Von "Museum für Kommunikation Frankfurt, Museumsstiftung Post und Telekommunikation"
Museum for Communication Frankfurt, Museum Foundation Post and Telecommunication
Wem gebührt die Ehre, Erfinder des Telefons genannt zu werden? Diese Frage wird bis
heute leidenschaftlich diskutiert. Im ausgehenden 19. Jahrhundert ging es bei
dem Streit vor allem darum, diese wichtige Erfindung für die eigene Nation zu
beanspruchen.
Gemälde "Pioniere des Telefons: Philipp Reis" (1990) von Gottfried Helnwein (*1948)Museum für Kommunikation Frankfurt, Museumsstiftung Post und Telekommunikation
Gewöhnlich gilt der Amerikaner Alexander Graham Bell als Erfinder des Telefons. Doch bereits 16 Jahre zuvor, am 26. Oktober 1861, präsentiert der 27-jährige Physiker Philipp Reis den Mitgliedern des Physikalischen Vereins in Frankfurt am Main sein "Telephon".
Ansichtspostkarte „Philipp Reis, Erfinder des Fernsprechers“ (1913) von Reichsdruckerei BerlinMuseum für Kommunikation Frankfurt, Museumsstiftung Post und Telekommunikation
Zeichnung Philipp Reis in seinem "Laboratorium" (aus Artur Fürst, Das Weltreich der Technik, Band 1, Berlin 1925) (1925)Museum für Kommunikation Frankfurt, Museumsstiftung Post und Telekommunikation
»Es gelang mir, einen Apparat zu erfinden (…)«, mit welchem man »Töne aller Art durch den galvanischen Strom in beliebiger Entfernung reproduciren kann. – Ich nannte das Instrument ›Telephon‹«.
Philipp Reis, Juni 1868
Am Anfang von Philipp Reis‘ Forschungen stehen Studien über das Hören.
Das menschliche Ohr mit Trommelfell und Gehörknöchelchen dient Reis als Vorbild für sein erstes Modell von 1860/61.
Membran, beweglicher Hebel und Kontaktfeder wandeln die Schallwellen der Sprache in elektrische Schwingungen um.
Erklärtes Ziel der Telefon-Experimente von Philipp Reis ist es, Töne und Sprache elektrisch zu übertragen.
Fotografie "Geber von Philipp Reis" (ab 1886)Museum für Kommunikation Frankfurt, Museumsstiftung Post und Telekommunikation
Zwischen 1861 und 1863 experimentiert Philipp Reis mit unterschiedlichen Materialien und Formen seines Gebers. Schrittweise nähert er sich so der endgültigen Form seines Telefons.
Geber und Empfänger von Philipp Reis (1863)Museum für Kommunikation Frankfurt, Museumsstiftung Post und Telekommunikation
Zwischen 1861 und 1863 experimentiert Philipp Reis mit unterschiedlichen Materialien und Formen seines Gebers. Schrittweise nähert er sich so der endgültigen Form seines Telefons.
dem Geber, den Reis »Telephon« nennt…
…und dem Empfänger, von Reis als »Reproductionsapparat« bezeichnet.
Geber (Mikrofon) des Telefons von Philipp Reis (1863)Museum für Kommunikation Frankfurt, Museumsstiftung Post und Telekommunikation
Zur Umwandlung akustischer Schwingungen in Stromimpulse verwendet Reis in seinem Geber eine aus Schweinedarm gefertigte Membran, die von den Schallwellen der Sprache mechanisch erregt wird.
Die Membran ist mit einem elektrischen Kontakt gekoppelt, der durch die Schwingungen geschlossen wird. Mit dem auf den Kontakt ausgeübten Druck variiert der Strom.
Empfänger des Telefons von Philipp Reis (1863)Museum für Kommunikation Frankfurt, Museumsstiftung Post und Telekommunikation
Aus einer Stricknadel, einer Drahtspule und einem Holzkästchen baut Reis seinen Empfänger. Er nutzt das Prinzip der Magnetostriktion für die Wiedergabe der übertragenen Töne und Wörter.
Fließen die Stromimpulse des Gebers durch die Spule, entsteht ein Magnetfeld und die Nadel im Innern der Spule gerät in Schwingungen. Das Holzkästchen als Resonanzkörper verstärkt diese und macht sie hörbar.
Begleitschreiben der Firma J. Wilhelm Albert (1863) von Johann Wilhelm AlbertMuseum für Kommunikation Frankfurt, Museumsstiftung Post und Telekommunikation
Ab 1863 lässt Philipp Reis eine kleine Serie seines Telefons von dem Mechaniker Johann Wilhelm Albert in Frankfurt am Main herstellen. Diese handgefertigten Einzelapparate sind allesamt Unikate mit geringfügigen Abweichungen.
Geber und Empfänger von Philipp Reis (1863) von Johann Wilhelm AlbertMuseum für Kommunikation Frankfurt, Museumsstiftung Post und Telekommunikation
Um zu beweisen, dass sein Telefon tatsächlich Sprache übertragen kann, benutzt Philipp Reis bei einer Vorführung Nonsens-Sätze wie "Das Pferd frisst keinen Gurkensalat" oder "Die Sonne ist von Kupfer".
Telefonieren im Sinne einer wechselseitigen Unterhaltung kann man mit Apparaten von Philipp Reis allerdings noch nicht.
