Raumansicht Ausstellung in der KunstbibliothekKunstbibliothek, Staatliche Museen zu Berlin

Einführung

Im 21. Jahrhundert gehören Reisen zum Alltag. Überall wird darüber kommuniziert: in Blogs und online geteilten Fotos, in Reiseliteratur, Dokumentationen und Werbemedien. Doch wann und wie wurde das Reisen zu einem so zentralen Thema? Zu ihrem 150jährigen Bestehen ging die Kunstbibliothek der Staatlichen Museen zu Berlin 2018 dieser Frage in einer Ausstellung nach. Sie begab sich auf Entdeckungsreise in ihre vielfältigen Bestände und stellte Werke aus allen Sammlungen – Architektur, Buchkunst, Fotografie, Grafikdesign und Modebild – zu einem „ABC des Reisens“ zusammen. Das Panorama erstreckt sich von mittelalterlichen Pilgerreisen über Expeditionen im Kolonialzeitalter und humanistische Grand Tours bis zum Jetset und dem plakativ beworbenen Massentourismus des 20. Jahrhunderts.

Reise nach Californien. Tagebuchalbum des Mathematikers Oskar Bolza (1913) von Oskar BolzaKunstbibliothek, Staatliche Museen zu Berlin

A > Album

Ein Album ist die persönlichste Form, eine Reise in Bildern zu dokumentieren. Wer es anlegt, entscheidet darüber, was die leeren Seiten füllt und somit erinnert wird: Skizzen oder Zeichnungen, Fotografien, Schrift- oder Fundstücke, Eintritts- oder Postkarten. Ein Album verrät, was die Reisenden inspiriert hat: Orte, Dinge, Menschen, Erlebnisse, Begegnungen. Zugleich ist es eine Art erzählerisches Bilder-Tagebuch. Das größte Vergnügen besteht für viele im Teilen ihrer Erinnerungen. Heute ersetzen oft die sozialen Medien, Blogs und Reise-Apps das klassische Album.

Klebe- und Sammelalbum (1860er-Jahre) von Wilhelm (?) GrohmannKunstbibliothek, Staatliche Museen zu Berlin

Im 18. und 19. Jahrhundert kamen Klebealben in Mode: private Collagewerke aus Sammelbildern, Stichen, Skizzen und anderen Memorabilia.

Gedenkweerdige Brasiliaense Zee-en-Lant-Reize (1682) von Johan NieuhofKunstbibliothek, Staatliche Museen zu Berlin

B > Bericht

Reisen war lange Entdeckern, Forschern, Händlern und Adligen vorbehalten. Ihre Berichte und Erzählungen waren es, die Kenntnisse über fremde Länder, Menschen und Sitten verbreiteten. Sie prägten damit die Vorstellung von der Welt. Auch heutiges Wissen über die Geschichte des Reisens speist sich aus dieser „literarischen Kartografie“, die in der Antike beginnt und im 17. Jahrhundert einen Höhepunkt erreicht. Der Welterforschungsdrang der europäischen Renaissance, der mit der Erfindung des Buchdrucks zusammenfiel, führte zu einer wahrhaften Explosion der Reiseliteratur. Die weißen Flecken der realen und mentalen Landkarte füllten sich mit Bildern, wobei das so geformte Welt-Bild unbestritten eurozentrisch war. Reiseberichte aus jener Zeit bewegen sich auf dem schmalen Grat zwischen abenteuerlustiger Entdeckung und kolonialer Eroberung „neuer“ Kontinente.

Lepsius-Expedition in Ägypten: Die Preußenflagge wird auf der Cheopspyramide in Giza gehisst (1845) von Johann Jakob FreyKunstbibliothek, Staatliche Museen zu Berlin

Die preußische Ägypten-Expedition unter Richard Lepsius wurde in ausführlichen Berichten dokumentiert.

