Industriewelten der DEFA-Spielfilme

Die Darstellung der DDR-Industrie in DEFA-Spielfilmen

Von "DEFA-Stiftung"

DEFA-Stiftung

Verliebt und Vorbestraft (1963) von DEFA-Fotograf: Peter DietrichDEFA-Stiftung

Industriewelten in den DEFA-Filmen

Die sozialistischen Gesellschaften waren zu DDR-Zeiten strikte Arbeits- und Arbeitergesellschaften, in denen Produktivität und körperliche Arbeit über eine immense Bedeutung verfügten. Die Vorstellung einer produktiven Arbeitsgesellschaft ist in der Metapher vom Aufbau der industriellen Revolution Deutschlands (1870 – Ende des Ersten Weltkriegs) verankert und hat den Erfolg des industriellen Kapitals als Grundlage. Die Adaption dieser Metapher durch den Sozialismus in der DDR basierte auf der Idee eine neue Gesellschaft auf Grundlage industrieller Produktion aufzubauen und zu stärken. Die Figur des Arbeiters diente dem Staat – und auch den Filmemachern – als Topos für das ideologische System, als Metapher für den Aufbau und zur Darstellung einer Selbstkonzeption, in dem der Arbeiter als „Erbauer der Zukunft“ angesehen wird. In diesem Sinne forderte die SED die Künstler der DDR dazu auf, Kunst im Zeichen des Sozialismus zu erschaffen, das heißt, Kunst parteiisch zu gestalten. Wurde dieser Anforderung nicht entsprochen, litt die Kunst – und damit auch der Film – unter Zensur und Verbot.

Silvesterpunsch (1960) von DEFA-Fotografin: Waltraut PathenheimerDEFA-Stiftung

Ab Mitte der 1950er Jahre präsentierte sich die DDR als moderner sozialistischer Industriestaat: In Filmen der DEFA wurde über große Schwerindustrieanlagen, neue Technologien und hochwertige Verarbeitungsgüter berichtet. Dabei wurde kontrolliert, dass die Industrie und die Arbeitergesellschaft in einem guten Licht abgebildet und Inhalte nicht negativ vermittelt wurden. Die Spielfilme dienten nicht nur der Unterhaltung, sondern erfüllten auch den Auftrag der Parteiideologie zu dienen und die Ideale der Arbeiterklasse zu vermitteln. In den Spielfilmen sollten die industriellen Fortschritte, die guten Arbeitsbedingungen und die neuen Technologien unterhaltsam dargestellt werden. Die beliebtesten Drehorte lagen im Bundesland Sachsen-Anhalt, darunter Bitterfeld, Schkopau, Bernburg und Gerbstedt im Mansfelder Land.

Spielfilme von DEFA-Fotografin: Waltraut PathenheimerDEFA-Stiftung

SPIELFILME

Die Ikonografie des DEFA-Industriespielfilms der 1950er Jahre findet ihre ästhetischen Vorbilder in den sowjetischen Stalinepen von Michail Tschiaureli. Seine Monumentalfilme stellen den industriellen Fortschritt mittels verschiedener Motive dar, die sich später in verschiedenen DEFA-Spielfilmen wiederfinden, jedoch mit den Unterschied, dass bei der DEFA die antisemitischen Töne Tschiaurelis völlig fremd blieben. So zum Beispiel bei Kurt Maetzigs Thälmann-Epos ERNST THÄLMANN – SOHN SEINER KLASSE (1954) und der Fortsetzung ERNST THÄLMANN – FÜHRER SEINER KLASSE (1955). In den 1960er Jahren wird in BESCHREIBUNG EINES SOMMERS (1963) von Ralf Kirsten ein selbständiges und eigenverantwortliches Menschenbild erschaffen, das später im Film SPUR DER STEINE (1966) von Frank Beyer weitergeführt wird: Die industriellen, „schmutzigen“ Szenen der Baustellen werden mit den schönen Szenen der Natur in Kontrast gesetzt und ein Verweis auf die Idealisierung der Wirklichkeit im Spielfilm erschaffen. Durch BANKETT FÜR ACHILLES (1975) von Roland Gräf ensteht ein neues Heldenbild, das sich vom Heroismus des Individuums der Arbeiterklasse entfernt und anders als in den Thälmann-Filmen nicht historisiert oder politisiert wird. Das Bild des Helden ist ein Alltägliches, eines mit dem sich der Zuschauer identifizieren kann: fragil, arbeitsam, kämpferisch und familiär.

