Anläßlich der 600jährigen Stiftungsfeier der Schweizerischen Eidgenossenschaft 1891 erhielt der zu dieser Zeit in Zürich lebende Böcklin den ehrenvollen Auftrag, die Festmedaille zu entwerfen. Längere Zeit fehlte ihm, wie er offen zugab, für diesen Anlaß eine »gute, darstellbare Idee« (zit. nach: A. Frey, Arnold Böcklin, Stuttgart 1903, S. 108). Endlich fand er ein poetisches Bild der Schweiz: Die Allegorie der Freiheit, vor dem Hintergrund der Alpenkette auf einer Bergspitze über dem Wolkenmeer, auf dem Kopf eine phrygische Mütze, auf dem rechten Arm einen Adler, in der Linken einen Palmenzweig.
Böcklins Entwurf für die Bundesmedaille (1890, Kunstmuseum Basel, Kupferstichkabinett) bereitete in der Umsetzung große Schwierigkeiten. Er war vom Malerischen her gedacht und vernachlässigte Bedingungen der Reliefkunst, Böcklins Gipsmodell war skizzenhaft und flach. Der bestellte Pariser Graveur Alphée Dubois änderte zahlreiche Details und erregte damit Böcklins Zorn. Zur gleichen Zeit entwarf und modellierte er in eigenem Auftrag eine Konkurrenzmedaille. Da die Zeit drängte, wurde letztlich diese ausgeführt.
Böcklin, tief gekränkt, setzte Idee und Vorlage in ein Bild um, farbig somit und detailreich. Sammetartige Flechten und Berganemonen schmücken den Felsen-Thron der Freiheit. In der Vergrößerung und wirklichkeitsnahen Ausführung erhielt diese symbolhafte Darstellung aber nun eine unfreiwillige Komik. Der Dramatiker Frank Wedekind äußerte sich über das realistische Bild der leicht bekleideten jungen Frau an diesem unwirtlichen Ort: »Während die Personifikationen sämtlicher umliegender Staaten jenen bekannten römischen Typus mit dem sogenannten griechischen Profil aufweisen, jene zu hundertmalen aufs beste erprobte Kombination zur Wachrufung unserer Ideale, soll unsere ›Helvetia‹ einen durchaus inkorrekten menschlichen Kopf tragen? – Wie kommt der Meister auf die Idee? – Wie weit mag er gereist sein, um diesen Ausbund von einem Modell zu finden? – Weit jedenfalls nicht. Denn daß das Mädchen eine Schweizerin ist, durch und durch Schweizerin, erkennt jeder, der je eine Schweizerin gesehen, auf den ersten Blick […]« (Frank Wedekind, Gesammelte Werke, Bd. 9, München 1921, S. 325). | Angelika Wesenberg