Übersichtlich, zuverlässig. Continental-Landkarten (1920/1940) von Paul SachseKunstbibliothek, Staatliche Museen zu Berlin

C > Cartographia

Wäre eine Reise ohne Karte für uns denkbar? Stadt- und Landkarten helfen, Routen zu planen und Ziele zu finden. Die Entwicklung der Kartenschreibung ist mit dem Reisen eng verknüpft. Schon mittelalterliche Kosmografien werteten Expeditionen aus. Das große Zeitalter der Seefahrt läutete mit der „Entdeckung Amerikas“ dann die moderne Kartografie ein: Im 16. Jahrhundert entstanden erste Globen und Atlanten, neue Karten erschienen in Sammelbänden von Reiseberichten.

Americae / Pars Sexta sive historiae ab Hieronymo Bezono Mediolanese scriptae (Bd. 6 von 6) (1596) von Theodor de BryKunstbibliothek, Staatliche Museen zu Berlin

Theodor de Bry war 1596 einer der ersten europäischen Kartografen, die das kürzlich „entdeckte“ Amerika festhielten. Die Weltkarte wird von Christoph Kolumbus und anderen Entdeckern präsentiert.

Die Weite Welt (1900) von Edmund EdelKunstbibliothek, Staatliche Museen zu Berlin

D > Dampfschiff | E > Eisenbahn | F > Flugzeug

Verkehrsmittel prägen Reisen maßgeblich. Sie bestimmen nicht nur, wie effizient und bequem sich eine Route gestaltet, sondern oft auch, wohin sie führt. Bis um 1800 standen Reisenden zur Bewältigung weiter Strecken Pferde, Kutschen und Segelschiffe zur Verfügung. Mit der Industrialisierung revolutionierte sich im 19. Jahrhundert auch das Verkehrswesen: Motorisierte Schiffe ermöglichten Seereisen unabhängig vom Wind, und dampfbetriebene Züge erhöhten Reisekomfort und -geschwindigkeit immens. Mit Dampfschiff und Eisenbahn waren massentaugliche Verkehrsmittel geboren. Die neuen Überseelinien und der Ausbau des Schienennetzes in vielen Ländern der Welt ließen die Anzahl von Reisenden rasant steigen. Reisen wurde auch für weniger Wohlhabende erschwinglich und verlor an Prestige. Als Gegenbewegung zu dieser Demokratisierung entstanden Luxusdampfer wie der „Imperator“ und Luxuszüge wie der „Orient Express“. Im 20. Jahrhundert gewann der Luftverkehr an Bedeutung für den Passagiertransport. Nach einem kurzen Hype um den Zeppelin in den 1930er-Jahren avancierte das Flugzeug zum beliebtesten Verkehrsmittel für Fernreisen.

Lloyd-Express. Schnellster Dienst der Welt (1929) von Lois GaiggKunstbibliothek, Staatliche Museen zu Berlin

Die Reederei Norddeutsche Lloyd gehörte zu den weltweit bedeutendsten Schifffahrtsunternehmen des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Hier wirbt das Unternehmen für Reisen mit den Dampfern „Bremen“, „Columbus“ und „Europa“. Letztere war bis 1933 das schnellste Schiff auf der Transatlantik-Route zwischen Europa und New York. Die in Schiffsnamen verwendete Abkürzung „S.S.“ steht für steam ship.

Gepäckaufkleber der Lufthansa (1950er-Jahre)Kunstbibliothek, Staatliche Museen zu Berlin

Colosseum Rom (um 1740) von Antonio Canal, gen. CanalettoKunstbibliothek, Staatliche Museen zu Berlin

