Christian Fennesz bei der Fluc Neueröffnung (2006) von Magdalena Blaszczukmica - music austria
Fluc Neueröffnung
Tanz die Utopie!
Christian Fennesz ist zweifelsohne einer der einflussreichsten Musiker der elektronischen Avantgarde. Er verleiht ihr Gefühl und haucht einen Geist in die Maschine. Durch Drones und Noise blitzen Harmonien hervor, die an Mahler und Beach Boys erinnern. Sein bahnbrechendes Album “Endless Summer“ ist fünf Jahre alt, als Fennesz am 1. April 2006 das Fluc neueröffnet. Es liegt am Wiener Praterstern, der zur Fußball-EM ganz herausgeputzt wird. Das Fluc besteht aus 21 Büro- und Schiffscontainern. Das Programm lautet: Tanz die Utopie! Fennesz spielt dafür die Ouvertüre.
Fluc und Fluc Wanne (2008) von A. Berlingermica - music austria
Das Fluc - ein Ort für Subkultur und für Musik
Bar, Brutkasten, Baustelle, Treffpunkt, Ausstellungsraum, Heterotopie und Display
Das Fluc erweitert die Idee davon, was in Clubs passiert. In Wien sind sie bislang Orte für Subkultur und für Musik. Das Fluc aber ist Bar, Brutkasten, Baustelle, Treffpunkt, Ausstellungsraum, Heterotopie und Display gleichzeitig. Immer wieder verändert das Fluc seine Fassade. Im Wahlkampf zur Wiener Gemeinderatswahl - in der eine rechtspopulistische Partei um den ersten Platz kämpfe möchte - plakatiert die Künstlerin Julia Amelie deutlich sichtbar für die ganze Stadt “Hab keine Angst” an die Außenwand.
Peaches live (2008) von Jennifer Schwartzemica - music austria
Die zentrale Anlaufstelle cooler Clubkultur
Konzerte im Untergrund
Das neue Fluc wird schnell zur zentralen Anlaufstelle cooler Clubkultur. Es besteht aus zwei Bereichen. Den Containern oben und der Fluc Wanne unten in einer aufgelassenen Unterführung. Während draußen viele Wienerinnen und Wiener sich ihren Weg zum Wurstelprater bahnen, einem 150 Jahre alten Vergnügungspark, staunen die Gäste des Fluc im Untergrund über angesagte Konzerte. Auch die Proto Queen of Sex Positivity, Peaches, tritt 2008 im Fluc auf.
Benga beim Club Bounce (2008) von Christian Koenigmica - music austria
Internationale Trends kommen nach Wien
Stars der Szene zu Gast
In den ersten drei Jahren spielen etwa Uffie, Planningtorock, The Blow, The Whitest Boy Alive, die Brazilian Girls, Autokratz, I-Wolf, Ladytron, N.A.S.A, Does It Offend You Yeah? und Sascha Funke in der Fluc Wanne. Internationale Trends kommen mittlerweile nach Wien, während sie passieren. Mit Benga ist 2008 einer der Pioniere von Dubstep im Fluc zu Gast.
Fuckhead (2011) von Armin Thalermica - music austria
Eine Spielwiese für das musikalische Experiment
Internationales Flair war im Fluc immer wichtig. Noch wichtiger ist es, etwas für die lokale Szene zu tun. Hier haben unterschiedlichste Musikformen Platz, es wird experimentiert, Erfahrung gesammelt und viel Schweiß im Rampenlicht vergossen. Für Bands, DJs, Songwriterinnen, Ensembles und Klangkörper aller Art ist das Fluc eine Spielwiese. Junge Wilde spielten hier genauso wie alte Wilde. Die Band Fuckhead wurde beispielsweise bereits 1988 in Linz gegründet. Sie operiert an der Schnittstelle von Krach, Wiener Aktionismus und Musik.
Autokratz bei Pling Plong (2009) von Martin Wagnermica - music austria
Zentrum elektronischer Musik
Von Techno und House bis Drum’n’Bass und Dub
Das Fluc ist auch ein Club. Es lebt Wiener Clubkultur in allen Schattierungen vor. Techno, House, Deep House, Minimal, Goa, Drum’n’Bass, Electroclash, Nu Rave, Ambient, Dub, Vaporwave, Future Bass und alle anderen Stile haben hier Platz. Auch AutoKratz sind 2009 zu Gast. Bis früh in den Morgen wird gefeiert. Wenn dann im Sommer die Sonne aufgeht, kann man durch die große Glasfront das Wiener Riesenrad sehen.
