Herstellung von Papier
Stoff in Form von Lumpen wurde gesammelt, sortiert, zerkleinert und mit einem wasserbetriebenen Stampfwerk zu Hadernbrei verarbeitet. Den Brei rührte man mit Wasser in einem Fass (Bütte) an und schöpfte ihn dann mit einem Sieb. Das Schöpfsieb, ein Drahtgeflecht mit Holzrahmen, enthält das Wasserzeichen: ein aus Draht gefertigtes, am Sieb befestigtes Gebilde. Eine dünne Schicht Papiermasse wurde jeweils aus dem Sieb auf einen Filz gestürzt. Waren mehrere Schichten Papier und Filz aufeinandergestapelt, legten die Papiermacher den Stapel in eine Presse, um das restliche Wasser auszupressen. Die einzelnen Bogen hängte man anschließend zum Trocknen auf, später wurden sie noch geglättet. Der Verlauf der Siebdrähte wie auch das Wasserzeichen bleibt im Blatt als durchscheinende Struktur sichtbar, da hier die Hadernmasse dünner als im übrigen Bogen ist. Zeitgenössische Abbildungen in Ständebüchern oder Abhandlungen zu technischen Errungenschaften aus verschiedenen Epochen und Orten zeigen die Abläufe in den Papiermühlen, die zu den frühen industriellen Betrieben zählen, recht detailliert.
Der Papyrer
Jost Amman, Hans Sachs: Eygentliche Beschreybung Aller Stände auff Erden
Frankfurt 1568
Ich brauch Hadern zu meiner Mül
Dran treibt mirs Rad deß wassers viel
Daß mir die zschnitn Hadern nelt
Das zeug wirt in wasser einquelt
Drauß mach ich Pogn / auff den filz bring
Durch preß das wasser daraus zwing.
Denn henk ichs auff / laß drucken wern
Schneeweiß und glatt / so hat mans gern.
Bayerische Staatsbibliothek
Signatur Res/4 P.o.germ. 176
Papiermühle
Georg Andreas Böckler: Abbildung Der Gemein-Nützlichen Haupt-Stände Nürnberg 1661
Georg Andreas Böckler im Textteil seiner Publikation zur Abbildung der Papiermühle: „[...] der achteckige Wellbaum B. [wird] durch das Wasser-Rad A. angetrieben / auch heben die Zwech-Arme C. des Wellbaums B. die sechs Klappen-Hämmer D. E. auff und lassens wieder in ihre darunter stehende Kasten auff die Lumpen fallen. Es muß aber auch ein Wasser-Rinne durch welche das Wasser auf die Lumpen und in derselben Kästen lauffet angeordnet werden und sollen die Kästen mit ihrem gebührlichen Ablauff des Wassers verfertiget werden. Die Materi der zerstossenen Lumpen wird mit einen Gitter ferner aus dem Wasser-Zuber G. ausgehoben und wird das Papyr unter der Presse F. auff ein ander gepreßet.“
Bayerische Staatsbibliothek Signatur 2 Math.a. 20, Fig. 73, Textteil S. 17
Der Papierer
Christoph Weigel: Theatrum Machinarum Novum
Regensburg 1698
Es scheinet schlecht, und dient doch recht
Der alte Lumpe kommt durch Fleiß
zu neuen Nutzen schön und weiß:
Solst du mein Hertz verächtlich bleiben?
Hervor aus altem Sünden-Stand,
ganß neu und rein, daß Gottes Hand
auff dich mög seinen Willen schreiben.