G > Grand Tour

Durch den Boom der Reiseliteratur breitete sich seit Ende des 17. Jahrhunderts ein neues Reisephänomen in Europa aus: die Grand Tour, auch Kavaliers- oder Bildungsreise genannt. Söhne des Adels und reichen Bürgertums wurden zum Abschluss ihrer Ausbildung auf lange Reisen in Länder von Mitteleuropa bis ins Heilige Land geschickt, um andere Sprachen und Kulturen kennenzulernen. Die Grand Tour markiert den Beginn des modernen Kulturtourismus. Neben pittoresken Landschaften steuerten Bildungsreisende vor allem Kulturstätten an. Als Herzstück und Pflichtstation galt Italien. Rom war aufgrund seiner Dichte an antiken Bauwerken der stärkste Magnet, aber auch Neapel, Venedig und Florenz wurden viel besucht. Zu den älteren, meist weniger betuchten Grand Touristen gehörten vor allem Kulturschaffende. Architekten, Malern, Musikern und Literaten diente die Reise als Inspirationsquelle für ihr Schaffen. Die Antike rezipierend, trugen sie mit ihren Italienreisen im 18. Jahrhundert maßgeblich zum Durchbruch des Klassizismus in England und Deutschland bei.

Venedig, Palazzo Corner della Ca' Grande (1853) von Robert WimmerKunstbibliothek, Staatliche Museen zu Berlin

Robert Wimmer, ein Schüler Gottfried Sempers und späterer Stadtbauarchitekt von Chemnitz, bereiste zwischen 1846 und 1858 mehrfach Italien, ganz im Sinne der Grand Tour: von Verona über Mailand und Perugia nach Rom, mit weiteren Stationen in Fossanova, Neapel, Messina sowie Palermo, zurück über Pompeji, Siena und Florenz. Zeitweise begleitete ihn der Bauhistoriker Oskar Mothes. Ein Klebealbum mit 160 Seiten und 406 Handzeichnungen dokumentiert die Reisen.

Detail Peregrinatio in terram sanctam (1486) von Bernhard von BreydenbachKunstbibliothek, Staatliche Museen zu Berlin

H > Heiliges Land

Zu den frühesten Formen des Reisens zählt die Pilgerreise oder Wallfahrt, eine religiös motivierte Reise, bei der das persönliche Seelenheil im Vordergrund steht. Juden, Christen und Muslime pilgern seit der Antike, und auch im Buddhismus, Shintō und Hinduismus existiert dieser Brauch seit Jahrhunderten. Das Heilige Land, das dem Alten Testament zufolge dem Volk Israel versprochen war, nimmt eine zentrale Position auf der historischen Pilgerlandkarte ein. Der Tempel in Jerusalem (errichtet 950 v. Chr.) war rund Tausend Jahre lang Hauptziel jüdischer Wallfahrer aus aller Welt, die die Stadt zu den Pilgerfesten in großen Mengen bevölkerten. Mit dem Bau des islamischen Felsendoms im 7. Jahrhundert wurde Jerusalem für Muslime zu einem der wichtigsten Pilgerziele neben Mekka.

Mit den christlichen Kreuzrittern, die die Region im Mittelalter einnahmen, kamen auch zahlreiche Europäer ins Heilige Land. Illustrierte Pilgerberichte, etwa der berühmte Band des Bernhard von Breydenbach, stellen die Anfänge der Reiseliteratur dar.

Peregrinatio in terram sanctam (1486) von Bernhard von BreydenbachKunstbibliothek, Staatliche Museen zu Berlin

Mit dem Buch über seiner Pilgerreise nach Jerusalem schuf Bernhard von Breydenbach einen der frühesten gedruckten Reiseberichte.

Argo (Probedruck zu Argo. Album für Kunst und Dichtung) (1859) von Theodor HosemannKunstbibliothek, Staatliche Museen zu Berlin

I > Imagination

Reiseerzählungen und Reiseromane waren schon immer Bestseller. Leser begeben sich darin mit dem Erzähler auf eine fiktive Reise, die sich aus zahlreichen Erlebnissen und Beobachtungen zusammensetzt. Imaginierte, in der Fantasie des Erzählers entstandene Reisen inspirieren Illustratoren bis heute – ob in Gulliver’s Travels, Jules Vernes Reise um die Erde in 80 Tagen oder den Abenteuern des Barons von Münchhausen. Ihre Bilder wiederum beflügeln die Imagination der Leser und schaffen neue Orte der Sehnsucht.

