Ornament und Moderne

Eine Führung zu den Stimmungsträgern des Hauses

Von "Tonhalle Zürich"

Tonhalle Zürich

Terrasse Kongresshaus und Tonhalle Zürich (2021/2021) von Urs Siegenthaler, kantonale Denkmalpflege ZürichTonhalle Zürich

Der Architekturkritiker Peter Meyer äussert 1937 die Ansicht, dass die Wettbewerbsprojekte für das Kongresshaus zu monumental seien und dass «zum Zweck eines städtischen Kongressgebäudes auch eine gewisse Festlichkeit» gehöre. Allerdings waren seit dem Neuen Bauen in der Architektur verdeckende und dekorative Elemente unerwünscht, ja gar verpönt.

Den Wettbewerbsgewinnern Haefeli Moser Steiger steht also eine schwierige Aufgabe bevor. Mit ihren vermittelnden Gestaltungsansätzen gelingt ihnen jedoch ein Brückenschlag zwischen Tradition und Moderne, der eine innovative Weiterentwicklung der modernen Architektur in einer spezifisch schweizerischen Ausprägung darstellt. 

Sgraffito (2006/2006) von Elvira Angstmann, kantonale Denkmalpflege ZürichTonhalle Zürich

Gitterwerk

In den Werken von Haefeli Moser Steiger ist eine Rückkehr zum lang verschmähten Ornament zu beobachten. Sie leisten damit in ihrer Zeit einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung einer neuen Raumkultur. Für das Kongresshaus in Zürich entwerfen sie eine Vielzahl unterschiedlicher Oberflächentexturen für Böden, Wände und Decken. Aussergewöhnlich ist das vollflächige, netzartige Sgraffito-Muster.

Restaurierung Sgraffito (2019/2019) von Urs Siegenthaler, kantonale Denkmalpflege ZürichTonhalle Zürich

In den Jahrzehnten nach ihrer Entstehung werden die Sgraffiti mehrfach überstrichen. Zuletzt sind die Kratzspuren kaum mehr wahrnehmbar, das Ornament wirkt plump und hat seinen direkten Bezug zum Material verloren.



Auf Hunderten von Quadratmetern werden im Zuge der Restaurierung 2017–2021 die vielen Farbschichten in mühsamer Arbeit mit einem Dampfgerät abgelaugt. 

Sgraffito (2021/2021) von Urs Siegenthaler, kantonale Denkmalpflege ZürichTonhalle Zürich

Das Sgraffito zeigt nun wieder seine handgemachte Unregelmässigkeit und Lebendigkeit, die dem Haus einen heiteren Charme verleiht.

Sgraffito und Ornament in Kongresshaus und TonhalleTonhalle Zürich

Gittermotiv (2016/2016) von Marcel Werren, kantonale Denkmalpflege ZürichTonhalle Zürich

Das Gittermotiv erscheint immer wieder in abgewandelter Weise: als lichtstreuendes Metallgitter aus gewellten Blechbändern im Fensterbereich…

Gittermotiv im Seezimmer (2021/2021) von Urs Siegenthaler, kantonale Denkmalpflege ZürichTonhalle Zürich

… als rautenförmig angelegte Holzleisten im Seezimmer …

Gittermotiv im Gartensaal (2021/2021) von Urs Siegenthaler, kantonale Denkmalpflege ZürichTonhalle Zürich

… oder als «Holzpergola» im Gartensaal.

Von diesen wellenförmigen Holzelementen sind nur noch Einzelstücke aus der Bauzeit vorhanden. Bei der jüngsten Instandsetzung 2017−2021 kommt das Element im Bereich des alten und des neuen Gartensaals in abgewandelter Form wieder zum Einsatz.

Gitterwerk im Übungssaal (2021/2021) von Urs Siegenthaler, kantonale Denkmalpflege ZürichTonhalle Zürich

Im Übungssaal nimmt das Gitterwerk freiere Formen von Wolken an. Die Gitter verkleiden die Leuchtkörper und sorgen zugleich für die Milderung und Streuung des Lichts.

Leuchte: «Haefeli-Locke» (2021/2021) von Martin Bachmann, kantonale Denkmalpflege ZürichTonhalle Zürich

Beleuchtung

Die Architektengemeinschaft Haefeli Moser Steiger entwickelt für die repräsentativen Räume des Kongresshauses 1937/1939 diverse Beleuchtungskörper. Die Lampen sollen zum jeweiligen Raum passen und festlich wirken. Dabei entstehen moderne Interpretationen traditioneller Leuchtentypen, bis hin zu gewagten Kombinationen wie der sogenannten «Haefeli-Locke», die heute als Design-Objekt gilt.

Kongresssaal (1942/1942) von Baugeschichtliches Archiv, Michael WolgensingerTonhalle Zürich

Die «Haefeli-Locke» ist für den 1939 vollendeten Kongresssaal konzipiert. Die Rokoko-artigen, vergoldeten Spiralranken tragen anstelle von Blüten nüchterne, industriell gefertigte Zeiss-Reflektoren.

Von diesen ausgefallenen Leuchten haben sich lediglich wenige Exemplare erhalten. 

