Es waren Fahrradhersteller, die ab 1901 die ersten motorisierten Zweiräder entwickelten. In den 1920er Jahren setzte ein ungeheurer Aufschwung ein und das Motorrad wurde zum wichtigsten individuellen Verkehrsmittel in Deutschland. Neben zahlreichen Kleinherstellern waren es Namen wie Ardie, Hercules, Mars, Triumph, Victoria oder Zündapp, die Nürnbergs Ruf als Zweiradhochburg begründeten.
Nürnberg – das Zentrum der deutschen Motorradindustrie
Über viele Jahrzehnte war Nürnberg das Zentrum der deutschen Motorradindustrie. Diese entwickelte sich ab Beginn des 20. Jahrhunderts aus der bereits bestehenden Fahrradproduktion. Denn schon zwei Jahrzehnte zuvor, als die ersten Fahrräder aus England nach Deutschland kamen, erwies sich Nürnberg mit seiner florierenden metallverarbeitenden Industrie als idealer Standort für die Massen-Produktion.
Detailaufnahme der Victoria, Baujahr 1904.Museum Industriekultur, Museen der Stadt Nürnberg
Die ersten Motorräder, die zwischen 1900 und dem ersten Weltkrieg gebaut wurden, waren dementsprechend auch eher motorisierte Fahrräder. Die damals wichtigsten Nürnberger Hersteller hießen Victoria, Hercules und Mars.
In den 1920er Jahren löste das Motorrad das Fahrrad als wichtigstes individuelles Verkehrsmittel ab.Museum Industriekultur, Museen der Stadt Nürnberg
In den 20er Jahren kam es dann zu einer rasanten Entwicklung – einer wahren Motorisierungs-Euphorie. Fast 50 Firmen boten im Nürnberger Raum Motorräder an. Marken wie Hecker, Ardie und Triumph entstanden – und natürlich Zündapp, die ab 1922 mit ihrem "Motorrad für Jedermann" zum Marktführer wurde.
Die 1930er Jahre – noch fuhr das Motorrad dem Auto voran.Museum Industriekultur, Museen der Stadt Nürnberg
In den 30er Jahren hatte Nürnberg bereits den Rang der Motorradhauptstadt Deutschlands. Nach 1945 begann die Zeit, in der echte Motorradlegenden gebaut wurden. Bei Zündapp war es die KS 601, bei Triumph die "Boss", bei Victoria die "Bergmeister". Doch nach 1955 begann die große Krise: Das Automobil, allen voran der Käfer von Volkswagen, lief dem Motorrad den Rang ab. Für die meisten Firmen kam damit bald das Aus.
Die Hercules-Werke, Ecke Fürther- und Haasstraße im Jahr 1934.Museum Industriekultur, Museen der Stadt Nürnberg
Hercules und die Motorräder
Bereits ab 1905 waren bei Hercules, dem ältesten Nürnberger Fahrradhersteller, die ersten Motorräder serienmäßig gefertigt worden. Allerdings nur für kurze Zeit, da sich die technisch wenig zuverlässigen und teuren Vehikel nicht rentierten.
Mit ihrer Fahrradproduktion und der Herstellung von Verteilerdosen, Isolierrohren und Stahlrohrmöbeln überstand Hercules den Ersten Weltkrieg und die anschließenden Krisen- und Inflationsjahre recht gut. Die Firmenchronik verzeichnet in den folgenden Jahren einen kräftigen Geschäftsaufschwung.
Hercules MF 74, Baujahr 1934. Hercules MF 74, Baujahr 1934.Museum Industriekultur, Museen der Stadt Nürnberg
Diese positive Absatzentwicklung eingeführter Artikel war wohl die Ursache dafür, dass Hercules spät, nämlich erst 1929 wieder in den inzwischen boomenden Motorradmarkt wieder einstieg. Dabei betrieb man den Motorradbau als "Konfektionär": Die Fahrgestelle wurden selbst produziert, die Motoren dagegen fremdbezogen. Die Hersteller solcher Aggregate waren JAP, Villiers, Columbus, Bark, Moser, Küchen, Ilo und natürlich Sachs in Schweinfurt.