Tongeber für Telefonversuche (1872 - 1873)Museum für Kommunikation Frankfurt, Museumsstiftung Post und Telekommunikation
Das Urteil seiner Zeitgenossen fällt allerdings widersprüchlich aus; das Potenzial der Erfindung wird verkannt.
Die fehlende Anerkennung durch die Fachwelt entmutigt Philipp Reis. Erst 1872/73 beschäftigt er sich nochmals mit dem Telefon und baut einen neuen Typ von Empfänger.
Auch diese Weiterentwickung bleibt unbeachtet. Den tatsächlichen Siegeszug des Telefons in Deutschland erlebt der 1874 verstorbene Physiker nicht mehr.
Zeitungsartikel "The New Bell Telephone" (aus: "Scientific American") (06.10.1877) von New York, Vereinigte Staaten von AmerikaMuseum für Kommunikation Frankfurt, Museumsstiftung Post und Telekommunikation
16 Jahre nach der ersten öffentlichen Vorführung des Reis-Telefons erreichen Berichte über eine neue amerikanische Erfindung Deutschland.
In der Scientific American vom 6. Oktober 1877 wird das neueste Telefon eines gewissen Alexander Graham Bell vorgestellt.
Schon seit 1875 führt Alexander Graham Bell gemeinsam mit seinem Assistenten Thomas A. Watson Experimente zur elektrischen Übertragung von Informationen durch.
Er kennt die von Philipp Reis verfassten Vorträge und wohl auch den Apparat selbst.
Draht der ersten Telefonversuche von A. G. Bell und Th. A. Watson, mit handschriftlicher Echtheitsbestätigung von E. Berliner (1881) von Emil Berliner (1851 - 1929)Museum für Kommunikation Frankfurt, Museumsstiftung Post und Telekommunikation
Dieses auf den ersten Blick recht unscheinbare Ensemble – ein zusammengerolltes, sichtlich gealtertes Stück Leitungsdraht, eine Visitenkarte und ein handgeschriebenes Kärtchen – ist nichts weniger als eine technikhistorische Reliquie: Diesen Draht benutzten Alexander Graham Bell und Thomas Watson 1875 für ihre ersten telefonischen Sprechversuche.
Leitungsdraht der ersten Telefonversuche von A. G. Bell und Watson (1875)Museum für Kommunikation Frankfurt, Museumsstiftung Post und Telekommunikation
»Dieses Stück Draht ist ein Theil der Versuchslinie welche von Herrn Prof. A. G. Bell und H(r.) T. A. Watson in den ersten Versuchen sowie allen späteren bis zur vollständigen Entwicklung des Bell’schen Telephons benutzt wurde. Besagte Versuchslinie war vom Zimmer No 13 bis No 15 in dem Hause Exeter Place No 5 Boston errichtet und zwar im Herbste 1875 und wurde sie erst am 8ten Juli 1877 von H(r.) Watson eigenhändig entfernt. H(r.) Watson überließ mir 6 Fuß des Drahtes wovon ich dieses etwa eine Yard lange Stück abschnitt.
E. Berliner, Hannover 10 Juni 1881«.
Die Neuigkeiten aus Amerika wecken das Interesse von Heinrich von Stephan, dem Generalpostdirektor des Deutschen Reichs. Er bestellt zwei Exemplare zu Testzwecken.
Noch bevor die Bell-Telefone in Berlin eintreffen, erhält er am 24. Oktober 1877 ein Paar von seinem Londoner Amtskollegen Henry Fischer, der dienstlich in Berlin weilt.
Holzstich „Heinrich von Stephan am Telefon“ (aus der Zeitschrift „Daheim“) (1877)Museum für Kommunikation Frankfurt, Museumsstiftung Post und Telekommunikation
Bereits am 25. Oktober 1877 finden erste Tests in Berlin statt. Am 26. Oktober wird dann das allererste Telefongespräch in Deutschland zwischen Stephans Büro in der Leipziger Straße 15 und dem Haupttelegrafenamt in der Französischen Straße geführt.
Einen Einblick in das Innenleben eines Bell-Telefons gewährt dieses historische Schnittmodell: Stabmagnet, Spule und Membran sind deutlich zu erkennen.
Schon im Oktober 1877 stellt die Berliner Telegrafenbauanstalt Siemens und Halse erste Bell-Telefone unter eigenem Namen her – ganz legal, denn ein Patentschutz für Deutschland besteht nicht.
Bell-Telefon (1877)Museum für Kommunikation Frankfurt, Museumsstiftung Post und Telekommunikation
Am 12. November 1877 wird die erste Telegrafenstelle mit Fernsprechbetrieb in Deutschland eröffnet – mit Bell-Telefonen aus deutscher Produktion.
Das neue Medium Telefon wird zunächst nur postintern zur Übermittlung von Telegrammen verwendet. Öffentliche Telefonnetze gibt es in Deutschland erst ab 1881.
Das Pferd frisst keinen Gurkensalat. Wie Philipp Reis das Telefon erfand
Eine virtuelle Ausstellung der Museumsstiftung Post und Telekommunikation.
Kuratorin: Lioba Nägele
Alle Objekte aus dem Bestand der Museumsstiftung Post und Telekommunikation.
www.museumsstiftung.de
Interessiert am Thema „Science“?
Mit Ihrem personalisierten Culture Weekly erhalten Sie Updates
Fertig!
Sie erhalten Ihr erstes Culture Weekly diese Woche.