffentlicht worden war, beflügelte die Fantasie der Maler, weckte ihre Reiselust und die Suche nach neuen Sujets. Auch Schorn hatte sich für einige Zeit dem sogenannten orientalischen Genre gewidmet, bevor er sich entschloss, die weite Welt und die ihm vertrauten bayerischen Berge gegen das einsame Ahrenshoop zu tauschen. Hier entwickelte er sich zum feinsinnigen Porträtisten einer unspektakulären Landschaft. Verschneite Gehöfte, das eigene Haus, dürftig bewachsene Sanddünen und das Meer als Spiegel des Himmels wurden zu Sujets, die ihn jetzt herausforderten. Auch Waldstücke gehörten zum Repertoire des Künstlers, und gelegentlich scheint er sich mit seinen Waldbildern der metaphorisch deutenden Auffassung von Nachbarn in der Künstlerkolonie wie Hugo Richter-Lefensdorf und Elisabeth von Eicken genähert zu haben. Zugunsten eines ruhigen und geschlossenen Gesamteindrucks verzichtete Schorn in seiner Malerei weitgehend auf novellistische Elemente. In dem um die Jahrhundertwende entstandenen kleinen Dünenbild konzentrierte er sich ganz auf die atmosphärischen Qualitäten des schlichten Motivs. Die feine Pinselführung und präzise Farbwahl verraten sein Können. Ein differenziertes Spektrum aus sanften Grün- und Ockertönen entfaltet in der unteren Bildhälfte ein höchst lebendiges Licht- und Schattenspiel. Darüber lassen die halb verdeckten Wolken eines hohen Sommerhimmels das abfallende Gelände zum Strand mit dem Blick aufs Meer lediglich ahnen. Die Untersicht gibt dem Motiv etwas Imposantes und Herausgehobenes. Die Spärlichkeit des Anblicks weist über sich hinaus ins Weite.