Enigma, Lorenz-Geheimschreiber, Doppelwürfel sind Verschlüsselungsgeräte im zweiten Weltkrieg. Doch wie funktionierten die verschiedenen Systeme und warum war die mechanische Codierung so wichtig für die Kriegskommunikation?

Rotor-Chiffriermaschine "Enigma I" mit drei Walzen (1936) von Chiffriermaschinen-Gesellschaft Heimsoeth & Rinke (1934 - 1945)Museum für Kommunikation Frankfurt, Museumsstiftung Post und Telekommunikation

Die Enigma wird 1918 von Arthur Scherbius entwickelt, doch das deutsche Militär hat kein Interesse. Erst 1930 setzen Reichswehr und Kriegsmarine die Enigma ein, denn im Ersten Weltkrieg wurden ihre manuellen Chiffrierverfahren entschlüsselt. Die maschinelle Verschlüsselung scheint hingegen sicher.

Beim Verschlüsseln wird der Text über die Schreibmaschinentastatur eingegeben.

Bei jedem Tastendruck fließt Strom durch die unregelmäßig verdrahteten Walzen. Dann drehen sich die Walzen um eine Position weiter, so dass der Strom beim nächsten Buchstaben einen anderen Weg nimmt.

Mit den Kabeln des Steckerfeldes lassen sich Buchstaben miteinander vertauschen. Eine Änderung der Kabelverbindungen bringt die Buchstaben zusätzlich durcheinander.

Nach Drücken einer Taste leuchtet am Ende des Stromweges durch die Enigma eine Glühlampe auf: Sie zeigt den verschlüsselten Buchstaben an.

Fotografie von Generalfeldmarschall Heinz Guderian und einem Funker mit Chiffriergerät Enigma in mittlerem Funkpanzerwagen (Sd.Kfz. 251/3) während des Westfeldzuges in Frankreich im Mai 1940 (1940) von Eric Borchert (1911 - 1942)Museum für Kommunikation Frankfurt, Museumsstiftung Post und Telekommunikation

Die Enigma wird bei Wehrmacht, Luftwaffe und Kriegsmarine verwendet – wie hier während des Westfeldzuges in Frankreich. Auch die SS, Polizei, Geheimdienste, Reichspost, Reichsbahn und Auswärtiges Amt nutzen die Enigma. Insgesamt sind während des Kriegs auf deutscher Seite rund 50.000 Maschinen im Einsatz.

Schlüsseltabelle für die Enigma-Chiffrierung "Kenngruppentafel A (Ausgabe Juli 1936, Nr. 1393)" (1936) von Reichsdruckerei Berlin (1879 - 1949)Museum für Kommunikation Frankfurt, Museumsstiftung Post und Telekommunikation

Zum Verschlüsselungsverfahren gehören neben der Enigma auch Codetabellen. Zu Beginn jedes Funkspruchs wird die Ausgangsstellung der Walzen gesendet (Spruchschlüssel) und die Grundeinstellung von Walzen und Kabelsteckern bestätigt (Kenngruppe). Diese Daten werden mit Tabellen von Hand verschlüsselt.

Rotor-Chiffriermaschine "Enigma I" mit drei Walzen in Kasten aus "Panzerholz" (1941 - 1945) von Ertel-Werk für Feinmechanik (1921 - 1984)Museum für Kommunikation Frankfurt, Museumsstiftung Post und Telekommunikation

Die Enigma – auf Deutsch Rätsel – scheint mit 100 Quadrilliarden Kombinationen nicht entschlüsselbar zu sein. Im Zweiten Weltkrieg vertraut das deutschen Militär auf die durchdachte Konstruktion der Enigma – obwohl unerklärliche Erfolge der Gegner Zweifel hätten wecken müssen.

Fotografie von Henryk Zygalski, Jerzy Różycki und Marian Rejewski, Mathematiker der Universität Posen, (1932)Museum für Kommunikation Frankfurt, Museumsstiftung Post und Telekommunikation

Die Verschlüsselung der Enigma hat Schwächen – etwa wird nie ein Buchstabe zu sich selbst verschlüsselt. Daher kann man die Position vermuteter Wörter im Text erraten. Polnischen Mathematikern können so die Enigma entschlüsseln. Henryk Zygalski, Jerzy Różycki und Marian Rejewski gelingt es 1932, eine Formel für den Chiffriercode der Enigma zu errechnen und die Walzenverdrahtung zu rekonstruieren.

