Caro Giordano

Resonanzen und Gestrüpp

Ein Brief, den der Philosoph Giordano Bruno 1589 in Helmstedt verfasste, wurde zum Ausgangspunkt des mit dem Künstlerbuchpreis der Herzog August Bibliothek des Jahres 2020 ausgezeichneten Projekts von Ulrike Stoltz.

Im Laufe eines Jahres erschuf die Typografin und Buchkünstlerin mit Caro Giordano. Resonanzen und Gestrüpp ein Kaleidoskop aus Texten und Bildern, das sich dem Philosophen Giordano Bruno aus unterschiedlichsten Perspektiven nähert. Darin spürt sie mit vielfältigen Druck- und Arbeitstechniken verschiedensten Resonanzen nach.

Caro Giordano (Pergamentband), Titelblatt (2021) von Ulrike Stoltz, Foto: Herzog August BIbliothek WolfenbüttelHerzog August Bibliothek

Titelblatt mit 3 Sonetten Giordano Brunos

Die Beschäftigung mit Philosophie und Mythologie nimmt in der künstlerischen Arbeit Ulrike Stoltzs einen wichtigen Platz ein. Die Auseinandersetzung mit dem Renaissance-Philosophen Giordano Bruno (1548-1600), dessen Theorien sie bereits seit etwa 20 Jahren studiert, findet bisher in vier verschiedenen Künstlerbüchern Ausdruck.

In Caro Giordano. Resonanzen und Gestrüpp behandelt Stoltz verschiedene Themen, mit denen Giordano Bruno sich beschäftigte. Sie sucht unter anderem in Schriften Brunos aus den Beständen der Herzog August Bibliothek und an Orten, an denen Giordano Bruno sich aufhielt, nach „Spuren“ seines Wirkens. Ergänzt wird dieser Prozess durch den Austausch mit Forschenden und Bibliothekar*innen, Buchbinder*innen, Restaurator*innen sowie Spezialist*innen zur Regional-, Buch-, Medien- und Druckgeschichte.

Das Ergebnis ist, ganz im Geiste Brunos, der Versuch eines Brückenschlags zwischen Wissenschaft, Religion und Spiritualität.

Caro Giordano (Pergamentband) (2021) von Ulrike Stoltz, Foto: Herzog August BIbliothek WolfenbüttelHerzog August Bibliothek

Besonderheiten in Satz und Druck gehören für Ulrike Stoltz als Typografin zu den wesentlichen „Spuren“ in den Werken Brunos. Der von Giordano Bruno selbst gefertigte Holzschnitt Archetypus ist die Grundlage für den Satzspiegel im  Künstlerbuch.

De Imaginum, Signorum, et idearum compositione (1591) von Giordano Bruno; Johann Wechel (Drucker); Peter FischerHerzog August Bibliothek

Das Buch, in dem der Holzschnitt Archetypus zu finden ist, gehört zu Brunos letzten publizierten Schriften. Es handelt sich, laut Frances Yates, vermutlich um Brunos „magisches Gedächtnis-System“. 

Caro Giordano (Pergamentband), Per G.B. (2021) von Ulrike Stoltz, Foto: Herzog August BIbliothek WolfenbüttelHerzog August Bibliothek

Stoltz reflektiert die Werke Brunos unter anderem
in Anagrammen, Gedichten und poetischer Kurzprosa.

In ihren Texten versetzt sie den Renaissancephilosophen in die Gegenwart.

Die Künstlerin fragt, wer wir sind, wie wir die Welt erklären und was wir überhaupt nicht verstehen, trotz aller Wissenschaft und Aufklärung. Sie meditiert im Sinne Brunos über die  heilende Verbindung  zwischen Rationalität und Spiritualität.

Die Texte sind in Italienisch und Deutsch verfasst, damit Bruno sie auch lesen kann. 