Staats- und Stadtbibliothek Augsburg
Signatur 4 H 661
Encyclopédie méthodique par ordre des matières Encyclopédie méthodique par ordre des matières, T.4: Arts et métiers mécaniquesParis 1785Die Enzyklopädie enthält detaillierte Abbildungen zur Papierherstellung, vom Grundriss der Papiermühle bis zur Darstellung der Bestandteile einzelner Geräte.Bayerische StaatsbibliothekSignatur 4 Enc. 9-8,a,4, Titelblatt
Papeterie, Délissage: Glätten der Textilien
Encyclopédie méthodique par ordre des matières, T.4: Arts et métiers mécaniques
Paris 1785
Bayerische Staatsbibliothek
Signatur 4 Enc. 9-8,a,4, Pl. 2
Papeterie, Dérompoir: Zerstoßen der Stoffmassen
Encyclopédie méthodique par ordre des matières, T.4: Arts et métiers mécaniques
Paris 1785
Bayerische Staatsbibliothek
Signatur 4 Enc. 9-8,a,4, Pl. 4
Papeterie, Moulin à Maillets: Stampfwerk
Encyclopédie méthodique par ordre des matières, T.4: Arts et métiers mécaniques
Paris 1785
Bayerische Staatsbibliothek
Signatur 4 Enc. 9-8,a,4, Pl. 5
Papeterie, Formaire: Siebherstellung und Anbringen des Zeichens
Encyclopédie méthodique par ordre des matières, T.4: Arts et métiers mécaniques
Paris 1785
Bayerische Staatsbibliothek
Signatur 4 Enc. 9-8,a,4, Pl. 10
Papeterie, Cuve à Ouvrer: Schöpfen aus der Bütte
Encyclopédie méthodique par ordre des matières, T.4: Arts et métiers mécaniques
Paris 1785
Bayerische Staatsbibliothek
Signatur 4 Enc. 9-8,a,4, Pl. 11
Papeterie, Colage: Leimen der Bögen
Encyclopédie méthodique par ordre des matières, T.4: Arts et métiers mécaniques
Paris 1785
Bayerische Staatsbibliothek
Signatur 4 Enc. 9-8,a,4, Pl. 12
Papeterie, Etendage: Aufhängen der Bögen zum Trocknen
Encyclopédie méthodique par ordre des matières, T.4: Arts et métiers mécaniques
Paris 1785
Bayerische Staatsbibliothek
Signatur 4 Enc. 9-8,a,4, Pl. 13
Papeterie, La Salle et Machine qui fait aller le Marteau: Glätten
Encyclopédie méthodique par ordre des matières, T.4: Arts et métiers mécaniques
Paris 1785
Bayerische Staatsbibliothek
Signatur 4 Enc. 9-8,a,4, Pl. 14
Formenwelt der Wasserzeichen
Die ersten europäischen Wasserzeichen sind Ende des 13. Jahrhunderts in Italien nachweisbar. Die Kennzeichnung von Papieren hat sich seit dieser Zeit als fester Bestandteil der Papierherstellung etabliert. Die Motive spiegeln dabei die Formenwelten ihrer Zeit wieder: es existieren konkrete Darstellungen von Tieren, Pflanzen, Menschen, Naturerscheinungen und Alltagsgenständen wie Werkzeuge und Waffen. Ebenso wurden religiöse Symbole, Herrschaftszeichen oder auch fiktive Wesen der Fabelwelt dargestellt. Als Wasserzeichen wurden aber auch Zahlen und Buchstaben, Handwerksmarken, heraldische Abbildungen oder auch Ornamente unterschiedlichster Komplexität verwendet.
Wasserzeichenkategorien in der Datenbank "Wasserzeichen-Informationssystem" (WZIS)
© Landesarchiv Baden-Württemberg, Hauptstaatsarchiv Stuttgart
WZIS Kategorie: Figuren, anthropomorphe
Chorbuch
Jesuitenkirche St. Michael 1565
Beispiel: Schmied
Bayerische Staatsbibliothek
Signatur Mus.ms. 82, fol. 52
WZIS Kategorie: Fauna
Lautentabulatur
Bibliothek Herwart 1550-1570
Beispiel: Bär
Bayerische Staatsbibliothek
Signatur Mus.ms. 266, fol. 35
WZIS Kategorie: Berge / Himmelskörper
Chorbuch („Leopold Codex“)
Tirol um 1465-um 1510
Beispiel: Dreiberg
Bayerische Staatsbibliothek
Signatur Mus.ms. 3154, fol. 105
WZIS Kategorie: Flora
Chorbuch
Hofkapelle München um 1515
Beispiel: Dreieck mit Blume
Bayerische Staatsbibliothek
Signatur Mus.ms. 36, fol. 172
WZIS Kategorie: Symbole / Herrschaftszeichen
Chorbuch („Leopold Codex“)
Tirol um 1465-um 1510
Beispiel: Kardinalshut
Bayerische Staatsbibliothek
Signatur Mus.ms. 3154, fol. 402
WZIS Kategorie: Realien
Chorbuch
Hofkapelle München um 1520
Beispiel: Armbrust
Bayerische Staatsbibliothek
Signatur Mus.ms. 65, fol. 2
WZIS Kategorie: Wappen
Chorbuch
Hofkapelle München 1584-1585
Beispiel: Nürnberger Wappen
Bayerische Staatsbibliothek
Signatur Mus.ms. 21, fol. 51
WZIS Kategorie: Geometrische Figuren
Chorbuch („Leopold Codex“)
Tirol um 1465-um 1510
Beispiel: Kreis
Bayerische Staatsbibliothek
Signatur Mus.ms. 3154, fol. 455
WZIS Kategorie: Buchstaben / Ziffern
Lautentabulatur
Bibliothek Herwart 1550-1570
Beispiel: Buchstabe K
Bayerische Staatsbibliothek
Signatur Mus.ms. 266, fol. 101
WZIS Kategorie: Marken
Stimmhefte
Bibliothek Herwart Mitte 16. Jahrhundert
Beispiel: Hausmarke
Bayerische Staatsbibliothek
Signatur Mus.ms. 274 a, Bassus, fol. 3
Variantenreichtum
Häufig nutzten die Papiermacher bei der Kennzeichnung ihrer Produkte Ochsenkopfmotive. Die Ausarbeitungen reichen dabei von nur vage angedeuteten Grundformen bis hin zu detaillierten Abbildungen mit Zugabe von Beizeichen, die meist an einer Ober- und/oder Unterstange mit dem Hauptmotiv verbunden wurden.