Notizen von Alan Turing zur Entzifferung der Enigma (1939 - 1942) von Alan Mathison Turing (1912 - 1954)Museum für Kommunikation Frankfurt, Museumsstiftung Post und Telekommunikation

Der Brite Alan Turing (1912-1954) ist herausragender Mathematiker und Computerpionier. Ab 1938 arbeitet er für den Geheimdienst GC&CS, der in Bletchley Park eine Entschlüsselungsfabrik aufbaut.

Notizen von Alan Turing zur Entzifferung der Enigma (1939 - 1942) von Alan Mathison Turing (1912 - 1954)Museum für Kommunikation Frankfurt, Museumsstiftung Post und Telekommunikation

In Bletchley Park entwickelt Turing mathematische Modelle, mit denen sich die Enigma entschlüsseln lässt. Mit seiner Turing-Bombe wird die Entschlüsselung automatisiert und auf wenige Stunden verkürzt.

Rotor-Chiffriermaschine "Enigma M4" mit vier Walzen in Marineausführung (1944) von Olympia Büromaschinenwerke AG (1936 - 1950)Museum für Kommunikation Frankfurt, Museumsstiftung Post und Telekommunikation

Die deutsche Kriegsmarine setzt ab Februar 1942 eine verbesserte Enigma mit vier statt drei Walzen ein. Sie kann erst im Dezember 1942 durch die Alliierten geknackt werden. Diese Entschlüsselung führt zum Sieg der Alliierten im U-Boot-Krieg und hat entscheidenden Einfluss auf den Zweiten Weltkrieg.

Fotografie einer Turing-Bombe in Bletchley Park (1944)Museum für Kommunikation Frankfurt, Museumsstiftung Post und Telekommunikation

Mit der Turing-Bombe wird die für diesen Tag gültige Grundeinstellung der Enigma ermittelt - die Reihenfolge der Walzen und ihre Startposition. Jede Bombe bildet mit 108 Walzen 36 Enigmas nach.

Fotografie einer Reihe von Turing-Bomben in Bletchley Park (1944)Museum für Kommunikation Frankfurt, Museumsstiftung Post und Telekommunikation

Mit Hilfe eines im Funkspruch vermutlich enthaltenen Wortes probiert die Turing-Bombe mit 60 Umdrehungen pro Minute alle möglichen Einstellungen nacheinander aus. Das dauert oft nur zwei Stunden.

Entzifferte Enigma-Nachricht des Oberkommandos der Wehrmacht an die eingekesselte Heeresgruppe Kurland (12. Feb 45) von Oberkommando der WehrmachtMuseum für Kommunikation Frankfurt, Museumsstiftung Post und Telekommunikation

Abhörstationen in ganz Großbritannien überwachen den gesamten Funkverkehr der Deutschen. Abgehörte Funksprüche wie dieser werden per Fernschreiben nach Bletchley Park übermittelt. Die dechiffrierten Funksprüche werden in Bletchley Park auf verwertbare Informationen überprüft – wie bei diesem Funkspruch des Oberkommandos der Wehrmacht an die eingekesselte Heeresgruppe Kurland vom 12. Februar 1945.

Fernschreib-Schlüsselmaschine "T 52b Geheimschreiber" mit dem alliierten Decknamen "Sturgeon" (1941 - 1942) von Siemens & Halske AG (1897 - 1966)Museum für Kommunikation Frankfurt, Museumsstiftung Post und Telekommunikation

Der Geheimschreiber wird im 2. Weltkrieg auf der Kommandoebene der deutschen Kriegsmarine und Luftwaffe verwendet. Der T52b verschlüsselt den 5-Bit-Baudot-Code des Fernschreibers.