Prospekt für die Hercules Liliput mit 74 ccm Sachs-Motor, 1934.Museum Industriekultur, Museen der Stadt Nürnberg
Die Partnerschaft Hercules-Sachs reichte bis ins Jahr 1905 zurück, als Ernst Sachs mit der Erfindung der Torpedo-Freilauf-Bremsnabe den Fahrradbau revolutionierte. Die von Sachs entwickelten und massenhaft produzierten hubraumschwachen Mofa- und Mopedmotoren gelang weltweit ein Durchbruch. Diese in Franken liebevoll als "Sachserla" bezeichneten kleinen Zweitakter waren es in erster Linie, die die gewaltige Motorisierungswelle der 1930er Jahre auslösten.
Mit dieser 250er Hercules Straßenrennmaschine gewann der Rennfahrer Hans Kahrmann 1931 die Deutsche Straßenmeisterschaft. Auch 1932 und 1934 landete er bei diesen Rennen auf den vorderen Plätzen.
Bei dieser Hercules Rennmaschine von 1939 handelt es sich vermutlich um eine Einzelanfertigung, die vom Rennfahrer Carl Geffers gefahren wurde. Sie kam als so genanntes "Sechstage-Modell" speziell bei Zuverlässigkeits- und Langstreckenrennen zum Einsatz.
Der "Columbus"-Motor, ein spätes Modell mit bereits innenliegender Ölpumpe, wurde von Richard Küchen überarbeitet. Die Österreichische Illichmann-Hinterradfederung wurde bei Hercules in die Wettbewerbsmaschine eingebaut.
1970 stellte Hercules das erste Wankelmotorrad auf der IFMA vor. Die Typenbezeichnung "W 2000" deutete darauf hin, wie man sich das Motorrad des Jahres 2000 vorzustellen habe – eine kühne Assoziation. Gestalterisch war der Entwurf nicht gelungen. Der Motor hing wie ein Staubsauger im Rahmen und ließ eine hässliche Lücke unter dem Tank frei. Kein Wunder, hatte man doch einfach auf ein bereits vorhandenes Schneemobil-Aggregat zurückgegriffen.
Auch einige optische und Technische Nachbesserungen bis zum Serienlauf 1974 konnten das Projekt nicht retten. Bereits 1979 nach rund 8000 produzierten Fahrzeugen stellte Hercules die Produktion des ersten Wankelmotorrades der Welt wieder ein.
Die Geländeversion der "W 2000" von Hercules. 1970 präsentierte Hercules das erste Wankelmotorrad. Die optischen Mängel der ersten Modelle wurden schrittweise verbessert. Die turbinenartig gleichmäßige Laufkultur des 300ccm Kreiskolbenmotors und gute Fahrwerkseigenschaften waren die positiven Eigenschaften. Hoher Verbrauch, hohes Gewicht, wenig Leistung und viel Lärm führten dann allerdings dazu, dass die Produktion des ersten Wankelmotorrades der Welt bereits 1979 nach 8000 Exemplaren wieder eingestellt wurde.
Die Triumph-Werke 1911, links eine Fahrrad-Teststrecke. Die Triumph-Werke 1911, links eine Fahrrad-Teststrecke.Museum Industriekultur, Museen der Stadt Nürnberg
Die Triumph-Werke an der Fürther Straße
Die Fürther Straße, Verbindungsachse zwischen Nürnberg und Fürth und 1835 Schauplatz der ersten Eisenbahn in Deutschland, entwickelte sich in der Folgezeit zu einer prototypischen "Achse der Industrialisierung". In den 1920er und 1930er Jahren war hier ein großer Teil der Zweiradindustrie angesiedelt. Zu den ganz Großen gehörten hier über Jahrzehnte die Triumph Werke, der en Produktionsanlagen sich von kleinen Anfängen rasant zu einem das Straßenbild prägenden Fabrik-Areal entwickelten. Ein Blick in die verschiedenen Zeitepochen macht das deutlich.
Mit der "BD 250" war es Triumph gelungen, für verhältnismäßig wenig Geld eine Maschine für den Alltag, aber auch für den sportlichen Einsatz zu bauen. Mit der BD250 war der Entwicklungsabteilung unter Otto Reitz eine technische Innovation gelungen: Motor und Getriebe konnten getrennt voneinander zerlegt werden, wodurch Reparaturen erheblich einfacher wurden.
Bahnbrechend für die deutsche Motorradindustrie und Merkmal auch späterer Triumph-Maschinen war die Entwicklung eines Doppelkolbenmotors mit Gleichstromspülung und Kurbelgehäuse-Drehschieber wie ihn erstmals die 1939er BD250 aufwies.
