The Bauhaus Dessau (1919/1933) von Walter GropiusOriginalquelle: Vidal Sassoon
Das Bauhaus war eine Hochschule, die in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg auf radikale Weise Kunst, Handwerk und Technik neu miteinander verband. Es setzte sich nichts Geringeres zum Ziel, als durch moderne Gestaltung die Lebensverhältnisse der Menschen zu verbessern.
1919 von dem Architekten Walter Gropius in Weimar gegründet, zog das Bauhaus 1925 nach Dessau. Mit dem Hochschulgebäude in Dessau schufen Walter Gropius und die beteiligten Studierenden und Lehrenden zwischen 1925 und 1926 eines der einflussreichsten Gebäude des 20. Jahrhunderts: eine Ikone der modernen Architektur.
Walter Gropius and Harry Seidler (1954) von Max DupainNational Portrait Gallery
1932 sah sich das Bauhaus, wie schon 1925 in Weimar, auf politischen Druck hin gezwungen, ein weiteres Mal umzuziehen. Der nach Hannes Meyer dritte und letzte Direktor – der Architekt Ludwig Mies van der Rohe – führte das Bauhaus noch bis 1933 in einer ehemaligen Telefonfabrik in Berlin-Steglitz als privates Institut fort.
Das Bauhaus war eng verbunden mit der politisch aufgeheizten Situation und der turbulenten Geschichte der Weimarer Republik. Das Ende dieser Republik und der Beginn der nationalsozialistischen Diktatur in Deutschland markierten so in vielerlei Hinsicht auch das Ende des Bauhauses.
Am 20. Juli 1933 sah sich das Kollegium des Bauhauses angesichts der nationalsozialistischen Repressalien schließlich dazu gezwungen, das Bauhaus aufzulösen. In der Folge blieb den meisten Studierenden und Lehrenden der vielleicht bekanntesten und einflussreichsten Schule der Moderne nur noch die Wahl zwischen Anpassung, Untertauchen und Emigration. Viele ehemalige Bauhäusler*innen trugen die Ideen des Bauhauses in nahezu alle Winkel der Erde.
Das Bauhaus war jedoch von Anfang an international vernetzt und früh schon weltberühmt. Die Emigrationsgeschichte potenzierte die Internationalität der Hochschule und ihren weltweiten Einfluss jedoch um ein Vielfaches.
Von Frank ScherschelLIFE Photo Collection
Einflüsse aus aller Welt
Sowohl im Lehrprogramm als auch in den Gebäuden wie auch in den Lebenswegen der Lehrenden und Studierenden nimmt das Bauhaus wesentliche Einflüsse aus internationalen Kontexten auf. So verortet der Gründer Walter Gropius die Schule in bestimmten Traditionslinien und nimmt Anregungen der Engländer John Ruskin und William Morris bei der Entwicklung des Lehrprogramms auf. Besonders die von Morris gegründete Arts-and-Crafts-Bewegung mit ihrer Verbindung von Kunst und Handwerk spielt eine bedeutende Rolle in den ersten Jahren des Bauhauses.
Obwohl das Bauhaus nur 14 Jahre existierte, wurde es doch von insgesamt fast 1300 Schülern besucht. Unter ihnen waren viele internationale Studierende. 1929 veröffentlichte die Bauhaus-Zeitschrift einen Einblick in den Hintergrund der Studierendenschaft des Jahres: „140 sind deutscher herkunft, … 30 sind ausländer und zwar: 8 schweizer, 4 polen, 3 tschechen, 3 russen, 2 amerikaner, 2 letten, 2 ungarinnen, 1 deutsch-österreicher, 1 holländerin, 1 türke, 1 perserin, 1 palästinenser, 1 staatenloser, 119 sind männlich, 51 sind weiblich“.
Aber auch die Lehrenden stammten aus den verschiedensten Ländern und brachten viele bereichernde Einflüsse mit ans Bauhaus. Um nur einige zu nennen: die Maler Lyonel Feininger aus New York und Wassily Kandinsky aus Russland, der zweite Bauhaus-Direktor und Architekt Hannes Meyer aus der Schweiz, der bildende Künstler László Moholy-Nagy aus Ungarn und seine Frau, die Fotografin Lucia Moholy aus Prag, oder der Architekt Mart Stam aus den Niederlanden.
Composition (1922/1922) von Wassily KandinskyVirginia Museum of Fine Arts
Heute ist das zum Weltkulturerbe zählende Bauhausgebäude in Dessau ein Ort, an dem wie schon 1926 bis 1932 wieder verschiedenste Akteure, Interessen und Einflüsse aus aller Welt zusammenfinden. Das Hochschulgebäude war zusammen mit den nahegelegenen Meisterhäusern der Campus, auf dem die Bauhäusler*innen das Leben, Lernen und Arbeiten gemeinsam revolutionierten. Es ist der gebaute Ausdruck des Lehrprogramms und einer modernen Lebenshaltung.
