Bilder reisen um die Welt. Die Erfindung der Bildtelegrafie

Bilder werden heute mit dem Smartphone verschickt. Vor dem digitalen Zeitalter ist dafür eine aufwendige Technik nötig – die Bildtelegrafie. Ab der ersten elektronischen Bildübertragung 1847 bis in die 1980er Jahre arbeiten Erfinder an der Verbesserung der Technik. Schon in den 1920er Jahren sind internationale Bildsendungen möglich. Hier erfahren Sie, wie die Bilder das Reisen lernen und wer es ihnen beibringt!

Fotografie "Caselli-Bildtelegramm von Paris nach LeHavre, um 1867" (um 1910)Museum für Kommunikation Berlin, Museumsstiftung Post und Telekommunikation

Elektrische Bilder

Am Anfang steht die technische Herausforderung: Wie können Bilder in elektrische Impulse umgewandelt und auf der Empfangsseite wieder zusammengesetzt werden? Ab 1843 experimentieren Erfinder weltweit mit elektrischen Tinten und Abtastapparaten. Ende des 19. Jahrhunderts gibt es dann erste Geräte, die Handschriften und Zeichnungen übertragen. Damit beginnt die Erfolgsgeschichte der Bildtelegrafie.

Kopiertelegraf "Teleautograph", Geber (rechts) und Empfänger (links) (um 1890)Museum für Kommunikation Berlin, Museumsstiftung Post und Telekommunikation

Kopiertelegrafen übertragen Schreibbewegungen in Stromwerte und „fernkopieren“ sie im Empfänger mit Hilfe eines mechanischen Schreibwerks. Handschriften und Zeichnungen können damit direkt über die Telefonleitung verschickt werden – bis zu 500 km weit.

Kopiertelegraf "Fernschreiber System Lichtschrift" (1905) von Kopier-Telegraph GmbH (*1901)Museum für Kommunikation Berlin, Museumsstiftung Post und Telekommunikation

Gustav Grzanna entwickelt ein neues Verfahren für die Wiedergabe der empfangenen Stromwerte. Sein „Teleautograph“ wandelt sie in „Lichtschrift“ um und reproduziert das Teleautogramm fotografisch.

Jeder Punkt auf der Schreibfläche entspricht einer bestimmten Stromstärke. Die Position des Schreibstiftes wird so in aufeinanderfolgenden Stromstößen an den Empfänger übermittelt.

Geschlossen ist der Empfänger eine Dunkelkammer. Von den gesendeten Stromstößen bewegt, lenken zwei kleine Spiegel einen Lichtstrahl über Fotopapier und zeichnen die Nachricht als „Lichtschrift“ auf.

Ein Elektromotor befördert die lichtgeschriebene Nachricht dann zum seitlichen Ausgabeschlitz und fixiert sie unterwegs mit Entwicklerflüssigkeit – alles vollautomatisch.

Kopiertelegraf "Teleautograph", Sende- und Empfangsgerät (um 1905)Museum für Kommunikation Berlin, Museumsstiftung Post und Telekommunikation

Arthur Korn nutzt für die Aufzeichnung und Wiedergabe der Bildinformationen einen gleichförmigen Ablauf. Er verwendet dazu zwei rotierende Zylinder. Einen im Sender und einen im Empfänger.

Die Nachricht wird vor dem Sendevorgang mit Tinte auf Zinkfolie geschrieben. Dadurch setzt sich ihre Oberfläche aus elektrisch leitenden und nicht leitenden Stellen zusammen.

Im Sender wird die Vorlage auf einen Drehzylinder gespannt und von Metallstiften spiralförmig als Linienraster abgetastet. Wenn sie auf beschriebene Stellen stoßen, dann unterbricht der Stromfluss.

Auf einem gleichlaufenden Zylinder wird mit diesen Informationen im Empfänger ein Negativ belichtet. Dadurch setzt sich das Linienraster zu einer fotografischen Kopie der Sendevorlage zusammen.