Die Maschine wäre sicher ein großer Erfolg geworden, hätte nicht bald nach Erscheinen der Krieg begonnen. Den Spitznamen "Stachelschwein" aufgrund der auffälligen Kühlrippen hatte sie allerdings bald weg.
In einer Zeit, da sich viele 350er anschickten, die 500er Klasse bezüglich der Fahrleistung abzulösen, brachte Triumph eine 350er heraus, die "nur" 16 PS Leistung besaß.
Ein Triumph Boss-Gespann im Jahr 1955.Museum Industriekultur, Museen der Stadt Nürnberg
Diese konnten allerdings schon bei 4000 U/min mobilisiert werden, was für den Alltagsbedarf eines Gespannfahrers völlig ausreichte. Eine Doppelportanlage und ein neuartiges Vorkammersystem mit vergrößerter Luftfilteranlage sorgte für Geräuschdämpfung.
Victoria-Werke, 1924Museum Industriekultur, Museen der Stadt Nürnberg
Victoria – vom Hochrad zur Bergmeister
Die Firmengründung als Frankenburger & Ottenstein OHG erfolgte 1886 durch zwei Hochradenthusiasten. Im Zusammenhang mit der Suche nach neuen Betätigungsfeldern erfolgte 1899 die Umwandlung in Victoria AG. Es begann mit der Herstellung von Buchdruck-Schnellpressen und einem völlig neu konstruierten Victoria-Motorwagen.
Victoria Doktorswagen von 1902.Museum Industriekultur, Museen der Stadt Nürnberg
Der bekannteste war der Victoria-"Doktorswagen" von 1905. Das zweisitzige Fahrzeug mit 5 PS und einer Höchstgeschwindigkeit von ca. 25Km/h hat heute seinen Platz im Museum Industriekultur.
Der Prototyp des ersten Victoria Motorrades wurde 1901 vorgestellt. Damit gehörte Victoria zu den deutschen Pionieren im Motorradbau. Auf der Grundlage langjähriger Erfahrung mit der Herstellung von Fahrrädern, lief 1903 die "Serienfertigung" an: verstärkte Fahrradrahmen wurden mit zugekauften Einbaumotoren ausgestattet.
Victoria-Werke, 1950er JahreMuseum Industriekultur, Museen der Stadt Nürnberg
Nach kriegsbedingter Unterbrechung der Zweiradproduktion, folgte bereits 1920 der Wiedereinstieg in den dann rasch wachsenden Motorradmarkt. Mit der schweren Reisemaschine KR1 sprach Victoria dabei vorwiegend gutsituierte Kunden an – mit Erfolg, wie gute Verkaufszahlen bestätigten. Kleinere Modelle erfolgten erst später und Victoria entwickelte sich zu einem kreativen Nürnberger Motorradhersteller.
Der englische Hersteller Raleigh bot für die Abnehmer seiner Motoren (Sturmey Archer) auch komplette Rennmaschinen an. Victoria setzte einige wenige solcher Raleigh-Rennmaschinen bei Straßenrennen ein.
Eine dieser Maschinen hat überlebt. Sie wurde von Edmund Schmidt von Victoria übernommen und noch einige Jahre als Privatfahrer bei verschiedenen Rennen eingesetzt, bevor sie ihren Weg ins Museum fand.
Die "KR 6" blieb als Nachfolgermodell der "KR 3" in unterschiedlichen Varianten mehr als 10 Jahre im Programm. Sie war im Rennsport erfolgreich, aber auch als Behördenmotorrad weit verbreitet. Konkurrenz gab es in dieser Klasse wenig und so hielt man bei Victoria an der Grundkonzeption bis 1938 fest.
Eine KR 6 war keine Maschine für den schmalen Geldbeutel. Ihr Preis von 1.750,- Reichsmark stellte klar, dass sie ein hochwertiges Motorrad für den "Herrenfahrer" war, der sich einen Kleinwagen zwar leisten konnte, aber lieber sportliche Zweiradambitionen pflegte.
Wie bei der "KR 25" war auch bei der "KR 35 SN" der Motor eine Entwicklung von Richard Küchen und wurde in Kooperation zwischen Victoria und Horex hergestellt. Bis Kriegsbeginn lief der Verkauf gut, allerdings kam der große Durchbruch erst in den 1950er-Jahren – für Horex, nicht für Victoria.