Familie Lehmann und Staatssekretär (1959) von DEFA-Fotografin: Karin BlasigDEFA-Stiftung

MAIBOWLE

Regie: Günter Reisch, 93 Min., fa, Spielfilm, Deutsche Demokratische Republik (DDR), DEFA-Studio für Spielfilme, 1959

Chemiekombinat (1959) von DEFA-Fotografin: Karin BlasigDEFA-Stiftung

Wilhelm Lehmann, Meister eines Chemiebetriebs, feiert seinen 65. Geburtstag. Seine Familie bereitet sich auf eine große Feier vor. Wie jedes Jahr sind die Söhne für die Zubereitung der Maibowle zuständig, doch mehrere Familienangehörige sagen ihr Kommen aus verschiedenen Gründen ab. Im Chemiebetrieb werden indes die Vorbereitungen für die Auszeichnung Wilhelm Lehmanns für seine Arbeitsleistungen getroffen: Zu seinen Ehren wird ihm das „Banner der Arbeit“ verliehen. Als die Familienmitglieder die Nachricht aus dem Fernsehen erfahren, eilen sie zu der Feierlichkeit und bereiten schnellstmöglich die Maibowle zu. So wird Wilhelm Lehmanns Geburtstag und seine Auszeichnung schließlich doch noch gebührend mit einer Maibowle gefeiert.

Fernsehbeitrag (1959) von DEFA-Fotografin: Karin BlasigDEFA-Stiftung

Das Drehbuch des Films MAIBOWLE entstand als Verpflichtung zum V. Parteitag der SED und war als Werbefilm für das Chemie-Programm der DDR geplant. Die Premiere fand am 10. Jahrestag der DDR statt (7. Oktober 1959). Trotz starker Kontrolle fanden die Filmemacher einen Weg, mittels Satire Kritik einzubeziehen. Deutlich wird dies bei der Darstellung eines Fernsehteams, des Postbotens, des unkonventionellen Staatssekretärs oder der Frau eines Mitarbeiters im Staatsapparat. Die karikaturistischen Charaktere wurden später kritisch bemängelt. Ein Jahr später kehrt Familie Lehmann im Film SILVESTERPUNSCH (1960), ebenfalls von Günter Reisch, auf die Leinwand zurück. In der Fortsetzung müssen sich die Arbeiter des Chemiebetriebs auf eine Eis-Revue vorbereiten, die im Zuge einer Silvesterfeier stattfinden soll.

Filmplakat (1959) von Paul RosiéDEFA-Stiftung

Die künstlerische Herangehensweise der Filmplakate stand in den 1950er Jahren an erster Stelle.

Die informative Funktion rückte in den Hintergrund und der werbende Effekt lag eher auf grafischen anstatt filmischen Gesichtspunkten.

Erich Franz als Wilhelm Lehmann und Ekkehard Schall als Günther Lehmann

Heinz Draehn als Franz Lehmann

Albert Hetterle als Gustav Lehmann und Erika Dunkelmann als Marion Lehmann

Karla Runkehl als Rosa und Stefan Lisewski als Paul Lehmann

Horst Kube als Albert, Vorsitzender der LPG "Frisch voran"

Chemiekombinat (1959) von DEFA-Fotografin: Karin BlasigDEFA-Stiftung

Die Musik des Films stammt von Helmut Nier und wurde vom DEFA-Sinfonieorchester und den Dresdner Tanzsinfonikern gespielt. Das Szenenbild wurde von Paul Lehmann entworfen.

Suse Lehmann (1959) von DEFA-Fotografin: Karin BlasigDEFA-Stiftung

Suse Lehmann (Christel Bodenstein) bei der Schauspielprüfung im Film MAIBOWLE (1959)

Die Fahne von Kriwoj Rog (1967) von DEFA-Fotografen: Jürgen Hoeftmann & Waltraut PathenheimerDEFA-Stiftung

DIE FAHNE VON KRIWOJ ROG

Regie: Kurt Maetzig, 108 Min., sw, Spielfilm, Deutsche Demokratische Republik (DDR), DEFA-Studio für Spielfilme, 1967

Erwin Geschonneck (1967) von DEFA-Fotografen: Jürgen Hoeftmann & Waltraut PathenheimerDEFA-Stiftung

Die Proletarier aller Länder gehören zusammen.