Fotografie "Prinz-Regent Luitpold von Bayern" und Fototelegramme mit einer Sendedauer von 12 (Mitte) und 24 (rechts) Minuten, veröffentlicht in der "Illustrierten Zeitung" vom 26. Oktober 1905 (1904) von Arthur Korn (1870 - 1945)Museum für Kommunikation Berlin, Museumsstiftung Post und Telekommunikation

Die Fototelegrafie

1904 gelingt Arthur Korn die weltweit erste elektrische Übertragung einer Fotografie. Er nutzt dafür das von ihm entwickelte „lichtelektrische Verfahren“. Die beiden rotierenden Zylindern und die fotografische Aufzeichnung des „Teleautographen“ bleiben erhalten, doch wird im Sender nun eine transparente Bildfolie durchleuchtet. Die wechselnden Helligkeitswerte des Durchlichtes registriert Korns Bildtelegraf mit Hilfe des Halbmetalls Selen als Stromwerte, deren Spannung den Tonwerten der Fotografie entspricht. Sie belichten im Empfänger ein Negativ. Das Selen reagiert jedoch nur träge auf das Licht. Die Folge sind eine lange Sendedauer und ein mäßiges Ergebnis.

Fotografie "Eröffnung der Bildtelegrafie zwischen Berlin und Wien" (01.12.1927) von Deutsche Reichspost (1918 - 1945)Museum für Kommunikation Berlin, Museumsstiftung Post und Telekommunikation

1923 entwickelt August Karolus eine hochsensible Fotozelle. Mit besserer Sendequalität und verkürzter Sendedauer macht er die Bildtelegrafie marktfähig. Das „System Karolus-Telefunken“ führt 1927 zur Einrichtung der ersten ständigen Bildtelegrafenlinie in Deutschland.

Fotografie "Vorbereitung eines Bildtelegramms mit einem tragbaren Sendegerät" (nach 1936) von Deutsche Reichspost (1918 - 1945)Museum für Kommunikation Berlin, Museumsstiftung Post und Telekommunikation

Dank moderner Fotozellen können Fotografien direkt auf den Sendezylinder gespannt werden. Die Lichtreflexion direkter Beleuchtung ist für eine qualitative Bildsendung ausreichend.

Werbeanzeige in der Broschüre "Was ist, was will, was kann der Fultograph" (1929) von Deutsche Fultograph Gesellschaft mbH (*1928)Museum für Kommunikation Berlin, Museumsstiftung Post und Telekommunikation

Frühes Multimedia

Ende der 1920er Jahre verspricht der Bildrundfunk moderne Zeiten. Radiostationen und Funkdienste strahlen Bildsignale über Rundfunk aus, die zu Hause von speziellen Bildfunk-Empfängern empfangen werden. Direkt an das Radiogerät angeschlossen, bilden sie zusammen mit einem Gleichrichter frühe Multimedia-Anlagen. Allerdings nur für kurze Zeit. Wenige Jahre später wird der Bildrundfunk wegen schlechter Verkaufszahlen wieder eingestellt.

Bildfunk-Empfänger "Fultograph", Deutsche Fultograph Gesellschaft mbH (*1928), nach 1928, Aus der Sammlung von: Museum für Kommunikation Berlin, Museumsstiftung Post und Telekommunikation
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Der „Fultograph“ bringt die Rundfunk-Bilder direkt ins Wohnzimmer. Fotochemisch reproduziert er die Bildsignale dazu auf Spezialpapier.

Funkbild-Wetterkarte des öffentlichen Wetterdienstes in Frankfurt/M., 10.11.1925, Aus der Sammlung von: Museum für Kommunikation Berlin, Museumsstiftung Post und Telekommunikation
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Für den Wetterdienst ist der Bildrundfunk revolutionär. Nun können aktuelle Wetterkarten verschickt werden, in denen meteorologische Daten eingezeichnet und notiert sind.

Fotografie "Sonderbildtelegrafenstelle in Berlin" (1939) von Deutsche Reichspost (1918 - 1945)Museum für Kommunikation Berlin, Museumsstiftung Post und Telekommunikation

Öffentliche Bildstellen

In den 1930er Jahren baut die Deutsche Reichspost den Bildtelegrammdienst mit öffentlichen Bildstellen aus. Sie sind sozusagen das „Reisebüro“ der Bilder und verhelfen der Bildtelegrafie zu Popularität. Unterbrochen durch den Zweiten Weltkrieg nehmen die Bildstellen ab 1950 wieder ihren Betrieb auf. Aufgrund der zunehmenden Konkurrenz neuer Bildmedien – vor allem des Telefaxdienstes – wird der Bildtelegrammdienst 1984 bundesweit eingestellt.