Die hier gezeigte Victoria ist "ladenneu". Sie hat den Krieg, eingewickelt und Ölpapier und gut versteckt, überlebt. Anschließend hat sie ein Sammler erworben, der den besonderen Wert einer nie gefahrenen Maschine als historisches Referenzobjekt erkannte und das Fahrzeug auf Vermittlung der Victoria-Interessengemeinschaft hin ins Museum gab.
Zwischen 1953 und 1954 entstand dieser Prototyp für die letzte eigene Victoria-Schöpfung, die Swing KR 21. Durch Zufall entdeckte man in den Kellern der ehemaligen Victoria-Werke bislang unbekannte Motorradteile. Auf der Suche nach ihrem Ursprung fanden wir schließlich in einer Publikation des Motorradhistorikers Ernst Leverkus Fotos und schriftliche Hinweise auf dieses Fahrzeug. Es wurde als Versuchsmotorrad bei Gelände- und Zuverlässigkeitsfahrten eingesetzt. Der Wiederherstellung dieses Unikats widmete sich der Zweiradrestaurator Mike Kron.
Der Motor des bekannten Konstrukteurs Richard Küchen bestach durch sein glattflächig ästhetisches Design. Vergaser und Zündanlage waren im Motorblock integriert. Die Ventile waren in den Leichtmetall Zylinderköpfen hängend angeordnet.
Die langen Wege, die das Luft-Gasgemisch zurücklegen musste, wirkten jedoch leistungshemmend und konnten zum "Verschlucken" des Motors führen. Eine Zweivergaser-Version ging nicht in Serie.
Immerhin verkaufte Victoria zwischen 1953 und 1956 rund 5000 Bergmeister – nicht genug aber, um die Firma zu retten. 1958 ging Victoria in der Zweiradunion auf, wo man fortan nur noch Fahrräder und Mopeds herstellte.
Diese im Originalzustand erhaltene Wettbewerbsmaschine wurde zwischen 1954 und 1958 vom Victoria-Versuchsingenieur Harald Oelerich stark modifiziert und für den Einsatz im Geländesport aufgebaut. Eine Hinterradschwinge sowie die Steigerung der Leistung durch Doppelvergaser sind die auffälligsten Merkmale. Allerdings entstanden nur wenige Prototypen und für die Serie hatte das alles keine Auswirkungen mehr. Die erhaltenen auffälligen Farbmarkierungen an der hier präsentierten Maschine sollten die Fahrer daran hindern, während der oft mehrtägigen Wettbewerbe unerlaubte Änderungen am Motorrad vorzunehmen.
Die "Swing" war die letzte eigene Entwicklung von Victoria, bevor das Unternehmen in der Zweirad-Union AG aufging. Dies geschah im Jahr 1958, dem Baujahr unseres Exemplares.
Das Fahrwerk war ein Entwurf von Ernst Wüstenhagen, die Triebabsatzschwinge eine Konstruktion von Norbert Riedel. Bei der Hinterradaufhängung handelt es sich im Prinzip um eine Einarmschwinge. Ein weiterer technischer Leckerbissen war das elektromagnetische Viergang-Ziehkeilgetriebe.
Werbefoto mit entspannten Swing-Fahrern, 1950er Jahre.Museum Industriekultur, Museen der Stadt Nürnberg
Die technischen Finessen sollten Spaß bringen am Swing fahren. Man hatte bei Victoria die Kunden im Blick, die kein reines Alltagsfahrzeug suchten, sondern eher was für die Freizeit und zum Vergnügen – ein guter Ansatz, der allerdings zu spät kam.
Die Zündapp-Werkseinfahrt an der Dieselstraße, um 1937.Museum Industriekultur, Museen der Stadt Nürnberg
Die Zündapp Werke
1903 begann Fritz Neumeyer in Nürnberg mit der industriellen Herstellung von Spielzeugdampfmaschinen, -eisenbahnen und Drehbleistiften. Daraus folgte die Einrichtung einer Produktion für gezogene Rohre als technische Grundlage auch für die Herstellung von Waffen. 1917 gründete Fritz Neumeyer dann die Zünder- und Apparatebau GmbH mit Sitz in Nürnberg.
Nach Kriegsende drohte wegen des Wegfalls aller Aufträge das Ende des hoch spezialisierten Rüstungsbetriebs. Auf der Suche nach neuen Produkten wurde von Kettengeflecht-Automaten bis hin zu Schreibmaschinen vieles ausprobiert – ohne Erfolg. So begann 1921 die Ära der Motorräder.