Caro Giordano (Pergamentband), Inhaltsverzeichnis (2021) von Ulrike Stoltz, Foto: Herzog August BIbliothek WolfenbüttelHerzog August Bibliothek

Inhaltsverzeichnis

Caro Giordano (Pergamentband) (2021) von Ulrike Stoltz, Foto: Herzog August BIbliothek WolfenbüttelHerzog August Bibliothek

Giordano Bruno (1548 – 1600) – Philosoph, Priester, Mathematiker, Astronom, Lyriker sowie Gedächtniskünstler – beschrieb in seinen Werken die Unendlichkeit des Weltraums und die ewige Dauer des Universums. 

Brunos pantheistischen Thesen standen oft im Wiederspruch zu der christlichen Glaubenslehre und der damals vorherrschenden Vorstellung von einer geozentrischen Welt.

Caro Giordano (Pergamentband) (2021) von Ulrike Stoltz, Foto: Herzog August BIbliothek WolfenbüttelHerzog August Bibliothek

Im Zuge seiner vielen Wohnortwechsel und Reisen legte Giordano Bruno tausende Kilometer zurück.   
Eine faszinierende Vorstellung, die von einem rastlosen kreativen Geist zeugt. Denn das Reisen war in der Renaissance, im Vergleich zu heute, weder schnell noch bequem.

Brief Giordano Brunos an Daniel Hoffmann (1589) von Giordano BrunoHerzog August Bibliothek

Dieser im Original in der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel aufbewahrte Brief wurde zum Ausgangspunkt für das Künstlerbuch Stoltzs.

Bruno, der sich zwischen 1586 und 1590 im Raum Wittenberg, Wolfenbüttel, Helmstedt und Braunschweig aufhielt, fordert „den akademischen Senat […] auf, ihm Gerechtigkeit wiederfahren zu lassen, nachdem ihn der Helmstedter Pfarrer […] exkommuniziert hatte.“

Caro Giordano, (Pergamentband), Schreibspuren 1: ein Brief (2021) von Ulrike Stoltz, Foto: Herzog August BIbliothek WolfenbüttelHerzog August Bibliothek

Der berühmte Brief wird im Künstlerbuch annähernd 1:1 abgebildet, begleitet von einer Transkription und einer eigens für dieses Buch angefertigten Übersetzung. 

Caro Giordano, (Pergamentband), Schreibspuren 2: Setzen und Drucken (2021) von Ulrike Stoltz, Foto: Herzog August BIbliothek WolfenbüttelHerzog August Bibliothek

Stoltzs im Künstlerbuch dokumentierte Spurensuche  liefert wichtige Erkenntnisse über die Arbeitsweise Brunos. 

So hält sie es, entgegen der bisherigen Annahme, für unwahrscheinlich, dass er seine Texte selbst setzte. 
Sie führt jedoch Belege dafür auf, dass er eigenhändig Holzschnitte anfertigte.

De Monade Numero Et Figura (1591) von Giordano Bruno; Johann Wechel (Drucker); Peter FischerHerzog August Bibliothek

Dieses Buch gehört, wie De triplici minimo, zur sogenannten Frankfurter Trilogie. Es ist das letzte Werk, das Bruno selbst publiziert hat.

De triplici minimo et mensura (1591) von Giordano Bruno; Johann Wechel (Verleger und Drucker); Peter FischerHerzog August Bibliothek

In diesem Buch hat der Verleger und Drucker Johann Wechel, auf Bitte von Bruno, der eine Einladung nach Zürich erhalten hatte und daher vor Fertigstellung des Buches abreisen musste, den Einleitungstext geschrieben. Daraus geht hervor, dass Bruno die Druckstöcke für die Abbildungen selbst in Holz geschnitten hat.

Caro Giordano (Pergamentband), Fliegenflug (2021) von Ulrike Stoltz, Foto: Herzog August BIbliothek WolfenbüttelHerzog August Bibliothek

Anhand von Holzschnitten Brunos versucht Stoltz sein berühmtes Gedächtnissystem zu entschlüsseln.