Bildtelegraf, ortsfestes Empfangsgerät (vor 1939) von Siemens & Halske AG (1897 - 1966); Deutsche Reichspost (1918 - 1945)Museum für Kommunikation Berlin, Museumsstiftung Post und Telekommunikation

Zusammen mit der Reichspost entwickelt Siemens & Halske ab 1936 zwei neue Bildgeräte. Der ortsfeste Bildempfänger wird zum Standartgerät der öffentlichen Bildstellen.

Bildtelegraf, tragbarer Sendekoffer (1936) von Siemens & Halske AG (1897 - 1966); Deutsche Reichspost (1918 - 1945)Museum für Kommunikation Berlin, Museumsstiftung Post und Telekommunikation

Mit dem tragbaren Sendekoffer wird die Bildtelegrafie mobil. Temporäre Bildstellen erweitern nun den Bildtelegrammdienst.

Fotografie "Übertragung eines Bildtelegramms mit einem tragbaren Bildsender", Deutsche Reichspost (1918 - 1945), Mrz 39, Aus der Sammlung von: Museum für Kommunikation Berlin, Museumsstiftung Post und Telekommunikation
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Die öffentlichen und mobilen Bildstellen erhöhen das Interesse an der Bildtelegrafie. Von 1934 bis 1939 steigt die Anzahl der jährlich aufgegebenen Bildtelegramme von 200 auf 40.000.

Bildtelegramm "Grüße vom Onkelchen", Deutsche Reichspost (1918 - 1945), 16.11.1937, Aus der Sammlung von: Museum für Kommunikation Berlin, Museumsstiftung Post und Telekommunikation
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Neben Presseagenturen, Zeitungen und Unternehmen nutzen zunehmend auch Privatkunden den Bildtelegrammdienst für persönliche Bild-Grüße an die Lieben in der Ferne.

Bildtelegraf "Fsend 100", Sendegerät (nach 1951) von Rudolf Hell KG (1929 - 1971)Museum für Kommunikation Berlin, Museumsstiftung Post und Telekommunikation

Die Rudolf Hell KG etabliert sich in den Nachkriegsjahren als führender Hersteller von Bildgeräten in Deutschland. Speziell für die Bundespost entwickelt das Unternehmen 1951 die schrankförmigen F-Typen.

Bildtelegraf "CAFtrans 993" (ab 1956) von Rudolf Hell KG (1929 - 1971)Museum für Kommunikation Berlin, Museumsstiftung Post und Telekommunikation

Mitte der 1950er Jahre folgen mit der C-Reihe kompakte Geräte. Mit zwölf verschiedenen Modellen reagiert die Rudolf Hell KG auf den sprunghaft angestiegenen Markt für Bildgeräte.

Fotografie "Bildstelle im Telegrafenamt in Frankfurt" (28.01.1963) von Deutsche Bundespost (DBP) (1949 - 1994)Museum für Kommunikation Berlin, Museumsstiftung Post und Telekommunikation

Anfang der 1960er sind die Bildstellen der Bundespost vollständig mit Hell-Bildgeräten ausgestattet.

Fotografie "Einsetzen einer Bildtrommel in der Bildstelle in Frankfurt", Fermeldetechnisches Zentralamt Darmstadt (1949 - 1992), 14.07.1964, Aus der Sammlung von: Museum für Kommunikation Berlin, Museumsstiftung Post und Telekommunikation
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Der „CAFtrans 993“ ist vielfach einsetzbar – auch für den wachsenden internationalen Bildverkehr mit abweichenden Standards. Zusätzlich erhöhen Testbilder die Qualität weltweiter Bildsendungen.

Testbild der Deutschen Bundespost für den internationalen Bildtelegrafendienst, Telegrafenamt Frankfurt (1950 - 1984); Fermeldetechnisches Zentralamt Darmstadt (1949 - 1992), 1958, Aus der Sammlung von: Museum für Kommunikation Berlin, Museumsstiftung Post und Telekommunikation
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In addition, test images increased the quality of image transmissions worldwide.

tragbarer Bildtelegraf "Picture Transmitter K-220-AM" (um 1954) von Muirhead & Co. Ltd. (1904 - 1999)Museum für Kommunikation Berlin, Museumsstiftung Post und Telekommunikation

Bilder für das „Global Village“

Die Bildtelegrafie verändert den Journalismus nachhaltig. Tagesaktuelle Bilder aus der ganzen Welt erreichen über Draht- und Funkverbindungen die Presseagenturen in wenigen Minuten.