Zündapp-Fahrer vor dem alten Verwaltungsgebäude in der Molkestraße 15, um 1930.Museum Industriekultur, Museen der Stadt Nürnberg
Anders als so mancher Fahrradhersteller, der mehr oder weniger zwangsläufig zum Motorrad gekommen war, trat Zündapp mit der programmatischen Devise an, ein "Motorrad für Jedermann" zu schaffen. Ein Angebot, das schnell große Resonanz fand. Besonders bei der Jugend waren die ersten Nachkriegsjahre von einer Aufbruchsstimmung und vom Wunsch nach individueller Mobilität geprägt.
Die Strategie ging auf und Ende 1924 hatte Zündapp bereits 10.000 Motorräder verkauft und sich aufgemacht, in den nächsten Jahrzehnten zum größten Nürnberger Motorradhersteller zu werden.
Die Zündapp K 800 von 1933 war als einzige Vierzylindermaschine aus Nürnberg das Flaggschiff der "K-Reihe" bei Zündapp. Dank ihrer Laufruhe und des seidenweichen Durchzuges war sie sehr beliebt, besonders auch als Gespannmaschine.
Allerdings war die schwere Maschine nicht gerade billig, sie kostete 1935 1550,- RM, einen Opel P4 gab es bereits für 1450,- RM - und kaufte sich manch einer lieber gleich ein Auto.
Dennoch verkaufte sich die K 800 gut und darüber hinaus gingen ab 1937 viele auch an die Wehrmacht.
Die "KKS 500" war ein käufliches Wettbewerbsmodell – Kardan, kleiner Rahmen. Diese Sportversion der "KS 500" wurde in erster Linie von Privatfahrern bei Bergrennen eingesetzt. Heute ein gesuchter Oldtimer, von dem nur 153 Stück gebaut worden waren.
Richard Küchen, um 1938.Museum Industriekultur, Museen der Stadt Nürnberg
Richard Küchen (1897–1974)
Richard Küchen, 1898 in Bielefeld geboren, begann unmittelbar nach Ende des Ersten Weltkrieges mit der Produktion selbstkonstruierter Motorradmotoren. In einer Zeit, in der eigentlich Zweitakter "modern" waren, beschäftigte er sich ausschließlich mit Viertaktmotoren. Schon die frühen Entwürfe dieser "K"-Einbaumotoren waren gekennzeichnet durch ein harmonisches Äußeres, durch elegante Linienführung und formschöne Totalkapselung, was Küchens "Markenzeichen" bleiben sollte. 1931 kam Richard Küchen mit dem Auftrag nach Nürnberg, unter dem Chefkonstrukteur Otto Reitz, den man von NSU geholt hatte, die Weiterentwicklung des Viertaktprogramms bei Triumph voranzutreiben.
Motorräder der Zündapp K-Reihe im Motorradmuseum Nürnberg.Museum Industriekultur, Museen der Stadt Nürnberg
Dazu kam es dann allerdings nicht, als er bei Zündapp die Möglichkeit bekam, ein ganz neues Motorrad-Modellprogramm zu entwickeln, die "K"-Reihe ("K" stand hier allerdings nicht für Küchen, sondern für Kastenrahmen und Kardanantrieb). Es entstanden mit den eleganten Pressstahl-Fahrwerksrahmen und den glattflächigen Motor-Getriebe-Aggregaten der Zündapp "K-Reihe" die wohl elegantesten Motorräder dieser Jahre.
Ab 1938 war Küchen an der Entwicklung der "KS 750" beteiligt, deren "Vorlage", die "KS 600", bereits ein Resultat seiner Arbeit gewesen war. In der trügerischen Erwartung auf ein baldiges Ende des Krieges, konstruierte Küchen in dieser Zeit verschiedene zivile Motoren.
Es entstanden die Vorstudie und der Prototyp eines 125-ccm-Zweitakters mit Doppelkolbenmotor. Der Krieg verhinderte dann die Serienfertigung dieser Entwürfe.
1974 verstarb Richard Küchen in Ingolstadt.
Die "Nürnberger Hochleistungsprüfung" rund um den Nürnberger Schmausenbuck.Museum Industriekultur, Museen der Stadt Nürnberg
Als Vorläufer aller späteren Moto-Cross-Rennen kann man die "Nürnberger Hochleistungsprüfung" bezeichnen, die 1939 im schweren Gelände rund um den Nürnberger Schmausenbuck höchste Ansprüche an Fahrer und Material stellte. In ihrer Klasse gewann die neue Zündapp überlegen mit dem Fahrer Eugen Haselbeck.