Mit den Worten Michael Serres vergleicht Stoltz Giordnao Brunos "um die Ecke gedachte", assoziative Erkenntnissuche mit einem Fliegenflug

Diese Erkenntnissuche sieht Sie in Brunos Holzschnitt Der Kreis des Theutus verbildlicht. 

Caro Giordano (Pergamentband), Fliegenflug (2021) von Ulrike Stoltz, Foto: Herzog August BIbliothek WolfenbüttelHerzog August Bibliothek

Aus Stoltzs Sicht besteht eine Verbindung zwischen den Holzschnitten Der Kreis des Theutus und Die erste Figur des Lullus

Hier sei das „Fortschreiten von einer Eigenschaft zur anderen“, beginnend mit dem Willen (G) und mit der Wahrheit (I) als Ziel, beschrieben. Ebenso wie der Fliegenflug Serres‘ könne dies als Darstellung eines Lebenswegs interpretiert werden. 

B: Bonitas (Güte)
C: Magnitudo (Größe)
D: Duratio (Dauer)
E: Potestas (Kraft)
F: Sapientia (Verstand)
G: Voluntas (Wille)
H: Virtus (Tapferkeit)
I: Veritas (Wahrheit)
K: Gloria (Ruhm)

Caro Giordano (Pergamentband) (2021) von Ulrike Stoltz, Foto: Herzog August BIbliothek WolfenbüttelHerzog August Bibliothek

Stoltz ist überzeugt davon, dass jede Linie und jedes Ornament
in Brunos Holzschnitten eine bestimmte Bedeutung haben. 

Caro Giordano (Pergamentband), Ornamente (2021) von Ulrike Stoltz, Foto: Herzog August BIbliothek WolfenbüttelHerzog August Bibliothek

Caro Giordano (Pergamentband), Liebe und Feuer (2021) von Ulrike Stoltz, Foto: Herzog August BIbliothek WolfenbüttelHerzog August Bibliothek

Caro Giordano (Pergamentband), Kein Kreis ist gleich (2021) von Ulrike Stoltz, Foto: Herzog August BIbliothek WolfenbüttelHerzog August Bibliothek

Auch Brunos Überlegungen zur Bedeutung des Kreises werden zur Inspiration für ihre künstlerische Arbeit. 

Immer wieder schafft sie Verknüpfungen zu anderen Personen, die sich mit den Themen Brunos auseinandersetzten, wie hier z.B. dem Schweizer Typographen Adrian Frutiger.

Caro Giordano (Pergamentband), Portraits Ulrike Stoltz und Giordano Bruno (2021) von Ulrike Stoltz, Foto: Herzog August BIbliothek WolfenbüttelHerzog August Bibliothek

Portraits von Ulrike Stoltz und Giordano Bruno

Caro Giordano (Pergamentband) (2021) von Ulrike Stoltz, Foto: Herzog August BIbliothek WolfenbüttelHerzog August Bibliothek

Caro Giordano (Pergamentband) (2021) von Ulrike Stoltz, Foto: Herzog August BIbliothek WolfenbüttelHerzog August Bibliothek

„Ich habe kein Ziel, ich weiß nicht wo es langgeht, ich habe keine Antwort. Ich kann mich nur auf meine Intuition verlassen. […].[Ich] zimmere […] mir aus Treibgut, das was mir auf meiner Reise begegnet, mein Floß: dieses Buch. [Ich] wünsche […] mir, dass möglichst viele in diesem Buch wiederum viele Anknüpfungspunkte finden und den Faden weiterspinnen.

Denn: Jedes Buch ist eine Flaschenpost in die Zukunft …“

(Ulrike Stoltz (2021), Das Projekt „Caro Giordano“ – Ein Zwischenbericht, in: Buchparadies. Das Magazin zur BuchDruckKunst 2021, S. 81.)

Mitwirkende: Geschichte

Kuratorin: Izabela Mihajlovic

Quelle: Alle Medien
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