Come fly with me (1958) von Frank SinatraKunstbibliothek, Staatliche Museen zu Berlin

J > Jetset

In seinem Album Come Fly With Me von 1958 besingt Frank Sinatra Reiseziele von New York über London und Paris bis Capri und Hawaii. Das Cover zeigt ihn vor einem Flugzeug – Statussymbol einer neuen High Society wohlhabender Globetrotter, die für Urlaub und Partys zu den attraktivsten und angesagtesten Orten der Welt jetteten. Als Lebensstil der Reichen und Schönen fand der International Jet Set seit den 1950er-Jahren Eingang in das Bildvokabular seiner Ära: Flughäfen und Düsenflieger inspirierten Film, Foto und Reklame, Stars auf Gangways wurden zu Ikonen des Mondänen.

Frau in Abendensemble mit Pluderhose von Uli Richter vor Pan Am Flugzeug (1966) von Rico PuhlmannKunstbibliothek, Staatliche Museen zu Berlin

Frauen in Reisekleidung (1926) von Petra FiedlerKunstbibliothek, Staatliche Museen zu Berlin

K > Koffer | L > Luxus | M > Mode

Gut zu reisen bedeutet auch, für die richtige Ausstattung zu sorgen. Fragen rund um Reisekleidung und Gepäck sind daher so alt wie das Reisen selbst: Wie finden das Praktische und die Mode zusammen? Wie viel Stil transportiert ein Koffer, wie bleibt man auch unterwegs elegant? Wann ist der Notwendigkeit Genüge getan, wo beginnen Extravaganz oder Luxus? „Kompakt packen“ lautet jeher die Devise beim Gepäck. Bei der Bekleidung sorgen spezielle Schnitte und Materialien für den nötigen Komfort und Schick auch bei widrigen Reisebedingungen.

Reiseservice (um 1600) von Jakob Mores (d. Ä.)Kunstbibliothek, Staatliche Museen zu Berlin

Jacob Mores d. Ä. (um 1540–1612) begründete eine Hamburger Kaufmanns- und Goldschmiededynastie. Im Auftrag zahlreicher europäischer Königs- und Fürstenhäuser fertigte die Familie Mores hochwertiges Tafelgeschirr aus Metall sowie Pokale, Schmuck und Tafelaufsätze an. Ein Erfolgsmodell der Werkstatt war ein Reiseservice. Solche mobilen „Laden“ – bestehend aus einer Kanne, sechs Tellern, einer Schüssel, einem Leuchter und einem Silbertuch – wurden laut Inschrift für den Kurfürsten von Sachsen, den Herzog von Holstein, den Bischof zu Bremen und den Grafen zu Schowenburg hergestellt.

Türkische Trachten (1581) von Jean Jacques BoissardKunstbibliothek, Staatliche Museen zu Berlin

N > Nationen

Die Entdeckungsreisen der Renaissance entsprangen der Neugier – nicht nur auf unbekannte Länder, sondern auch auf deren Bewohner. Das Studieren fremder Menschen, ihrer Erscheinung und Lebensformen wurde nun zur eigenen Wissenschaft. Daraus entstand im 16. Jahrhundert in Europa ein neues Publikationsgenre: das Kostüm- oder Trachtenbuch. Auch als „Galerie der Nationen“ betitelt, ergänzten diese Bände die topografischen Kenntnisse um Bilder menschlicher Typen und ihres Habitus. Die Kostümbücher dienten als vielfältige Vorlage und Inspirationsquelle für Künstler und Gestalter. Sie etablierten eine auf nationale Erscheinungsbilder ausgelegte Einteilung der Welt, die bis heute nachwirkt, obwohl sie vielfach nicht mehr greift und sich Stereotypen, gar des Karikaturhaften bedient.