Die Siegermaschine war eine von elf Versuchsmaschinen, die Zündapp zwischen 1937 und 1941 gebaut hatte, dann musste die Entwicklung auf Anordnung einer Reichsbehörde eingestellt werden. Zehn Fahrzeuge wurden verschrottet und nur eines hat auf wundersame Weise überlebt und seinen Weg ins Museum gefunden.
Kurz vor dem Zweiten Weltkrieg entstand ein Vierzylinder-Königswellen-Boxermotor mit Kompressor, mit dem der absolute Geschwindigkeitsweltrekord für Motorräder erreicht werden sollte. Der Ausbruch des Krieges verhinderte die endgültige Fertigstellung und den Einsatz des Motors. Der Konstrukteur Albert Roder wollte aus dem 1000ccm-Aggregat mit ca. 125 PS eine Höchstgeschwindigkeit von ca. 300 Km/h erreichen.
Die KS 600, eine Weiterentwicklung der 500er, war das leistungsstärkste und mit einer Spitzengeschwindigkeit von etwa 145 km/h das schnellste Zündapp-Vorkriegsmotorrad.
Das auch als Gespannmaschine sehr beliebte Motorrad wurde bei Behörden und in großer Stückzahl bei der Wehrmacht eingesetzt. Dort waren nach dem Motto "Zündapp zuverlässig an allen Fronten" rund 18.000 Krad-Gespanne vom Typ KS600 mit "Spezial Zündapp Seitenwagen" im Einsatz. Die Gesamtzahl aller an das Heer gelieferten Zündapp-Motorräder lag um ein Vielfaches höher.
Thea Fischer – Motorradpionierin in NürnbergMuseum Industriekultur, Museen der Stadt Nürnberg
Thea Fischer – Motorradpionierin in Nürnberg
Thea Fischer, Jahrgang 1907, war eine Motorradenthusiastin im Nürnberg der 1920er Jahre. Sie erinnert sich an diese Zeit: "Schon bei der Fahrschule bin ich wie ein Geist angestarrt worden. Man musste damals viel lernen, besonders das Reparieren. Viele verschiedene Kleinigkeiten haben halt oft zu Pannen geführt. Da bin ich einmal am Königstor gestanden und das Motorrad ist nicht mehr gegangen. Ich hab gewusst, wo ich hinlangen muss, hab meinen Vergaser abgeschraubt und durchgeblasen. Da sind die Leute stehen geblieben und die Straßenbahn ist stehen geblieben und ein Schutzmann ist hergekommen und hat gesagt, ich solle verschwinden. 'Kann ich nicht, es fährt ja nimmer!' hab ich gesagt."
Thea Fischer als Postbotin mit Zündapp-Gespann.Museum Industriekultur, Museen der Stadt Nürnberg
Thea Fischer hat an verschiedenen motorsportlichen Wettbewerben teilgenommen und dabei wie auch im Alltag mit verschiedenen Nürnberger Motorradmarken Erfahrungen gesammelt. Sie war im "Triumph-Club" ebenso wie im "Hecker-Club" und hat natürlich auch beide Marken gefahren. Von der Hecker war sie weniger begeistert, die hätte viele Probleme gemacht. Nicht so die Victoria, die ihr erstes Motorrad nach dem Erwerb des Führerscheines 1927 gewesen war und auch ihre Triumph sei gut gelaufen, "das war damals die beste Marke". Bis zu ihrer Heirat hat sie bei Ardie gearbeitet, "Zuverlässigkeitsfahrten und kleine Rennen" fuhr sie allerding mit Maschinen von Hecker sowie Scharrer & Groß.
1940 ging Thea Fischer zur Reichspost, wo sie als motorisierte Postbotin schwere Zündapp-Gespanne fuhr. Nach Kriegsende stieg sie auf das Auto um und hat sich zusammen mit ihrem Mann einen "Kleinschnittger" gekauft. Ihr neues Hobby wurde die Fliegerei.
