Das Mysterium der verbrannten Klimt-Werke

Abtransport einer der Strudl-Standbilder aus dem Prunksaal in die Bergung (1943)Österreichische Nationalbibliothek

In den letzten Kriegstagen verbrannten im niederösterreichischen Schloss Immendorf neben zahlreichen anderen wertvollen Kunstgegenständen aller Wahrscheinlichkeit nach auch Hauptwerke von Gustav Klimt aus der Sammlung Lederer.

1942 wurde im „Dritten Reich“ mit den Vorbereitungen zur Bergung gefährdeter Kulturgüter begonnen. Diese wurden an verschiedenen Standorten, an denen die Wahrscheinlichkeit einer Bombardierung gering war, deponiert.

Bergung der Bestände im Prunksaal der Nationalbibliothek (1943)Österreichische Nationalbibliothek

Dieser Maßnahme wurden beispielsweise auch Teile des Bestands der Österreichischen Nationalbibliothek unterzogen.

Bergung Karls VI. (1943) von UnbekanntÖsterreichische Nationalbibliothek

Bergung der Bestände der Nationalbibliothek in einem Keller der Hofburg (1943)Österreichische Nationalbibliothek

Schloss Immendorf (1936) von Heinrich SeeringÖsterreichische Nationalbibliothek

Als einer der Bergungsorte in Niederösterreich wurde Schloss Immendorf ausgewählt, das sich im Besitz der Familie Freudenthal befand. Ab 1942 fanden mehrere Transporte von Kunstgegenständen nach Immendorf statt. Die Übergabelisten enthalten nur wenige Angaben zu den einzelnen Objekten, und es wurde auch keine Fotodokumentation angelegt. Deshalb ist bis heute nicht eindeutig geklärt, welche Werke sich tatsächlich dort befanden.

1945 wurde das Schloss durch einen Brand zerstört. Die Umstände sind bis heute ungeklärt. Man vermutet, dass in den letzten Kriegstagen eine Einheit der Division „Feldherrnhalle“ im Schloss Quartier bezogen hatte, die aufgrund der sich nähernden „Roten Armee“ am 8. Mai 1945 aus Immendorf abzog. In den vier Ecktürmen des Schlosses wurden jedoch Sprengsätze mit Zeitzündern versteckt. Als dann die „Rote Armee“ in das Schloss einzog, wurden diese zeitversetzt gezündet. Schlussendlich brach ein Feuer aus, und es wird allgemein angenommen, dass alle im Schloss gelagerten Kunstgegenstände verbrannten. Doch eventuell konnten in den Phasen zwischen den Explosionen Kunstwerke aus dem Gebäude gebracht werden. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs fanden keine gezielten Grabungen auf dem Gelände statt, und die Schlossruine wurde eingeebnet.
Ein Großteil der Klimt-Forscherinnen und -Forscher vermutet, dass mindestens zehn Werke aus der Sammlung Lederer auf Schloss Immendorf verbrannten.

Serena Lederer (nach 1903) von Martin GerlachÖsterreichische Nationalbibliothek

Die Sammlung von August und Serena Lederer ist als die wichtigste und größte Privatsammlung von Werken Gustav Klimts bekannt. Sie beinhaltete nicht nur Gemälde, sondern auch eine Vielzahl von Zeichnungen aus dem Nachlass Klimts.

1892 heiratete der Großindustrielle August Lederer, der Spiritusfabriken besaß, Serena Pulitzer, zu deren Verwandten der bekannte amerikanische Journalist und Verleger Joseph Pulitzer gehörte. Das Paar besaß mehrere Wohnsitze, unter anderem eine Wohnung in der Bartensteingasse 8 im 1. Wiener Gemeindebezirk, in der sich die Klimt-Sammlung befand.

Serena Lederer (nach 1903) von Martin GerlachÖsterreichische Nationalbibliothek

Hier war sowohl das Gemälde Serenas zu sehen als auch das Gemälde der Tochter Elisabeth, verheiratete Bachofen-Echt.

Gemälde "Charlotte Pulitzer" (1915) von Gustav Klimt (nach 1915) von Moriz NährÖsterreichische Nationalbibliothek

Klimt malte zusätzlich noch ein Porträt von Serena Lederers Mutter Charlotte Pulitzer. Seit der NS-Zwangsverwaltung der Sammlung Lederer im Jahr 1943 gilt das Gemälde als verschollen.

Der linke Seitensaal mit dem Beethoven-Fries von Gustav Klimt während der 14. Ausstellung der Wiener Secession (1902) von Moriz NährÖsterreichische Nationalbibliothek

Eine Leidenschaft der Lederers war das Sammeln von Kunst im großen Stil. Mit Klimt verband sie auch eine enge Freundschaft. So halfen sie dem Maler, finanzielle Schwierigkeiten zu überwinden, und kauften beispielsweise 1915 vom Mäzen und Großindustriellen Carl Reininghaus den 34 Meter langen „Beethovenfries“, den Klimt 1902 für die „Beethovenausstellung“ in der Wiener Secession angefertigt hatte.

