Von "Museum für Kommunikation Frankfurt, Museumsstiftung Post und Telekommunikation"
Museum for Communication Frankfurt, Museum Foundation Post and Telecommunication
Fernsprechtischapparat M 00 / OB 05 (ab 1900, umgebaut 1914)Museum für Kommunikation Frankfurt, Museumsstiftung Post und Telekommunikation
Zu Beginn der Telefongeschichte haben die Apparate keine Wählscheiben oder Tastenfelder. Gespräche müssen über eine Zentrale vermittelt werden - und über die dort angestellten "Fräuleins vom Amt".
"Frauenzimmer bei der Post"
Ab den 1890er Jahren beschäftigt die deutsche Post unverheiratete junge Frauen - zunächst versuchsweise als Hilfsarbeiterinnen für den Fernsprechdienst, später als verbeamtete Telefonistinnen.
Fotografie; Fernmeldedienst, Vermittlung, Handvermittlung (1901) von Hersteller: Deutsche Bundespost, Fernmeldetechnisches Zentralamt (FTZ), BildstelleMuseum für Kommunikation Frankfurt, Museumsstiftung Post und Telekommunikation
Die Einstellung von Frauen wird damit begründet, dass die als "typisch weiblich" geltenden Eigenschaften - Geduld und Empathie - perfekt zu den Anforderungen des hektischen Vermittlungsdienstes passen.
Fotografie; Betriebssaal des Fernsprechamts "Hansa" (Fernsprechamt 2) in Berlin (1919)Museum für Kommunikation Frankfurt, Museumsstiftung Post und Telekommunikation
Tatsächlich hängt diese Entwicklung aber mit der rasch steigenden Zahl von Telefonanschlüssen, dem größeren Bedarf an Vermittlungspersonal und den niedrigeren Löhnen für weibliche Angestellte zusammen.
Zum Arbeitsplatz einer Telefonistin gehören in der Anfangszeit des Vermittlungsdienstes ein Klappenschrank, das "Sprechzeug" sowie die Verbindungsschnüre, mit denen je zwei Anschlüsse gekoppelt werden.
Fotografie; Klappenschrank für die Handvermittlung von Ortsgesprächen im Postamt der Kaiserlich Deutschen Reichspost Schönberg/Holstein (1905)Museum für Kommunikation Frankfurt, Museumsstiftung Post und Telekommunikation
Der technische Ablauf der Handvermittlung am Klappenschrank erfolgt in mehreren Schritten…
Wer telefonieren möchte, ruft durch Kurbeln am Telefon die Zentrale an. Es entsteht ein elektrischer Impuls, der die dem Anschluss zugeordnete Metallklappe am Vermittlungsschrank herunterfallen lässt.
Sobald sich die Vermittlungsbeamtin in der Zentrale meldet, nennt der Anrufer die von ihm gewünschte Nummer und die Telefonistin stöpselt eine Verbindungsschnur zwischen beiden Anschlüssen ein.
Um das Gesprächsende zu signalisieren, betätigt der Anrufer erneut die Kurbel. Daraufhin trennt die Telefonistin die Verbindung.
Während des Gesprächs soll sie für die Teilnehmer möglichst "unsichtbar" sein - und wird so zur idealen Projektionsfläche.
"Fräulein, Klingelfee, Schutzengel" - Klischées und Arbeitsalltag
Selbstbewusst, unabhängig, glamourös: Die Telefonistin verkörpert in den 1920er Jahren für viele den Idealtypus der "modernen Frau". Sie wird in zeitgenössischen Schlagern besungen und in der Literatur verewigt.
Ansichtspostkarte; Tier-Post No.4 "Katzentelephonie" (1908)Museum für Kommunikation Frankfurt, Museumsstiftung Post und Telekommunikation
Zeitgenössische Karikaturen vermitteln einen guten Eindruck, welche Charakteristika der Berufsgruppe zugeschrieben werden und wie man sich den Arbeitsalltag der Telefonistinnen vorstellt.
Fotografie; Zwei Mitarbeiterinnen der Deutschen Reichspost mit Sprechgarnitur bei der Handvermittlung von Ferngesprächen an Verbindungsplätzen (B-Plätze) in einem Ortsamt (um 1925)Museum für Kommunikation Frankfurt, Museumsstiftung Post und Telekommunikation
Im Kontrast dazu stehen die harten Arbeitsbedingungen:
Die wiederkehrenden Sprach- und Bewegungsabläufe bei der Vermittlung sind anstrengend, monoton und erfordern trotzdem höchste Konzentration!
Fotografie; Fernsprechgehilfinnen der Deutschen Reichspost bei der Handvermittlung von Ferngesprächen in der Vermittlungstelle "Moritzplatz" im Fernsprechamt 4 in Berlin, Prinzsessinenstraße 25 (1924)Museum für Kommunikation Frankfurt, Museumsstiftung Post und Telekommunikation
Die Arbeitszeit einer Telefonistin beträgt bis 1914 wöchentlich ca. 42 Stunden. Die Frauen werden bei ihrer Tätigkeit von Aufsichten kontrolliert - wiederholte Fehler führen zu Lohnkürzungen.
Die Arbeitskleidung ist schlicht und funktional, um die Telefonistin bei ihrer Tätigkeit nicht zu behindern und dadurch die Vermittlungsprozesse zu verlangsamen.
Die Tätigkeit bei der Post ist für Frauen mit der Auflage verbunden, ledig zu sein und es zu bleiben.
Wer heiratet, muss den Dienst quittieren und verliert bis 1923 auch sämtliche Pensionsansprüche.