Rekonstruktion eines Zündapp-Feuerwehrgespannes wie es in der Zeit zwischen 1943 und 1945 als Meldefahrzeug im Nürnberger Stadtgebiet eingesetzt war. Mit einem Motorradgespann gab es für die Feuerwehr häufig eher ein Durchkommen durch die zerstörten Straßen, um sich so jeweils vor Ort ein Bild der Lage machen zu können. Das hier gezeigte Gespann wurde in den Werkstätten der Berufsfeuerwehr Nürnberg aufgebaut.
Alle bis ca. 1940 für Kriegszwecke eingesetzten Motorräder – nicht nur die von Zündapp – waren konzeptionell Zivilmaschinen und daher für militärische Zwecke oft nur bedingt geeignet.
Kriegseinsatz 1941.Museum Industriekultur, Museen der Stadt Nürnberg
Der Entwicklungsauftrag für ein schweres Krad an Zündapp zielte auf ein reines Kriegsfahrzeug für den harten Truppeneinsatz. Etwas grundsätzlich Neues musste her. Kraftquelle war ein 750ccm Zweizylinder-Viertakt-ohv-Boxermotor mit 26 PS. Einige der vielen technischen Besonderheiten waren ein Vierganggetriebe mit zusätzlichem Gelände- und Rückwärtsgang sowie ein Kardan-Ausgleichsgetriebe für Hinter- und Seitenwagenrad und hydraulische Bremsen.
Zündapp-Werbeslogan, 1942.Museum Industriekultur, Museen der Stadt Nürnberg
18.000 Maschinen dieses Typs gingen an die Wehrmacht. Der Seitenwagen wurde von der Nürnberger Firma Steib entwickelt und produziert.
Heute sind diese Maschinen bei Sammlern sehr gesucht.
In den ersten Nachkriegsjahren, noch erlaubten die Sportgesetzte die Teilnahme von Kompressormaschinen an Straßenrennen, baute der Fürther Gespann-Rennfahrer Oskar Pillenstein mit Unterstützung von Zündapp dieses Kopressor-Gespann auf der Basis der KS-Modelle. Für Einsätze in der großen Gespannklasse verwendete er Motor und Rahmen der Zündapp KS600, dazu eine BMW Hinterradfederung sowie Gabel und Bremsen von der KS750. Der mit einem Roots-Kompressor aufgerüstete Motor war derart leistungsstark, dass der Motorenprüfstand bei Zündapp überfordert war. Allerdings ließ die Zuverlässigkeit sehr zu wünschen übrig, weshalb man bei Zündapp dem Experiment skeptisch gegenüber stand. Dennoch gewann der Nürnberger Loni Neußner 1949 die Deutsche Gespannmeisterschaft der Privatfahrer in der 600er Klasse. Werksseitig beteiligte sich Zündapp erst ab 1950 wieder am Sport.
Unmittelbar nach Kriegsende hatten die alliierten Besatzer den Bau von Motorrädern generell verboten. Die Freigabe erfolgte dann schrittweise mit steigender Hubraumbegrenzung. Als dann der Alliierte Kontrollrat die Begrenzung auf auf 250 ccm anhob, wurde bei Zündapp 1947 der Bau der bewährten DB 200 wieder aufgenommen. Sie war keine Neuentwicklung, sondern eine Neuauflage des Vorkriegsmodells von 1935.
Fertige DB 200 zur Ablieferung an die Einfahrabteilung.Museum Industriekultur, Museen der Stadt Nürnberg
Bis 1949 waren 15.000 Maschinen dieses Typs verkauft – ein guter Neueinstieg für Zündapp. Die erneute Entscheidung für ein "Motorrad für Jedermann" sollte sich als richtig erweisen: die DB200 und die Nachfolgemodelle kamen als ausgesprochene Gebrauchsmaschinen auf den größten Zulassungsanteil in der 200ccm-Klasse bis 1953.
Mit großer Intensität wurde in den Jahren von 1948 bis 1953 bei Zündapp in Nürnberg an der Entwicklung einer 250 ccm Viertakt-Boxermaschine gearbeitet, wahrscheinlich um eine kleine und damit kostengünstige Variante des "Grünen Elefanten" anbieten zu können. Die ausladende Heckverkleidung hat Ähnlichkeit mit dem damals ebenfalls in Entwicklung stehenden Bella-Roller. Die sich bereits abzeichnende Zweiradkrise verhinderte schließlich eine Serienfertigung der B 250.