Schloss Immendorf (1936) von Heinrich SeeringÖsterreichische Nationalbibliothek

Serena Lederer, die ab 1936 verwitwet war, wurde 1938 von den Nationalsozialisten enteignet. Sie floh nach Ungarn, wo sie 1943 verstarb. In diesen Jahren brachte man einen Teil der Sammlung Lederer in das Schloss Immendorf, um die Kunstwerke vor Bombenangriffen zu schützen.

Das Gemälde "Gastein" (1917) von Gustav Klimt (1917) von Moriz NährÖsterreichische Nationalbibliothek

Manche Forscherinnen und Forscher bezweifeln allerdings die Anzahl der Klimt-Werke aus der Sammlung Lederer, die auf Schloss Immendorf verbrannten. Aufgrund von Abweichungen in den Lager- und Transportlisten sei nicht auszuschließen, dass einige Gemälde aus der Sammlung vielleicht gar nicht nach Immendorf gelangt waren und somit der Katastrophe entgangen sein könnten, etwa „Gastein“ (1917), „Malcesine am Gardasee“ (1913) sowie „Aus dem Reich des Todes (Zug der Toten)“ (1903).

Gemälde 'Philosophie' von Gustav Klimt (um 1900) von Moriz NährÖsterreichische Nationalbibliothek

Als sicher verloren gelten die drei großformatigen Fakultätsbilder von Klimt, die in Immendorf deponiert waren. Sie waren einst vom Künstler für den Festsaal der Wiener Universität gemalt worden. Von diesen waren „Die Jurisprudenz“ und „Die Philosophie“ im Eigentum des Ehepaars Lederer gewesen.

Gemälde "Jurisprudenz" von Gustav Klimt (1903) von Moriz NährÖsterreichische Nationalbibliothek

Gemälde 'Allegorie der Medizin' von Gustav Klimt (nach 1901) von Moriz NährÖsterreichische Nationalbibliothek

„Die Medizin“ hatte sich in der Sammlung der Österreichischen Galerie (heute Belvedere) befunden. Das Werk wurde aus Sicherheitsgründen ebenfalls nach Immendorf transportiert und verbrannte dort 1945.

99. Ausstellung der Wiener Secession (1928) von Handwerkliches Lichtbild Julius ScherbÖsterreichische Nationalbibliothek

In Immendorf wurden alle deponierten Kunstwerke in ihren Rahmen belassen, denn die hohen Räume im Schloss konnten großformatige Gemälde problemlos beherbergen. Aufgrund der enormen Größe der Fakultätsbilder (430 × 300 cm) wäre ein rascher Abtransport während der Ereignisse im Schloss 1945 kaum möglich gewesen. Dies unterstützt die allgemeine Annahme, dass die drei Gemälde Klimts nicht gerettet wurden.

Serena Lederer (nach 1903) von Martin GerlachÖsterreichische Nationalbibliothek

Zu den verbrannten Werken zählte auch das Gemälde „Apfelbaum mit goldenen Äpfeln“, das sich im Salon von Serena Lederer in der Bartensteingasse 8 befunden hatte.

In Serena Lederers Salon war auch das Gemälde „Das Mädchen im Profil“, auch „Wally“ genannt, zu bewundern gewesen. Es wurde ebenfalls nach Immendorf gebracht.

Gemälde "Die Musik" (1897/1898) von Gustav Klimt (after 1898) von Moriz NährÖsterreichische Nationalbibliothek

Die Supraporte „Musik“ war vor ihrem Transport nach Immendorf zusammen mit anderen Werken aus der Klimt-Sammlung von August und Serena Lederer in der Secession ausgestellt. Das Gemälde war ursprünglich für den Musiksalon von Nikolaus Dumba entstanden, der den Raum von Klimt gestalten und das Werk oberhalb der Tür anbringen ließ.

Nikolaus Dumba in seinem Arbeitszimmer sitzend (c. 1890)Österreichische Nationalbibliothek

Nikolaus Dumba (1830–1900) war ein österreichischer Industrieller, der als wichtiger Kunstmäzen und -sammler sowie Förderer des Musiklebens in Wien galt. So beauftragte er beispielsweise den Maler Hans Makart mit der Ausgestaltung seines Arbeitszimmers.

Schloss Immendorf (1936) von Heinrich SeeringÖsterreichische Nationalbibliothek

Noch heute wird intensiv daran gearbeitet, die Ereignisse in Immendorf zu rekonstruieren, und die Suche nach Werken, die möglicherweise vor dem Brand aus dem Schloss gerettet werden konnten, geht weiter.

Mitwirkende: Geschichte

Quelle: Alle Medien
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