Ochsenkopf mit Kreuz, rudimentäre Darstellung
Drei Doppelblätter in Chorbuchnotierung
Südbayern 2. Hälfte 16. Jahrhundert
Bayerische Staatsbibliothek
Signatur Clm 29775(1, fol. 1
Ochsenkopf mit Kreuz, Hörner und Ohren erkennbar
Chorbuch („Leopold Codex“)
Tirol um 1465-um 1510
Bayerische Staatsbibliothek
Signatur Mus.ms. 3154, fol. 360
Ochsenkopf mit Stange und Hirschgeweih
Drei Doppelblätter in Chorbuchnotierung
Südbayern 2. Hälfte 16. Jahrhundert
Bayerische Staatsbibliothek
Signatur Clm 29775(1, fol. 3
Ochsenkopf mit Blume, einäugig
Chorbuch („Leopold Codex“)
Tirol um 1465-um 1510
Bayerische Staatsbibliothek
Signatur Mus.ms. 3154, fol. 374
Ochsenkopf mit Blume
Chorbuch („Mensuralcodex St. Emmeram“)
Benediktinerkloster St. Emmeram, Regensburg 2./3. Viertel des 15. Jahrhunderts
Bayerische Staatsbibliothek
Signatur Clm 14274, fol. 26
Ochsenkopf mit Kreuz und Stern
Chorbuch („Leopold Codex“)
Tirol um 1465-um 1510
Bayerische Staatsbibliothek
Signatur Mus.ms. 3154, fol. 143
Ochsenkopf mit Krone und Blume
Chorbuch („Leopold Codex“)
Tirol um 1465-um 1510
Bayerische Staatsbibliothek
Signatur Mus.ms. 3154, fol. 20
Ochsenkopf mit Krone, Blume, Stange zweikonturig
Chorbuch („Leopold Codex“)
Tirol um 1465-um 1510
Bayerische Staatsbibliothek
Signatur Mus.ms. 3154, fol. 115
Ochsenkopf mit Blume und Dreieck
Chorbuch („Leopold Codex“)
Tirol um 1465-um 1510
Bayerische Staatsbibliothek
Signatur Mus.ms. 3154, fol. 85
Marken und Wappen
Wasserzeichen können wie moderne Markenzeichen verstanden werden. Stadt-, Familien-, oder Klosterwappen, zumal wenn sie weitere Attribute enthalten, weisen die Herkunft der Papiere recht präzise nach. Sehr deutlich ist das beispielsweise beim Wappen des Klosters Thierhaupten, das in Kombination mit dem Wappen des Abtes und den Initialen des Papiermachers der Klostermühle auftritt. Zeichen wie das beliebte gotische P, dessen Herkunft bis heute nicht geklärt ist, sollen offensichtlich primär über die besondere Qualität eines Papiers Auskunft geben, während ein weiteres häufiges Zeichen an eine Ziffer 4 erinnert. Hierbei handelt es sich um eine typische Hausmarke der Papiererzunft.
Gotischer Buchstabe P
Tabulatur für Tasteninstrumente („Buxheimer Orgelbuch“)
Süddeutschland um 1460-1470
Bayerische Staatsbibliothek
Signatur Mus.ms. 3725, fol. 4
Gotischer Buchstabe P mit Blume
Bicinienhandschrift
Nordfrankreich/Belgien um 1550
Bayerische Staatsbibliothek
Signatur Mus.ms. 260, fol. 57
Gotischer Buchstabe P mit Landsberger Wappen
Tabulatur für Tasteninstrumente
Augustiner-Chorherrenstift Au am Inn um 1596-1610
Bayerische Staatsbibliothek
Signatur Mus.ms. 1640, fol. 117
Gotischer Buchstabe P mit Augsburger Wappen
Lautentabulatur
Bibliothek Herwart (?) Mitte 16. Jahrhundert
Bayerische Staatsbibliothek
Signatur Mus.ms. 270, fol. 6
Landshuter Wappen mit den Initialen WF
Chorbuch
Hofbibliothek München um 1575
Die Initialen WF stehen für den Landshuter Papiermacher Wolfgang Faist.