Der legendäre "grüne Elefant", die Zündapp KS 601, hier aus dem Baujahr 1953, ist das wohl bekannteste Motorrad aus Nürnberger Produktion. Den tierischen Beinamen, der zu einem festen Begriff wurde, erhielt die Maschine durch einen Testbericht in der Zeitschrift "Motorrad". Das Zündapp-Spitzenmodell war sportlich sehr erfolgreich und als Gespann besonders bei Polizei und Grenzschutz beliebt.
Das hier präsentierte Schnittmodell stammt aus dem Nachlass der Firma Zündapp und diente einst zur Händler- und Kundendienstschulung sowie für Messen. Zündapp hatte ein umfangreiches und dichtes Händlernetz aufgebaut, das nicht zuletzt ein Baustein für den großen Erfolg gerade dieses Motorradherstellers war.
Ernst Schmidt der Vater des "Grünen Elefanten".Museum Industriekultur, Museen der Stadt Nürnberg
Ernst Schmidt (1905 – 1993) – Vater des Grünen Elefanten
Nach dem Abschluss des Studiums zum Maschinenbau-Ingenieur, begann Ernst Schmidt seine berufliche Laufbahn bei Faber-Castell. Nach einer Zwischenstation in Berlin, stieg er bei Zündapp ein, wo er 1936 Chefkonstrukteur wurde. Zuerst befasste er sich mit der Konstruktion eines Gespannes für den Einsatz in extremem Gelände, der "K 500" und der "KS 500". Wichtiger und für Zündapp von großer Bedeutung war die Entwicklung eines Flugmotors im "geheimen Sonderauftrag". Das Ergebnis, ein luftgekühlter 2000ccm Vierzylinder-Reihenmotor, war auf Anhieb erfolgreich und errang eine Reihe von Rekorden wie Geschwindigkeits-, Höhen- und Langstreckenflugrekorde. Nach einem Intermezzo bei NSU, wo er 1939 das Kettenkrad entwickelte, kehrte Ernst Schmidt 1945 wieder zu Zündapp zurück.
Als man dann hier wieder Motorräder bauen durfte, begann die Arbeit an seiner wohl wichtigsten Entwicklung, der "KS 601", die später als "Grüner Elefant" einen Ehrenplatz in der Geschichte der Nürnberger Motorradindustrie einnehmen sollte. Wenig später schuf er den eleganten Motorroller "Bella", der sich am italienischen Vorbild, der "Vespa", orientierte und damit genau den Zeitgeschmack traf. Als letztes Projekt dieser Ära stammt der Prototyp eines 250 ccm Viertakt-Boxers mit eleganter Blechverkleidung aus seiner Feder. Zur Serienfertigung dieser "B 250" kam es dann allerdings nicht mehr.
Von diesem Wettbewerbsmodell wurden insgesamt nur zwei Exemplare für den vielfachen Deutschen Meister Günther Sengfelder gebaut. Sengfelder war Werksfahrer bei Zündapp und darüber hinaus langjähriger Mitarbeiter in der Entwicklung. Nach dem Ende von Zündapp in Nürnberg und der Verlagerung nach München 1958 leitete Günther Sengfelder das Konstruktionsbüro Nürnberg (KBN), das Zündapp in Nürnberg belassen hatte.
Das Motorradmuseum Nürnberg im Museum Industriekultur.Museum Industriekultur, Museen der Stadt Nürnberg
Das Motorradmuseum Nürnberg im Museum Industriekultur
Bis Mitte der 1950er Jahre liefen die "Legenden in Chrom und Stahl" von den Bändern der Zweiradwerke. Mit der dann einsetzenden Zweiradkrise verblasste der Ruhm der "Grünen Elefanten", der "Bosse" und der "Bergmeister". Die Zeit des Automobils begann.
Im Museum sind rund 130 Motorrad-Oldies zu sehen – alle aus Nürnberger Produktion.
motorradmuseum-nuernberg.de/
Kuration und Texte: Matthias Murko
Realisierung: Brigitte List
Mehr zur Geschichte der Nürnberger Motorradindustrie findet sich im Begleitbuch zum Nürnberger Motorradmuseum
Matthias Murko: Motorrad-Legenden
Erweiterte und vollständig überarbeitete Neuauflage
Tümmel Verlag, Nürnberg 2014
978-3-921590-27-0
Interessiert am Thema „Science“?
Mit Ihrem personalisierten Culture Weekly erhalten Sie Updates
Fertig!
Sie erhalten Ihr erstes Culture Weekly diese Woche.