Nachdem am 21. April 1929 in der kleinen Bergarbeiterstadt Gerbstedt im Mansfelder Gebiet die feierliche Übergabe einer Fahne – ein Solidaritätsgeschenk der Bergleute aus Kriwoj Rog – stattfindet, nimmt der Häuer Otto Brosowski, Funktionär der KPD, die Fahne in seine Obhut. Die Fahne begleitet die Arbeiter bei Demonstrationen und symbolisiert Zusammenhalt. Als die Nazis die Macht ergreifen, erkennen sie die Symbolkraft der Fahne und wollen diese an sich nehmen. Die Bergleute sowie deren Familien und Verbündete geben trotz Verfolgung, Folter und Haft die Fahne nicht auf. Während des Zweiten Weltkriegs wird die kleine Stadt zunächst von den Amerikanern besetzt. Als im Juli 1945 die Truppen der Roten Armee einmarschieren, tragen die Gerbstedter Bergarbeiter die Fahne voller Stolz in Richtung Kriwoj Rog und der Roten Armee entgegen.
Der Film DIE FAHNE VON KRIWOJ ROG ist von einem dokumentarischen Stil beeinflusst und gibt den Zuschauern ein genaues Abbild der Arbeiterfamilien in einem mitteldeutschen Industriegebiet zur damaligen Zeit. Der propagandistische Stil ist kaum zu übersehen: Verbildlicht wird dies vor allem durch den Zusammenhalt und die Loyalität gegenüber den Genossen aus Kriwoj Rog und der Roten Armee. Der Film vermittelt ein Heldenbild, das an die Thälmann-Filme von Kurt-Maetzig erinnert: Der Heroismus des Individuums in der Arbeiterklasse ist stetig präsent.
Der Film wurde vor allem im Bundesland Sachsen-Anhalt gedreht, darunter in Gerbstedt, Hettstedt und Eisleben.

Fimplakat (1967) von Horst WesslerDEFA-Stiftung

Im Mittelpunkt dieses Filmplakats stehen die Bergarbeiter und die Industrie.

Die Gerbstedter Bergarbeiter

Die Fahne von Kriwoj Rog (1967) von Horst WesslerDEFA-Stiftung

In einer anderen Version des Plakats liegt der Fokus auf dem künstlerischen Zusammenspiel zwischen Natur und Industrie.

Die Fahne von Kriwoj Rog (1967) von Unbekannt und © DEFA-StiftungDEFA-Stiftung

Im Gegensatz zu den anderen zwei Filmplakaten, wird hier die Fahne in den Mittelpunkt gerückt.

Helmut Schellhardt und Manfred Krug (1967) von DEFA-Fotografen: Jürgen Hoeftmann & Waltraut PathenheimerDEFA-Stiftung

Helmut Schellhardt als Otto Brosowski Junior und Manfred Krug als Jule Hammer

Dreharbeiten (1967) von DEFA-Fotografen: Jürgen Hoeftmann & Waltraut PathenheimerDEFA-Stiftung

Dreharbeiten zum Film DIE FAHNE VON KRIWOJ ROG (1967) am Marktplatz in Gerbstedt, Sachsen-Anhalt

Regisseur Kurt Maetzig und Erwin Geschonneck

Widerstand (1967) von DEFA-Fotografen: Jürgen Hoeftmann & Waltraut PathenheimerDEFA-Stiftung

Als die Nazis im Film die Macht ergreifen, erkennen sie die Symbolkraft der Fahne und wollen diese an sich nehmen. Die Bergarbeiter, sowie deren Familien und Verbündete, geben trotz Verfolgung, Folter und Haft die Fahne nicht auf.

Der Augenzeuge 1967/45 zur Premiere von "Die Fahne von Kriwoj Rog" (1967) von DEFA-Studio für DokumentarfilmeDEFA-Stiftung

Erwin Geschonneck als Karl Achilles (1975) von DEFA-Fotograf: Klaus GoldmannDEFA-Stiftung

BANKETT FÜR ACHILLES

Regie: Roland Gräf, 88 Min., fa, Spielfilm, Deutsche Demokratische Republik (DDR), DEFA-Studio für Spielfilme, 1975

Feier des Meisters Karl Achilles (1975) von DEFA-Fotograf: Klaus GoldmannDEFA-Stiftung

Die Handlung des Films spielt an einem einzigen Tag: dem letzten Arbeitstag des Meisters Karl Achilles im Chemiekombinat Bitterfeld. Achilles ist 65 Jahre alt und soll von einem Jungingenieur, dem Hochschulabsolventen Bahre, ersetzt werden. Achilles möchte seine Arbeitsstelle nicht verlassen: Er ist noch kräftig und aktiv, aber den Anforderungen an seine Position nicht mehr gewachsen. Der Bereichsleiter organisiert ein feierliches Bankett zur ehrenvollen Verabschiedung des Meisters, das von lobenden Worten, Prämien und sogar von einem eigenen Amateurfilm begleitet wird. Zudem organisiert seine Familie eine private Feier. Achilles fühlt sich jedoch überfordert, verlässt die Feier und begibt sich zu jenem Ort, an dem er seinen Sinn nach dem Arbeitsleben wiederfinden will: seinem Blumenbeet auf der Industriehalde.