FQ FlucQuader (2001) von Flucmica - music austria
fluctuated rooms - die Keimzelle des Fluc
17 Kanäle waren an allem Schuld war. So viele Kanäle hatte eine Klanginstallation, die drei Absolventen der Universität für Angewandte Kunst ausgetüftelt hatten. 2001 wurde sie eine Woche lang in einem leerstehenden Lokal am Wiener Praterstern vorgestellt. Der Name der Veranstaltungsreihe war “fluctuated rooms“. Sie war die Keimzelle des Fluc, des ersten Fluc vor dem Umbau. Dort schon spielte Kunst eine große Rolle. Die drei Absolventen dockten mit einem Container an das Lokal an, dem FlucQuader.
Fluc Wien (2008) von Sonia Leimermica - music austria
Das Fluc wächst
Das Fluc wächst mit Kunst über sich selbst hinaus. Einmal winkt eine Skulptur vom Dach des Fluc, Christian Eisenberger setzt ebenda ein “Nabenaltar„ hin, David Moises installiert ein VU-Meter an die Außenwand - und manchmal infiltriert das Fluc auch den Vorplatz. Sonia Leimer teilt mit Mietbuchstaben den neuen Bahnhof in seine Grundelemente.
4 Minuten Moskau Roter Platz (2005) von Manfred Grueblmica - music austria
Kunst- und Ausstellungsraum
Das Fluc ist nicht nur Ort für Musik
Schrift, Leuchtstoffröhren, Plakate, wallende Stoffbahnen oder Klebebänder machen das Fluc nach außen hin zu einem Ort voller Leben. Auch drinnen finden regelmäßig Ausstellungen statt. Mit einer zehn Meter langen Fotoinstallation dokumentiert Manfred Grübl eine Aktion am Roten Platz in Moskau.
Juan Atkins (2009) von Christian Königmica - music austria
Die großen Stars der Szene
Am 16. Oktober 2009 hat sich der frühe Herbst deutlich abgekühlt auf 6 Grad. Mit der Pratersauna hat ein neuer Club eröffnet, der bald international für Furore sorgt. Dort spielt an diesem Tag mit Carl Craig ein echter Star des Detroit Techno. Nur ein paar hundert Meter weiter im Fluc spielt mit Juan Atkins eine vielleicht noch größere Legende des Detroit Techno. So war das nicht geplant. Seit diesem Tag spricht man sich in Wien besser ab, welche Stars wann nach Wien kommen.
Gruppe UNO, Alle gegen Alles (2013) von Gruppe UNOmica - music austria
Ein konfliktreicher Weg zur Professionalisierung
Im Fluc gehen sehr viele unterschiedliche Menschen ein und aus. Das Team kann die Erwartungen nicht immer erfüllen. Manchmal kommt es zu Grabenkämpfen, Abende scheitern, die langsame Professionalisierung finden nicht alle gut. Die Gruppe UNO inszeniert im Jahr 2013 einen Protest von allen gegen alles, ein künstlerischer Vorbote auf die Empörungskultur und Cancel Culture.
Fluc Wanne (2016) von Flucmica - music austria
Menschen verschiedenster Herkunft & Orientierung willkommen
Clubkultur war schon immer queer. Clubs waren geschützte Räume, in denen sich Menschen ihre Sexualität auszuleben konnten, ohne verfolgt zu werden. Die Stadt Wien hat sich relativ früh für Weltoffenheit entschieden. Mit dem Life Ball und der Regenbogenparade um die prominente Ringstraße gibt es bereits seit den Neunzigern weithin sichtbare Signale. Auch im Fluc sind Menschen verschiedenster Herkunft und Orientierung willkommen. Hier etwa tritt die Band Pop:sch 2016 auf.
Die Nerven (2015) von Nikolaus Ostermannmica - music austria
Null Toleranz gegenüber Übergriffen
“Die beste Liveband des Landes“ schrieb die Berliner Tageszeitung taz über die Band Die Nerven. Die meisten Konzerte kosten mittlerweile Eintritt, die kulturelle Vielfalt Wiens ist gewachsen und vor der Türe überwacht ein Polizeiwagen die Sicherheit, nachdem sich der Praterstern für kurze Zeit zu einem sozialen Hotspot entwickelt hat. Es kommt zu sexuellen Übergriffen im Lokal. Durch energisches Eingreifen und null Toleranz wird das aber schnell unterbunden.
Dives live (2020) von Nikolaus Ostermannmica - music austria
Covid-19 als Herausforderung
Die Krise als existenzielle Bedrohung
Covid-19 stellt auch für das Fluc eine existenzielle Bedrohung dar. Über Monate ist das normale Leben außer Kraft. Am 16. Juni 2020 schließlich gibt es einen kleinen Lichtblick, als das ersten Konzert nach dem Lockdown stattfinden kann. Die Dives spielen unter strengen Auflagen zweimal hintereinander, damit auch genügend Menschen ihr Konzert sehen können. Der Großteil des Personals befindet sich in Kurzarbeit. Es ist unklar, wann und ob Normalität einkehrt.
Autor Stefan Niederwieser
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