Kriegszeiten
In Kriegszeiten übernehmen Frauen oft notgedrungen Aufgaben, die bis dato nur Männer ausübten. Während des Ersten Weltkrieges verzeichnet die Reichpost einen historischen Höchststand von weiblichen Beschäftigten – unter ihnen sind allerdings verhältnismäßig wenige neue Fernmeldebeamtinnen.
Fotografie; Mitarbeiterinnen des Fernamts (FA) der Deutschen Reichspost in Berlin bei der Handvermittlung von Ferngesprächen (um 1940)Museum für Kommunikation Frankfurt, Museumsstiftung Post und Telekommunikation
Während des Zweiten Weltkriegs werden Frauen wegen Personalmangels für den "Soforteinsatz" im Fernmeldedienst eingestellt. Sie üben dabei Tätigkeiten aus, die zuvor wochenlang erlernt werden mussten.
Ost & West
Die auf den Krieg folgende Teilung Deutschlands hat nicht nur politische, sondern auch gesellschaftliche Auswirkungen - unter anderem im Bereich der Frauen-Erwerbstätigkeit. In der DDR sind zwei Drittel der im Post- und Fernmeldewesen Beschäftigten weiblich.
Plakat "Sie sparen 20 Prozent bei Ferngesprächen über das "Fräulein vom Amt"" (1960) von Künstler: Landmann Walter Richard ErnstMuseum für Kommunikation Frankfurt, Museumsstiftung Post und Telekommunikation
In der BRD sind bis 1966 alle Ortsnetze automatisiert. Ferngespräche werden aber viel länger händisch vermittelt und sind eine teure Angelegenheit. Dafür bedarf es besonderer Werbung.
Farbfilm (Ausschnitt): Hier Teheran - Bitte sprechen (1964) von Hersteller: Deutsche Bundespost, Filmstelle der Deutschen Bundespost beim Fernmeldetechnisches Zentralamt (FTZ)Museum für Kommunikation Frankfurt, Museumsstiftung Post und Telekommunikation
"Wie sieht eine junge Iranerin unsere Bunderepublik und die Deutsche Bundespost? Diese Frage beantwortet der Film, der im Jahr 1960 anlässlich des Besuchs von 25 Angestellten der iranischen Postverwaltung in Deutschland gedreht wurde. Die Kamera begleitet Sore Hashemi auf ihrer großen Reise während ihrer Ausbildung bei der Deutschen Bundespost, beim Besuch von Hamburg und der Küstenfunkstelle Norddeich, beim Einkaufsbummel und beim Besuch des Cuvillier-Theaters.“
Text aus dem Filmverzeichnis der Deutschen Bundespost, 1964.
Gezeigt wird hier ein zwei-minütiger Ausschnitt des insgesamt 18-minütigen Films.
Nach der Wende
Die Post ist in den 1990er Jahren zwar der größte Arbeitgeber für Frauen in Deutschland - das Berufsfeld der Telefonistin verschwindet nach der Einführung der digitalen Vermittlung rund zehn Jahre zuvor jedoch völlig.
Videotrailer: Las Chicas del Cable /Die Telefonistinnen, Spanische Spielfilm-Serie des US-Unternehmens Netflix (2017) von Hersteller: Netflix; Regie führten Carlos Sedes, David Pinillos, Antonio Hernández und Roger Gual.Museum für Kommunikation Frankfurt, Museumsstiftung Post und Telekommunikation
Das Video zeigt den Trailer der spanischen Serienproduktion "Las Chicas del Cable" (Die Telefonistinnen), die über den US-amerikanischen Streaming-Dienst Netflix ausgestrahlt wird. Heute wird der Beruf der Telefonistin wieder mit einer gewissen Nostalgie betrachtet. Die Filmindustrie greift das Motiv auf und webt es in oft emanzipatorische Geschichten ein.
Der Beruf der Telefonistin war eine der ersten Möglichkeiten für Frauen, finanzielle Selbstständigkeit zu erlangen und sich dadurch von gesellschaftlichen Erwartungshaltungen zu distanzieren. Allerdings sollten rückblickend die schwierigen Arbeitsbedingungen der Telefonistinnen nicht vergessen werden.
"Hier Amt, wie beliebt?" Die Telefonistin. Ein historischer Frauenberuf bei der Post
Eine virtuelle Ausstellung der Museumsstiftung Post und Telekommunikation.
Kuratorin: Anjuli Spieker
Literatur:
Bühlmann, Yvonne / Zatti, Katharina (1992): Sanft wie eine Taube, klug wie eine Schlange und verschwiegen wie ein Grab. Frauen im schweizerischen Telegrafen- und Telefonwesen (1870 - 1914); Chronos Verlag, Zürich
Gold, Helmut / Koch, Anette (1993): Fräulein vom Amt; Prestel Verlag, München
Jörges, Christel / Gold, Helmut (2001): Telefone 1863 - 2000; Museumsstiftung für Post und Telekommunikation in Kooperation mit Edition Braus im Wachterverlag, Heidelberg
Nienhaus, Ursula (1995): Vater Staat und seine Gehilfinnen. Die Politik mit der Frauenarbeit bei der Deutschen Post (1846 - 1945); Campus Verlag, Frankfurt / New York
Weisungen für Umschalte- und Fernleitungsstellen aus den Jahren 1885 - 1917; Telephonamt Nürnberg
Alle Objekte aus dem Bestand der Museumsstiftung Post und Telekommunikation.
www.museumsstiftung.de
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