Hier deutet sich an, was das Bauhaus auch war: als Schule ein wichtiger Knotenpunkt im internationalen Netzwerk der Moderne. Neben den Studierenden und Lehrenden kamen auch viele Gäste aus aller Welt. Unter ihnen der Komponist Béla Bartók, der französische Künstler Marcel Duchamp, der amerikanische Sammler Samuel R. Guggenheim und der indische Musiker Murshid Inayat Kahn. Lauter illustre Gäste: die Liste wäre nicht endlos, aber doch sehr lang!
Und auch das Bauhaus ging früh schon sichtbar in die Welt. Noch vor der ersten großen Ausstellung der Schule in Weimar im Jahr 1923 sandte das Bauhaus 1922 250 Arbeiten von Lehrenden und Studierenden für eine Ausstellung nach Kalkutta.
Und auch in den Bauhausbauten in Dessau lässt sich der internationale Bezug des Bauhauses ablesen. Die Glasflächen des berühmten Werkstattflügels im Bauhausgebäude wurden nicht geschossweise angebracht, sondern mithilfe eines Gittersystems, das wie ein Vorhang als Ganzes am Gebäudedach „hing“ – daher der international gängige Begriff „Vorhangfassade“. Entgrenzende Wirkung und Sprossengliederung verweisen – wie die Gestaltung der Gebäudeeingänge – auch auf Gropius‘ Beschäftigung mit japanischer Raumgestaltung, in diesem Fall mit ihren transparenten Schiebewänden (Shoji).
Direktorenzimmer im Bauhausgebäude Dessau - Rekonstruktion des Zustands um 1926 (um 1926) von Walter Gropius (Architektur, Möbeldesign) / Hinnerk Scheper (Farbgestaltung) / Diverse Gestalter aus dem Bauhaus (Objekte im Regal)Konferenz Nationaler Kultureinrichtungen
Direktorenzimmer im Bauhausgebäude Dessau - Rekonstruktion des Zustands um 1926.
Professor Moholy-Nagy And Friend Sweeney (1937-09)LIFE Photo Collection
Emigration und neue Kontexte
Mit der Emigration der Bauhäusler*innen nach 1933 werden die Ideen der Schule in viele Weltgegenden getragen und trafen dort auf andere Kontexte und Auffassungen von Architektur, Design und Kunst. Viele der heute noch bekanntesten Bauhaus-Lehrer*innen lassen sich schließlich in den USA nieder.
Marcel Breuer (1950-08-08) von Walter SandersLIFE Photo Collection
László Moholy-Nagy emigrierte über die Niederlande und Großbritannien 1937 in die USA, wo er das New Bauhaus in Chicago gründete, welches noch heute als IIT Institute of Design weiter besteht. Auch Ludwig Mies van der Rohe (seit 1937), Ludwig Hilberseimer und Walter Peterhans (beide seit 1938) lehrten in Chicago, zunächst am Armour Institute of Technology, das 1940 zum IIT wurde. Walter Gropius und Marcel Breuer wurden Professoren an der Harvard Graduate School of Design. Anni und Josef Albers lehrten ab 1933 am Black Mountain College in North Carolina. Sie alle übten durch ihre Lehre und ihre in den USA geschaffenen Werke wesentlichen Einfluss auf eine junge Generation von Architekten, Designern und Künstlern aus.
Untitled (1969) von Anni AlbersNational Museum of Women in the Arts
Doch die USA waren nur der bekannteste, aber bei weitem nicht der einzige Zufluchtsort der Bauhäusler*innen. Die Architektin Lotte Beese etwa siedelte mit ihrem Mann Mart Stam 1935 nach Amsterdam über und war nach dem Zweiten Weltkrieg maßgeblich am Wiederaufbau Rotterdams beteiligt. Der Architekt Richard Paulick lebte und arbeitete 16 Jahre lang in Shanghai. Arieh Sharon wurde zu einem der wichtigsten Architekten des neuen Staates Israel. Ludwig Hirschfeld-Mack emigrierte zunächst nach England, von wo er 1940 als „enemy alien“ nach Australien kam. In Australien gilt er heute als einer der Erneuerer der australischen Kunst.
Richard Paulick, 1953Staatsoper Unter den Linden
So ist der Einfluss des Bauhauses bis heute in vielen Ländern der Erde in unterschiedlichster Form auffindbar - als Vermächtnis der Prinzipien und Ideen, die vor 100 Jahren begründet wurden.
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