Die zehn Walzen werden unregelmäßig weiterbewegt und erzeugen Pseudozufallszahlen, die mit dem Klartext verrechnet werden. Eine Verwürflerschaltung vertauscht dann die fünf verschlüsselten Bits miteinander.

Der T52b wird 1940 von schwedischen Kryptologen gebrochen; den britischen Codeknackern gelingt dies nur zum Teil.

"Schlüsselzettel" für das Reservehandverfahren (RHV) der deutschen Kriegsmarine (vor 1938 - 1945) von Oberkommando der Kriegsmarine (1935 - 1945)Museum für Kommunikation Frankfurt, Museumsstiftung Post und Telekommunikation

Das Reservehandverfahren wurde benutzt, wenn keine Enigma zur Verfügung stand. Der Klartext wird zeilenweise in die Tabelle eines „Kastenwürfels“ eingetragen und spaltenweise in unregelmäßiger Reihung ausgelesen. Das Ergebnis wird als „Buchgruppe“ in den Schlüsselzettel eingetragen und je zwei untereinander stehende Buchstaben werden mit einer Tauschtafel durch verschlüsselte Buchstaben ersetzt

Differenzbildungsgerät zur Dechiffrierung verschlüsselter Zahlen-Codes (um 1944)Museum für Kommunikation Frankfurt, Museumsstiftung Post und Telekommunikation

Die deutsche Abwehr verwendet das Differenzbildungsgerät zum Entschlüsseln abgehörter Funksprüche. Britische Agenten nutzen einen Fünfercode, zu dem jeweils dieselbe Zahl addiert wird. Am Differenzbildungsgerät werden abgehörte Fünfergruppen eingestellt, von denen dann die Zahlen von 0-9 abgezogen werden. Das Ergebnis wird auf Papier gedruckt, um unsinnige Kombinationen schnell zu erkennen.

Vorlage für den Rasterschlüssel 44 (RS44) der Deutschen Wehrmacht (1944)Museum für Kommunikation Frankfurt, Museumsstiftung Post und Telekommunikation

Der Rasterschlüssel 44 ist das sicherste Verschlüsselungsverfahren der Deutschen. 70% der Enigma-Nachrichten können die Alliierten entschlüsseln – für dieses scheinbar simple Handverschlüsselungsverfahren brauchen die Briten wenigstens zwei Wochen – wenn sie schon 40 Buchstaben des Textes kennen.

Schlüsselblock für den Rasterschlüssel 44 der Deutschen Wehrmacht (RS44) und vier Handschlüssel zum Üben (1944 - 1945)Museum für Kommunikation Frankfurt, Museumsstiftung Post und Telekommunikation

Beim Rasterschlüssel 44 wird die Buchstabenreihenfolge des Klartextes verwürfelt. Jeden Tag wird eine andere Rasterschablone verwendet.

In jeder Zeile sind 15 wechselnde Felder geschwärzt. Beim Verschlüsseln trägt man von einem beliebigen Startfeld aus den Text horizontal von links nach rechts ein.

Von einem anderen beliebigen Feld aus wird dann der Text spaltenweise von oben nach unten vertikal ausgelesen.

mechanische Chiffriermaschine "C38" (1938) von AB Cryptoteknik (gegr. 1932)Museum für Kommunikation Frankfurt, Museumsstiftung Post und Telekommunikation

Die mechanische C38 wird von dem schwedischen Kryptologen Boris Hagelin entworfen. Er beliefert während des Krieges Franzosen, Italiener, Japaner und die USA mit verschiedenen Versionen der C38.

mechanische Chiffriermaschine M-"209-B" der US-Armee (1942 - 1953) von L.C. Smith & Corona Typewriter Co. (1926 - 1953); United States Army (gegr. 1775)Museum für Kommunikation Frankfurt, Museumsstiftung Post und Telekommunikation

Die C38 ist im Zweiten Weltkrieg unter der Bezeichnung M-209 das Standardverschlüsselungsgerät des US-Militärs. Von diesem amerikanischen Gegenstück zur deutschen Enigma sind 140.000 Stück im Einsatz.