Kongresssaal (2021/2021) von Urs Siegenthaler, kantonale Denkmalpflege ZürichTonhalle Zürich

Beim Umbau des Kongresshauses in den 1980er-Jahren wird ein Grossteil des Originalmobiliars verkauft, darunter auch die «Haefeli-Locken», die einige Zeit später beim Auktionshaus Christie’s wieder auftauchen.



Nach der Instandsetzung 2017−2021 ist der Kongresssaal mit moderner Beleuchtungstechnik ausgestattet.

Decke im Kongress- und Konzertfoyer (2021/2021) von Urs Siegenthaler, kantonale Denkmalpflege ZürichTonhalle Zürich

Im Kongress- und Konzertfoyer setzen Haefeli Moser Steiger den Typus des Kronleuchters modern um: Traubenförmig aufgehängte Glaskugeln bilden glitzernde Lüster. Eine Verspiegelung im Zentrum der Aufhängung verstärkt ihren Effekt.

Kongressfoyer (2021/2021) von Urs Siegenthaler, kantonale Denkmalpflege ZürichTonhalle Zürich

Die achteckigen Deckenrosetten bestehen aus perforierten Holzlatten. Sie können als Ornament von abstrahierten Seerosen verstanden werden und dienen schon 1939 gleichzeitig als Akustikelemente. Von den Rosetten hängen an Hanfschnüren befestigt jeweils vier der modernen Lüster mit 26 Glaskugeln herab.

Leuchtkörper im Vestibül Tonhalle (2021/2021) von Martin Bachmann, kantonale Denkmalpflege ZürichTonhalle Zürich

Im Zuge der jüngsten Instandsetzung 2017-2021 kann die ursprüngliche Beleuchtung im Tonhallenvestibül dank scharfsinniger Recherche rekonstruiert werden. Zeitgenössische Übersichtsaufnahmen des Vestibüls fehlen und die Originalpläne der Architekten sind nicht erhalten. Eine historische Fotografie des Vestibüls offenbarte letztlich das Erscheinungsbild: In einer Spiegelung ist eine klassische Kugelpendelleuchte umfasst von einem Drahtgeflecht erkennbar.

Vestibül Tonhalle (2021/2021) von Urs Siegenthaler, kantonale Denkmalpflege ZürichTonhalle Zürich

Das Tonhallenvestibül präsentiert sich 2021 wieder mit seinen aussergewöhnlichen Kugelpendelleuchten. Zugunsten einer besseren Beleuchtung des Raums sind die Lampen in den Kassettenfeldern allerdings nicht mehr einzeln, sondern in Gruppen montiert.

Opalglasleuchte (2021/2021) von Urs Siegenthaler, kantonale Denkmalpflege ZürichTonhalle Zürich

In den Innenräumen und bei den Ausstattungselementen des Kongresshauses von 1937−1939 sind mehrfach Anspielungen auf Naturformen fassbar, so auch bei der Gestaltung dieser birnenförmigen Opalglasleuchten.

Opalglasleuchten (2021/2021) von Urs Siegenthaler, kantonale Denkmalpflege ZürichTonhalle Zürich

Im Gebäude gibt es zahlreiche Varianten dieses Grundtypus’, bei denen jeweils eine oder mehrere «Opalglas-Birnen» auf einem gewundenen Tragrohr sitzen.

Terrazzoplatten in freier Anordnung (2007/2007) von Professur Arthur Rüegg ETHZTonhalle Zürich

Bodenbelag

Das Kongresshausvestibül statten Haefeli Moser Steiger 1937−1939 mit Terrazzo-Platten mit organischem Ornament aus.

Der Bodenbelag setzt sich aus einfarbigen Terrazzoplatten in Anthrazit und Hellbeige sowie den zweifarbigen Varianten zusammen.



Durch die Variation nur zweier Grundmotive – zwei Plattentypen, in jeweils positiver und negativer Farbfassung und Ausrichtung – entsteht ein abwechslungsreiches Bodenmuster.

Plandarstellung Terrazzoboden (2007/2007) von Professur Arthur Rüegg ETHZTonhalle Zürich

Die einfarbigen Platten sind schachbrettartig zu Feldern gruppiert. Im Bereich der Säulen sind die zweifarbigen Platten in Bahnen angeordnet und erzeugen ein abstraktes, pflanzenähnliches Muster. Dieses wird durch Spiegelung, Farbumkehr und unregelmässige Verteilung der Motive herbeigeführt.

Vestibül Kongresshaus (2021/2021) von Urs Siegenthaler, kantonale Denkmalpflege ZürichTonhalle Zürich

Der Originalbelag von 1937−1939 ist weitgehend erhalten.

Mitwirkende: Geschichte

Diese Ausstellung wurde anlässlich der Eröffnungstage Kongresshaus und Tonhalle Zürich vom 4./5. September 2021 und den Europäischen Tagen des Denkmals erstellt.

Eine Kooperation der Denkmalpflege Kanton Zürich mit dem Amt für Hochbauten, Stadt Zürich.

Kuratiert von
Nina Berner, Hochbaudepartement Stadt Zürich
Stefan Businger, Amt für Hochbauten Stadt Zürich
Julia Gerster, Denkmalpflege Kanton Zürich
Cristina Mecchi, Denkmalpflege Kanton Zürich
Roger Strub, Denkmalpflege Kanton Zürich

Redaktor bei Archäologie und Denkmalpflege Kanton Zürich

Quelle: Alle Medien
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