Von "Museum Europäischer Kulturen, Staatliche Museen zu Berlin"
Museum Europäischer Kulturen, Staatliche Museen zu Berlin
Das Museum Europäischer Kulturen
Das Museum Europäischer Kulturen (MEK) begleitet aktuelle soziale und kulturelle Prozesse, zeigt historische Zusammenhänge auf und trägt damit zum Verständnis einer gemeinsamen europäischen Geschichte und Kultur in ihrer Vielfalt bei. In Forschung, Sammlung, Ausstellung und Vermittlung widmet es sich Lebenswelten und Kulturkontakten in Europa. Die Sammlung umfasst etwa 280.000 Objekte der Alltagskultur und Popularkunst in Deutschland und anderen europäischen Ländern vom 18. Jahrhundert bis heute. Damit ist sie europaweit eine der größten ihrer Art.
Frauen- und Männerkostüm „Die Europäer“ (2010–2011) von Stephan HannMuseum Europäischer Kulturen, Staatliche Museen zu Berlin
Einleitung
Wenn Menschen sich zu Gruppen vereinen, grenzen sie sich automatisch von jenen ab, die nicht dazugehören. Sie haben gemeinsame Ziele und Interessen. Oft entwickeln sie eine Identität, die sie auch sichtbar machen möchten – für sich selbst und für andere. Nicht selten geschieht dies über uniforme Kleidung, mit der sie ihre Beweggründe zur Gruppenzugehörigkeit ausdrücken: von Fußballtrikots über Hipsterkleidung bis hin zu Trachten, die immer auch einer Mode unterliegen.
Wie würden Menschen zum Beispiel ihre Verbundenheit zur europäischen Gemeinschaft zeigen – durch das Tragen von „Europa-Kostümen“, wie sie der Berliner Modedesigner Stephan Hann für die Ausstellung „Kulturkontakte. Leben in Europa“ entworfen hat?
Stephan Hann
Frauen- und Männerkostüm: „Die Europäer“
2010–2011
L: 160 cm bzw. 250 cm
Textil, Papier, Kunststoff, Metall, Perlen, maschinen- und handgenäht
Die Kostüme bestehen aus einem bunten Materialmix, die stilistische Elemente regionaler Trachten und historische Modeideen aus Europa aufgreifen.
Frauen- und Männerkostüm „Die Europäer“ (Detail) (2010–2011) von Stephan HannMuseum Europäischer Kulturen, Staatliche Museen zu Berlin
Beispiele sind die aus Draht und venezianischen Perlen gearbeitete Blüte am Rockbund des Frauenkostüms oder der aus europäischen Münzen bestehende Gürtel des Männerkostüms.
Frauen- und Männerkostüm „Die Europäer“ (Detail) (2010–2011) von Stephan HannMuseum Europäischer Kulturen, Staatliche Museen zu Berlin
Die Kleider laden ein, über das gedankliche Konstrukt einer transnationalen europäischen Identität nachzudenken und zu erörtern, wie diese von lokalen, regionalen und nationalen Identitäten beeinflusst wird.
Trikots der deutschen Männer- und Frauen-Nationalmannschaft
2010 L (max.): 95 cm Synthetische Faser, maschinengenäht Geschenk des Deutschen Fußball-Bundes e.V. (DFB)
Eine positive Identifikation mit einer Nation findet heute mehr denn je im Sport statt, vor allem im Fußball. Doch verweisen auch die Nationaltrikots auf europäische und globale Verflechtungen: Produziert wurden sie in Thailand und getragen während der damaligen Fußballweltmeisterschaften von Mesut Özil, Kind türkischer Einwanderer, und Fatmire ‚Lira‘ Bajramaj (seit 2013 verheiratete Alushi), die im Alter von vier Jahren aus dem Kosovo nach Deutschland kam.
Frauentracht (1970/1976) von UnbekanntMuseum Europäischer Kulturen, Staatliche Museen zu Berlin
Frauentracht aus Olympos, Insel Karpathos, Griechenland
1970-1976
L: 130 cm
Baumwolle, Kunstseide, Leder, hand- und maschinengenäht
In Olympos, einem Dorf im Norden der griechischen Ägäis-Insel Karpathos, wurde diese Tracht früher von allen verheirateten Frauen getragen und kennzeichnete so ihre Zugehörigkeit zu diesem Ort.