BANKETT FÜR ACHILLES ist nicht zwingend ein Film über das Altwerden. Es geht vielmehr um das Verhältnis des Individuums zur Arbeit und einem sinnerfüllten Dasein. Die Arbeit repräsentiert für Achilles den Sinn des Lebens. Diesen Sinn zu verlieren beziehungsweise aufgeben zu müssen, bringt ihn näher an ein Gefühl der Nutzlosigkeit, das er zuvor nicht kannte. Die ethischen und moralischen Qualitäten sowie die produktive Rastlosigkeit des Meisters Achilles lassen keine Resignation zu, sondern führen zu einem Versuch des Neubeginns. Regisseur Roland Gräf und Drehbuchautor Martin Stephan fanden ein Symbol für die Fähigkeit des Heldens, die Resignation zu überwinden: Wir sehen Meister Achilles neben seinem zerstörten Blumenbeet auf der Industriehalde bei dem Versuch, eine Kornblume zu züchten, während ein Hubschrauber Strohballen auf die kahlen Halden wirft, um ihre Begrünung vorzubereiten – Eine Aufnahme in der Totalen, die die kahle Landschaft spürbar macht. Ein Symbol für die hoffnungsvolle Einstellung des Heldens Achilles, der durch seine schöpferische Kraft aktiv bleibt und ein neues sinnerfülltes Dasein abseits des Chemiekombinats findet.

Filmplakat (1975) von Dieter HeidenreichDEFA-Stiftung

In diesem Filmplakat von Dieter Heidenreich wird allein mit dem Hauptdarsteller Erwin Geschonneck geworben.

Ute Lubosch als Beate (1975) von DEFA-Fotograf: Klaus GoldmannDEFA-Stiftung

Regisseur Roland Gräf und Kammeramann Jürgen Lenz (vorne) (1975) von DEFA-Fotograf: Klaus GoldmannDEFA-Stiftung

Regisseur Roland Gräf und Kameramann Jürgen Lenz beim Dreh.

„Vor allem die Hauptfigur, der alte Arbeiter Karl Achilles, und das, was ihm widerfährt, berührten mich von Anfang an. In gleicher Weise beeindruckte mich aber auch die genaue Kenntnis, mit der das Leben in dieser Industrielandschaft beschrieben war, einer Landschaft, in der bei allen Fortschritten die Lebensbedingungen der Menschen noch schwieriger sind als anderswo. Sich eines solchen Ausschnitt unseres Lebens zuzuwenden war für mich also auch eine Frage politischer Verantwortung und sozialer Aufmerksamkeit.“Roland Gräf

Bankett für Achilles (1975) von DEFA-Fotograf: Klaus GoldmannDEFA-Stiftung

Mitwirkende: Geschichte

Gestaltung: Lucy Pizaña
Texte: Lucy Pizaña
Bildauswahl: Lucy Pizaña
Technik: Lucy Pizaña
Redaktion: Stefanie Eckert, Juliane Haase und Philip Zengel
© DEFA-Stiftung

Gefördert vom Land Sachsen-Anhalt

In Kooperation mit dem MA-Studiengang Filmkulturerbe der Filmuniversität Babelsberg KONRAD WOLF. Mehr Informationen zum Studiengang finden sich hier

Für weitere Informationen besuchen Sie unsere Webseite.

*Ausstellung im Rahmen eines Digitalisierungsprojektes

Literatur:
Finke, Klaus: Politik und Mythos. Kader, Arbeiter und Aktivisten im DEFA-Film, Bibliotheks- und Informationssystem, Oldenburg 2002.

Filmmuseum Potsdam (Hrsg.): Das zweite Leben der Filmstadt Babelsberg. DEFA-Spielfilme 1946-92, Henschel Verlag, Berlin 1994.

Gehler, Fred: Bankett für Achilles –ein DEFA-Film. Gespräch mit dem Regisseur Roland Gräf, Sonntag (Berlin), 23.11.1975

Helmbold, Detlef: Mehr Kunst als Werbung.Das DDR-Filmplakat 1945-1990,DEFA-Stiftung (Hrsg.), Bertz+Fischer Verlag, Berlin 2018.

Jordan, Günter: Film in der DDR. Daten - Fakten - Strukturen, Filmmuseum Potsdam, Potsdam 2013.

Audiovisuelle Materialien aus dem Archiv der DEFA-Stiftung und des Filmmuseums Potsdam.

Quelle: Alle Medien
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