Linientaufe auf der Condor (1907/1909) von UnbekanntKunstbibliothek, Staatliche Museen zu Berlin

Die SMS „Condor“ wurde zwischen 1903 und 1913 für militärische Zwecke in den deutschen Kolonien Ostafrikas und der Südsee eingesetzt. Die Aufnahmen zeigen Alltag und Freizeit auf dem Schiff, darunter eine „Linientaufe“. Das grobe Ritual für die erstmals den Äquator überquerenden schwarz gefärbten Neulinge mit Neptun als Täufer gibt einen unheilvollen Ausblick: 1908 war die „Condor“ an der gewaltsamen Niederschlagung von Unruhen auf den Marshallinseln beteiligt und bekämpfte 1911 den Aufstand der Sokeh auf Ponape (Pohnpei) im westlichen Pazifik.

Earth. Your Oasis in Space (2015) von Joby HarrisOriginalquelle: NASA/Jet Propulsion Laboratory Caltech

O > Oase

Erholung und Exotik – über diese zwei Merkmale definiert sich die stereotypische Traumreise. Als Sinnbild dafür dient die „Oase“, ein romantisch verklärter Sehnsuchtsort mit Sonne, Palmen, Sand und blauem Meer. Kaum ein Bild wird häufiger im Tourismusmarketing eingesetzt. Doch warum liegt die Oase der regenerativen Ruhe unserer Vorstellung nach stets in exotischer Ferne? Ein Plakat der NASA von 2016 hinterfragt dies mit augenzwinkerndem Verweis auf frühe Reisereklame: Ein Astronautenpärchen genießt mit Ausblick auf eine sattgrüne Berglandschaft die Erde selbst als Oase im Kosmos.

Konstantinopel, Eyüp, Muslimischer Friedhof mit Aussicht auf das Goldene Horn (um 1890) von Johannes (Jean) Pascal SebahKunstbibliothek, Staatliche Museen zu Berlin

P > Panorama

Der Begriff „Panorama“ stammt aus dem Griechischen und bedeutet „alles sehen“. So viel wie möglich (gar „alles“) zu sehen, das wünschen sich auch viele Reisende bei der Erkundung eines Ortes. Aussichtstürme, Hügelkuppen und Berggipfel dienen als Anlaufpunkte, um topografische Übersicht zu gewinnen. Das Besondere am Panoramabild ist, dass es mehr abbildet, als der Mensch sehen kann, ohne den Kopf zu bewegen: Es verdichtet den auf 180 bis 360 Grad erweiterten Blick in eine einzelne Ansicht, meist im überlängten Horizontalformat.

Im Innern der Bavaria. Grüsse aus München (um 1900) von Lorenz Fränzl & Co. (Verleger)Kunstbibliothek, Staatliche Museen zu Berlin

Verona – Panorama (um 1913) von Ed. O. Onestinghel (Verleger)Kunstbibliothek, Staatliche Museen zu Berlin

Sparen ermöglicht die Urlaubsreise (1954) von Anton StankowskiKunstbibliothek, Staatliche Museen zu Berlin

Q > Quanta Costa?

Kosten spielen bei Reisen seit jeher eine große Rolle. So mussten etwa frühe Expeditionsleiter Kostenpläne ausarbeiten und junge Bildungstouristen ihren reichen Vätern über alle Ausgaben berichten. Und wer privat reist, muss auch die Finanzen selbst kontrollieren – ob mit großem Etat oder schmalerem Geldbeutel. Dabei stehen sich stets das Planbare und das Unplanmäßige gegenüber. Nicht selten endete die Grand Tour eines Adligen nach Unfall, Überfall oder Krankheit in finanzieller Not und Abbruch der Reise. Anfang des 20. Jahrhunderts wurden Reiseversicherungen erfunden, die vor Schaden durch Gepäckverlust und medizinische Notfälle schützen. Planbarkeit ist auch das Ziel, wenn zum Sparen für die Reisekasse aufgerufen wird.