Heute wird hier ein wirtschaftlich sehr erfolgreicher Folklorismus betrieben und die Tracht vor allem für die zahlreichen Tourist_innen angelegt.
Lindhorster Radmantel, Schaumburg-Lippe, Deutschland
1. H. 20. Jh. L: 140 cm Wolle, Baumwolle, hand- und maschinengenäht
Zum Trachtengebiet Schaumburg-Lippe gehören Bückeburg, Frille und Lindhorst. Die Trachten dieser Kulturlandschaft sind miteinander verwandt, unterscheiden sich aber in den einzelnen Regionen voneinander. Auffällig sind die großen Radmäntel, die bei schlechtem Wetter die Tracht schützten. Ihre Form knüpft an die mittelalterliche Tradition von Kreis- bzw. halbkreisförmigen Umhängen an. Auch diese Kleidungsweise vermittelt dem Betrachter Aspekte regionaler Zugehörigkeit. Zugleich berührt sie den Zusammenhang zwischen Moden und lokalen Uniformierungstendenzen.
Kostüm eines „Lichtmess-Läufers“ (2011) von UnbekanntMuseum Europäischer Kulturen, Staatliche Museen zu Berlin
Kostüm eines Lichtmess-Läufers aus Spergau, Ortsteil Leuna, Deutschland
2011
L: 180 cm
Baumwolle, synthetische Faser, genäht
Der Lichtmess-Läufer mit seinem Cape aus verschiedenfarbigen Seidenbändern und der Blumenkrone ist die zentrale Figur im Spergauer Lichtmessfest, das auch heute noch mit großer Begeisterung vom ganzen Ort begangen wird.
In diesem karnevalesken Fest als Frühlingsgewinn treibt der Lichtmess-Läufer ‚Steuern‘ in Form von Nahrungsmitteln ein, die am Abend vom ganzen Dorf gemeinsam verzehrt werden – denn: „Wer Lichtmess nicht mitmacht, ist kein Spergauer!“
Schützentracht, Delecke bei Soest, Deutschland
1980–2000 L: 170 cm Baumwolle, synthetische Faser, konfektioniert
Die Tracht eines Schützenkönigs stammt von der St. Hubertus Schützenbruderschaft 1882 e. V. Sie zeichnet sich vor allem durch die grün/weiße Schärpe und die grün/weiße Schützenkokarde mit der Aufschrift „Schützenbruderschaft Delecke, Drüggelte, Westrich“ aus. Sie gehörte Heinz Näckel, dessen Sohn sie dem Museum gespendet hat. Schützenvereine haben besonders in Deutschland eine lange lokale Tradition. Sie dienten ursprünglich zum Schutz der Gemeinden und engagierten sich auch karitativ.
Auch Schützentrachten demonstrieren nach außen uniforme Tendenzen und Haltungen, kommunizieren Sie doch bewusst gemeinsame Werte ihrer Träger. Nach innen sind sie Rahmen für Rituale, die gemeinschaftsbildend wirken.
Gothics
Hamburg
2005
Fotografie von Sabine von Bassewitz
Gothics als Mitglieder der sehr heterogenen sogenannten Schwarzen Szene, die sich in den 1980ern aus einer jugendlichen Subkultur entwickelte, stechen modisch mit ihren extrem individualistisch wirkenden Selbstinszenierungen heraus.
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Dennoch hat dieser Kleidungsstil etwas „Uniformes“: Genauso wie die Tracht folgt er doch dem menschlichen Grundbedürfnis nach Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft, die auch und besonders über die äußere Hülle kommuniziert werden will.
Text: Staatliche Museen zu Berlin- Preußischer Kulturbesitz / Elisabeth Tietmeyer, Dagmar Neuland-Kitzerow
, Iris Edenheiser
Kulturkontakte. Leben in Europa, hrsg. von Elisabeth Tietmeyer und Irene Ziehe für das für das Museum Europäischer Kulturen – Staatliche Museen zu Berlin, Koehler & Amelang Verlag 2011.
Konzept / Redaktion: Elisabeth Tietmeyer, Dagmar Neuland-Kitzerow
, Iris Edenheiser
Umsetzung: Lisa Janke
Fotos: Ute Franz-Scarciglia, Sabine von Bassewitz
© Staatliche Museen zu Berlin – Stiftung Preußischer Kulturbesitz
www.smb.museum
Museum Europäischer Kulturen
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