Fotografie US-amerikanischer Soldaten einer Joint Assault Signal Company (JASCO) mit einer Verschlüsselungsmaschine vom Typ M-209 (1945)Museum für Kommunikation Frankfurt, Museumsstiftung Post und Telekommunikation

Die tragbare M209 ist hier mit einer Nachrichteneinheit zur Koordination von Boden-, See- und Luftstreitkräften im Einsatz – bei der Invasion von Lingayen auf der philippinischen Insel Luzon.

Codierschlüssel, "Commando Group Daily Key Allocation List 28 Dec. - 3. Jan." (1943 - 1944)Museum für Kommunikation Frankfurt, Museumsstiftung Post und Telekommunikation

Bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs nutzen die geheimen Einsatztruppen der Briten, wie die SOE und Commando-Gruppen, eine Chiffrierung mit doppelter Transposition.

mechanische Chiffriermaschine "CX-52" (1952) von Crypto AG (gegr. 1952)Museum für Kommunikation Frankfurt, Museumsstiftung Post und Telekommunikation

Die Hagelin C-52 ist die meist verwendete Chiffriermaschine im Kalten Krieg. Die C-52 arbeitet mit konfigurierbaren Rotoren, die mit variablen Mitnehmern eines Stangenkorbs zusammenwirken. Rein mechanisch erreicht die C-52 einen Schlüsselraum von 4,13 Sexdezilliarden – mehr als Atome im Universum.

Rotor-Chiffriermaschine "NEMA" (1948) von Zellweger AG Apparate- & Maschinenfabriken (1880 - 2003)Museum für Kommunikation Frankfurt, Museumsstiftung Post und Telekommunikation

Die Schweiz verwendet ab 1938 die deutsche Verschlüsselungsmaschine „Enigma K“. Sie weiß, dass die Enigma unsicher ist und entwickelt 1945 eine eigene Chiffriermaschine für die schweizerische Armee.

Die NEMA ähnelt der Enigma, vermeidet aber deren konstruktive Schwächen: Bei jedem Tastendruck bewegt sich nicht nur ein Rotor, sondern mehrere Walzen. Auch die Umkehrwalze (Reflektor) ist drehbar.

Die Schweiz verwendet die NEMA bis 1976 und mustert sie 1992 aus.

Rotor-Chiffriermaschine "KL-7" (um 1965) von National Security Agency (NSA) (gegr. 1952)Museum für Kommunikation Frankfurt, Museumsstiftung Post und Telekommunikation

Diese Rotor-Verschlüsselungsmaschine wird 1952 von der National Security Agency eingeführt und ist ein Standardchiffriergerät von US-Army, US-Navy und NATO, bis sie 1983 ausgemustert wird.

Die KL-7 besteht aus dem Unterbau "KLB-7" mit Motor, Generator und Elektrik und einer Walzenspindel "KLK-7" mit acht oder zwölf Rotoren, die auf beiden Seiten je 36 Kontakte aufweisen.

Die Kontakte der Rotoren sind wie bei der Enigma durch Drähte im Inneren paarweise und unregelmäßig miteinander verbunden.

Rotor-Chiffriermaschine M-125-3MP2 "Fialka" (1972)Museum für Kommunikation Frankfurt, Museumsstiftung Post und Telekommunikation

Die sowjetische Rotor-Chiffriermaschine „Fialka“ wird ab 1956 eingesetzt. Für die Länder des Warschauer Pakts gibt es Tastaturen in kyrillisch, deutsch, polnisch und tschechisch. Die Fialka ist mit 590 Billiarden Kombinationen viel sicherer als die Enigma. Die zehn Schlüsselrotoren drehen sich gegeneinander. Bei Auflösung des Warschauer Paktes 1991 werden die meisten Fialka eingeschmolzen.

Mitwirkende: Geschichte

Streng geheim! Verschlüsselung im Zweiten Weltkrieg

Eine virtuelle Ausstellung der Museumsstiftung Post und Telekommunikation.

Kurator: Frank Gnegel

Alle Objekte aus dem Bestand der Museumsstiftung Post und Telekommunikation.

www.museumsstiftung.de

Quelle: Alle Medien
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