Newes Itinerarium Italiae (1627) von Josef Furttenbach (d. Ä.)Kunstbibliothek, Staatliche Museen zu Berlin

R > Reiseführer

Wohin muss ich, wo übernachte ich, wie verhalte ich mich? Wer sich auf unbekanntes Terrain begibt, sucht sowohl praktische Anleitungen für das richtige Reisen als auch einen Kodex zum Umgang mit ihm fremden Lebensweisen. Schon in der Antike und im Mittelalter erschienen erste Reiseinstruktionen, später Apodemiken genannt. Sie boten neben methodischen Tipps und Kartenmaterial auch Informationen zu Geschichte, Wirtschaft und Erscheinungsbild eines Landes (etwa Flora oder Geologie) sowie zu Menschentypen und Gesellschaftsformen. Im Aufbau moderner Reiseführer klingen diese Themen nach. In der Hochphase der Grand Tour kamen Unmengen neuer Reisehandbücher auf den Markt, vor allem für Italien. Sie rückten Kulturdenkmäler in den Blick und definierten einen vielfach heute noch gültigen Kanon der Must Sees, zu denen etwa für Deutschlandreisen das romantische Rheintal gehört. Im 19. Jahrhundert etablierten John Murray (Red Guides) und Karl Baedeker die Klassiker unter den Reiseführern.

Paris 1937. Exposition Internationale des Arts et Techniques. 10 Véritables Photograpies (1937) von H. Chipault (Verleger)Kunstbibliothek, Staatliche Museen zu Berlin

S > Souvenir

Das Souvenir – abgeleitet vom französischen Wort für „erinnern“ – ist ein Hilfsobjekt gegen das Vergessen. Mit ihm tragen Reisende nach Hause, was sie unterwegs besonders beeindruckt hat: Zeugnisse von Orten oder Ereignissen, landestypische Artefakte, Dokumente des Erlebten. Zu den beliebtesten Souvenirs gehören Fotos. Als Kameras noch nicht alltäglich waren, verkauften Fotografen Andenkenbilder. Ihre Postkarten, Albumfotos, Miniaturfotosets und andere Massenware wurden als kollektive Reiseerinnerungen vermarktet. Auch internationale Großereignisse (wie Weltausstellungen) oder Luxusveranstaltungen (wie Kreuzfahrten) werden – damals wie heute – von ausgiebiger Souvenirproduktion begleitet.

The New Ventilating Hat. Souvenir- und Werbedruck eines Hutherstellers von der Industrieausstellung in London (1851) von UnbekanntKunstbibliothek, Staatliche Museen zu Berlin

Dieses hauchdünne Stück bedrucktes Korkpapier ist Souvenir, Materialprobe und Reklame zugleich. Es zeigt den Crystal Palace von Joseph Paxton, Wahrzeichen der Londoner Industrieausstellung 1851. An der Great Exhibition nahmen 17000 Aussteller aus 28 Ländern teil. Einer davon waren die Hutfabrikanten Gaimes, Sanders & Nicol, Erfinder eines leichten Korkhuts zum Export in britische Kolonien. Ein deutschsprachiger Besucher brachte den kuriosen Werbedruck als Erinnerungsstück aus London mit.

Diorama af den Nordiske industri-, landbrugs og kunstudstillung i Kjobenhavn (1888) von S. W. GüllichKunstbibliothek, Staatliche Museen zu Berlin

Das im 19. Jahrhundert beliebte Faltdiorama (oder „Teleorama“) wurde auch als Souvenir hergestellt. Dieses Exemplar diente als Andenken an die Nordische Industrie-, Landwirtschaft- und Kunstausstellung in Kopenhagen 1888. Hat man das Teleorama auseinandergezogen, schaut man durch ein Guckloch in eine Abfolge von Kulissenbildern, die durch faltbare Papierbahnen verbunden sind. Es entsteht somit ein dreidimensionales Bild, ein transportables Perspektivtheater, das das Erlebnis des Ausstellungsbesuchs räumlich wiederaufleben lässt.