Vor allem tragbare Sendegeräte sind für Presseagenturen wie die „dpa“ unverzichtbar. Sie senden ein Foto innerhalb von 12 Minuten über Kurzwelle um die Welt.

Bildsendekoffer "Dixel 2000" (um 1991 - 1994) von Hasselblad AB (gegr. 1941)Museum für Kommunikation Berlin, Museumsstiftung Post und Telekommunikation

Ab 1984 führt die digitale Fotoübertragung den Journalismus in ein neues Medienzeitalter. Zunächst ersetzen Bildübertragungsgeräte wie der „Dixel 2000“ von Hasselblad die Bildtelegrafie. Ab 1991 werden sie ihrerseits von Digitalkameras und Laptops abgelöst.

Faksimileschreiber "Siemens-Hell-Fax KF-108" (ab 1956) von Siemens & Halske AG (1897 - 1966); Rudolf Hell KG (1929 - 1971)Museum für Kommunikation Berlin, Museumsstiftung Post und Telekommunikation

Vom Faksimile zum Fax

Auch im geschäftlichen und privaten Bereich verdrängen neue Techniken die Bildtelegrafie. Den ersten Schritt macht das Siemens-Hell-Fax „KF 108“. Es zeichnet die Sendung direkt auf Normalpapier und erleichtert damit den schnellen Austausch von Bildern und Textdokumenten. Begrifflich greift „Fax“ auf die Idee eines elektrischen Faksimiles zurück, die bereits im 19. Jahrhundert von den Pionieren der Bildtelegrafie verfolgt wird.

Fernkopierer "MT 21", 3M Deutschland GmbH (*1951); Deutsche Bundespost (DBP) (1949 - 1994), ab 1979, Aus der Sammlung von: Museum für Kommunikation Berlin, Museumsstiftung Post und Telekommunikation
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Am 1. Januar 1979 eröffnet in Deutschland der Telefaxdienst. Mit automatischem Einzug und bedienungsfreundlichem Tastenblock gehören „Fernkopierer“ schnell zum Alltag – nicht nur im Büro.

Fernkopierer "6510 SAF", Infotec (1972 - 2010); Hoechst AG (1863 - 2005), 1987, Aus der Sammlung von: Museum für Kommunikation Berlin, Museumsstiftung Post und Telekommunikation
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Digitale Faxgeräte mit Nachrichtenspeicher und Rundmail-Funktion verdrängen die Bildtelegrafie schließlich vollständig. Am 1.12.1984 wird der Bildtelegrammdienst bundesweit eingestellt.

Mitwirkende: Geschichte

Bilder reisen um die Welt. Die Erfindung der Bildtelegrafie

Eine virtuelle Ausstellung der Museumsstiftung Post und Telekommunikation.

Kurator: Joel Fischer

Alle Objekte aus dem Bestand der Museumsstiftung Post und Telekommunikation.

www.museumsstiftung.de

Quellen:
Rolf Barnekow u. Manfred Bernhardt: Die Vorläufer der Telefaxgeräte, in: Post- und Telekommunikationsgeschichte, Heft 1, 1995, S. 57–62.

Joel Fischer: Das "Zauberkabinett der Technik". Gustav Grzannas Kopiertelegraf "Fernschreiber System Lichtschrift", in: Das Archiv. Magazin für Kommunikationsgeschichte, Heft 1, 2018, S. 76-79.

Bernd Flessner: Bilder aus der Ferne. Die Entwicklung der Bildtelegrafie, in: Das Archiv. Magazin für Kommunikationsgeschichte, Heft 1, 2012, S. 28–33.

Roland Gööck: Die großen Erfindungen. Nachrichtentechnik, Elektronik, Künzelsau 1988.

Bildtelegraphie. Eine Mediengeschichte in Patenten (1840–1930), hrsg. v. Albert Kümmel-Schnur u. Christian Kassung, Bielefeld 2012.

Franz Pichler: Elektrische Bilder aus der Ferne. Technische Entwicklung von Bildtelegraphie und Fernsehen bis zum Jahre 1939.

Handbuch der Bildtelegraphie und des Fernsehens, hrsg. v. Fritz Schröter, Berlin 1932.

Quelle: Alle Medien
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