Blick durch das Diorama af den Nordiske industri-, landbrugs og kunstudstillung i Kjobenhavn (1888) von S. W. GüllichKunstbibliothek, Staatliche Museen zu Berlin

Ein faltbares Teleorama – auf Englisch peep show genannt – täuscht räumliches Sehen vor. Wer hier durch das Guckloch schaut, bekommt einen Einblick in die Nordische Ausstellung in Kopenhagen 1888. Das perfekte Souvenir!

Venedig, Markusplatz mit Touristin (vermutlich Käthe Kerkhof) (um 1905) von UnbekanntKunstbibliothek, Staatliche Museen zu Berlin

Um 1880 begann eine wachsende Zahl von Privatpersonen zu fotografieren. Die einen arbeiteten damit, andere machten Kunst. Wieder andere „knipsten“ als Hobby. Ihre Bilder dienten der Erinnerung und Bewahrung persönlich bedeutsamer Lebensgeschichte(n) – etwa einer Reise nach Venedig inklusive Taubenfüttern auf dem Markusplatz. Doch es waren eher Wohlhabende aus Adel und Bürgertum, die sich das Vergnügen des Reisens und Fotografierens leisten konnten.

Rheinreise August 1937. Autobus mit Reisegruppe vor dem Kölner Dom (1937) von UnbekanntKunstbibliothek, Staatliche Museen zu Berlin

T > Tourismus

Schon im 19. Jahrhundert, als der Begriff „Tourismus“ erstmals auftauchte, war er verknüpft mit der Vorstellung von Menschenmengen. Das neue Eisenbahnnetz ermöglichte nun sogar Arbeitern Erholungsreisen, wodurch zunächst vor allem Seebäder und Gebirgsregionen Andrang erfuhren. Als Reaktion auf die hohe Nachfrage gründeten etwa Thomas Cook in England oder Albert Ballin in Hamburg Reiseunternehmen, die mit einer Kombination aus Pauschalreise und Luxusschifffahrt den Anfang des modernen Erlebnistourismus markierten. Mit dem Ausbau des Flugbetriebs kamen im späteren 20. Jahrhundert immer mehr Reiseziele ins Spiel, das Reiseaufkommen stieg und stieg. In Deutschland, wo man bis in die 1960er-Jahre von „Fremdenverkehr“ sprach, lieferten die Jahre ab 1933 Impulse in Richtung Massentourismus: Das „Kraft durch Freude“-Programm der Nationalsozialisten nutzte organisiertes Reisen zu Propagandazwecken. In den Nachkriegsjahren war das Recht auf Urlaub ein wichtiges Politikum.

Germany Wants to See You (1929) von Jupp WiertzKunstbibliothek, Staatliche Museen zu Berlin

Zermatt / Matterhorn (1908) von Emil CardinauxKunstbibliothek, Staatliche Museen zu Berlin

Hotel Massimo D'Azeglio, Rom (frühe 1930er-Jahre) von UnbekanntKunstbibliothek, Staatliche Museen zu Berlin

U > Unterkunft

Wie man sich bettet, so reist man – so könnte das Sprichwort aus Sicht des Reisenden lauten. Ansprüche in Sachen Unterkunft variieren jedoch stark: Wo dem Camper ein Zeltdach über dem Kopf und dem Rucksacktouristen ein Schlafsaal genügen, ist der mondäne Globetrotter auf Luxushotels gepolt. Mit dem Reiseboom des 19. Jahrhunderts entwickelte sich das Hotel weltweit als eigener Bautypus. Bis heute prägen Hotelgebäude vielerorts das architektonische Erscheinungsbild, sei es das Grand Hotel in der Großstadt oder das Kurhotel im Seebad. Hotels sind auch Symbole des Unterwegsseins: Orte des Transits, der Begegnung mit Fremden, der Zufälligkeiten. Namen wie Ritz, Astoria oder Kempinski beschwören Legenden herauf, und nicht ohne Grund gibt es zahllose Filme mit Hotel-Setting.

Kaiserpanorama in der Lindenpassage (1920) von Willy RömerKunstbibliothek, Staatliche Museen zu Berlin

V > Virtuell

Virtual Travel ist eine beliebte Spielart der Virtual Reality: Die VR-Brille des 21. Jahrhunderts ermöglicht weltweite Reisen per digitaler Simulation. Der Wunsch, entfernte Orte zu sehen und erleben, ohne sie physisch zu bereisen, ist jedoch ein deutlich älteres Phänomen. Er ist auch schon immer verknüpft mit der Entwicklung optischer Illusionsapparate und -räume. Vor Erfindung der Fotografie waren Guckkästen en vogue, die Betrachter zu Sehenswürdigkeiten rund um den Globus und in ferne Länder entführten. Auch die begehbaren Rundpanoramen des 19. Jahrhunderts ließen die Besucher in fremde Welten eintauchen. Ab 1850 erweiterten neue fotografische Techniken das Spektrum der virtuellen Reiseoptionen. Diaskop- und Stereoskop-Fotos schufen dreidimensionale Faszinationsräume, die zugleich in Erdkunde und Soziologie fortbildeten. Im 20. Jahrhundert hoben Film und Fernsehen die Illusion der miterlebten Reise auf eine neue Ebene. Dokumentarisches und Fiktives vermischte sich zu neuen Genres der Reiseerzählung.

School Room Travel. Tours of all Lands. History Art - Travel. Complete Series (2 Bde.) (1903/1904) von Underwood & Underwood (Verleger)Kunstbibliothek, Staatliche Museen zu Berlin

Mit den um 1900 beliebten Stereoskopen konnte man Bilder in 3-D sehen. Hier ein Set für den Schulunterricht, das fremde Länder erklärte.

Blick durch das Stereoskop. AusstellungsansichtKunstbibliothek, Staatliche Museen zu Berlin

Interkosmos 79. Gemeinsame Raumfahrt Sojus 33 (1979) von UnbekanntKunstbibliothek, Staatliche Museen zu Berlin

W > Weltraum | XYZ > Ziel

Wir leben in einer Zeit, in der unserer Reiseplanung quasi keine Grenzen mehr gesetzt sind. Mehr und mehr Menschen „steht die Welt offen“, und mit üppigen Finanzen lässt sich fast jeder Ort erreichen. Fernreisen haben Hochkonjunktur, da sich Reisefieber für viele längst nicht mehr in näherer Umgebung senken lässt. Angesichts der Fülle an Möglichkeiten – von welchen Reisezielen träumen wir noch? Nachdem der Erdball so gründlich erschlossen ist, wird nun sein Orbit zum Expeditionsfeld. Zu Beginn des neuen Millenniums, rund 40 Jahre nach der ersten bemannten Mondlandung 1969, flogen erstmals Weltraumtouristen ins All. Die Nachfrage für private Ausflüge in die Galaxis steigt, während der Ausbau der weltraumtouristischen Infrastruktur in vollem Gange ist. See you in space…

Trailer (2018/2019)Kunstbibliothek, Staatliche Museen zu Berlin

Mitwirkende: Geschichte

Text: Staatliche Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz
Konzept / Redaktion / A-Z Texte: Christina Thomson
Objekttexte: Elke Blauert, Britta Bommert, Joachim Brandt, Christine Kühn, Michael Lailach, Christina Thomson
Umsetzung: Justine Tutmann
© Staatliche Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz / Foto: Dietmar Katz, Marion Lammersen

Quelle: Alle Medien
Der vorgestellte Beitrag wurde möglicherweise von einem unabhängigen Dritten erstellt und spiegelt nicht zwangsläufig die Ansichten der unten angegebenen Institutionen wider, die die Inhalte bereitgestellt haben.
Noch mehr entdecken
Ähnliches Thema
Von Bach bis Bauhaus
Kunst, Sehenswürdigkeiten und Geschichte aus über 160 Sammlungen in Deutschland
Thema ansehen
Startseite
Discover
Spielen
In der Nähe
Favoriten