Bayerische Staatsbibliothek
Signatur Mus.ms. 68, fol. 56
Pötschner Wappen
Chorbuch
Jesuitenkirche St. Michael um 1565–um 1580
Die Familie Pötschner war Eigentümerin einer Papiermühle in der Au (München). Das Wappen zeigt ein Salzfass.
Bayerische Staatsbibliothek
Signatur Mus.ms. 77, fol. 30
Wappen des Benediktinerklosters Thierhaupten mit den Initialen DU
Chorbuch
Schwaben um 1620–1630
Das Wasserzeichen zeigt das Wappen von Johann Nagel, Abt des Benediktinerklosters Thierhaupten (1620-1637). Die Initialen UD werden dem Papiermacher Urban Dopfer zugeschrieben. Dopfer war ab 1611 als Papiermacher an der Klosterpapiermühle Thierhaupten tätig.
Bayerische Staatsbibliothek
Signatur Mus.ms. 4773, fol. 19
Hausmarke 4 mit den Initialen CM
Chorbuch
Hofbibliothek München 1580/1581, weitere Teile Ende des 17. Jahrhunderts
Die Initialen CM können dem Münchner Papiermacher Christoph Mayer zugeordnet werden. Mayer war Hofpapierer und Eigentümer einer Papiermühle in der Au (1641-1652) und in Thalkirchen (nach 1654-1672).
Bayerische Staatsbibliothek
Signatur Mus.ms. 55, fol. 158
Kaufbeurer Wappen
Das Skriptorium der Münchner Hofkapelle im 16. Jahrhundert verwendete größtenteils Papier aus Kaufbeuren. Dies ergibt die Untersuchung der 75 großformatigen Chorbücher aus dem Kapellbestand. Das besonders starke und hochwertige Papier, das offensichtlich in großen Mengen von Kaufbeurer Papiermühlen für den Hof der Bayerischen Herzöge angekauft wurde, trägt das Wappen der Stadt Kaufbeuren in der Mitte des Bogens. Das Chorbuch-Format bringt es mit sich, dass die Bögen nur einmal gefaltet oder gar in ihrer ganzen Größe beschrieben wurden. Die Anordnung der Lesefelder im Manuskript ergibt in der Regel eine freie Fläche in der Mitte, so dass das Wasserzeichen nicht von Tinte überdeckt wird und gut erkennbar bleibt.
Beginn einer Messe von Orlando di Lasso
Chorbuch Hofbibliothek München um 1560
Das Chorbuch mit der Signatur Mus.ms. 9, datiert um 1560, stammt aus der Münchner Hofkapelle und kann als ein Musterbeispiel des Münchner Skriptoriums der Zeit gelten. Der großformatige Band enthält auf 257 Blättern, durchgängig in der Hand des Kapellschreibers Hanns Mayr geschrieben, fünf Mess-Kompositionen. Das Papier, gebunden in 34 Lagen, ist von einheitlicher Qualität und Herkunft. Es trägt das Wappen der Stadt Kaufbeuren als Wasserzeichen. Dieses tritt in regelmäßiger Folge in zwei minimal voneinander abweichenden Formen (Zwillingen) auf. Dies ist ein Hinweis auf die planvolle Verwendung der Papierbögen.
Bayerische Staatsbibliothek Signatur Mus.ms. 9, fol. 1v und 2r
Wasserzeichen mit Zwilling
Hofbibliothek München um 1560
Die Zwillinge weisen geringfügige, aber charakteristische Abweichungen auf. Das Wasserzeichen findet sich, stets gemeinsam mit seiner Zwillingsform, in 48 Handschriften der Sammlung wieder. Darüber hinaus taucht das Kaufbeurer Wappen als Motiv in weiteren Wasserzeichen bei zahlreichen Musikhandschriften des 16. Jahrhunderts aus dem Bestand der Bayerischen Staatsbibliothek auf.
Bayerische Staatsbibliothek Signatur Mus.ms. 9, fol. 9 und 5
Gespaltener Wappenschild mit Adler
Tabulatur für Tasteninstrumente
Benediktinerkloster Irsee 1607-1610
Bayerische Staatsbibliothek
Signatur Mus.ms. 265, fol. 42
Kaufbeurer Wappen mit Schlange und Dreiblatt
Chorbuch
Jesuitenkirche St. Michael 1651
Bayerische Staatsbibliothek
Signatur Mus.ms. 75, fol. 6
Kleines Kaufbeurer Wappen, Sterne mit Füllung
Lautentabulatur
Bibliothek Herwart 1550-1570
Bayerische Staatsbibliothek
Signatur Mus.ms. 266, fol. 121
Kaufbeurer Wappen mit Schnörkel
Tabulatur für Tasteninstrumente
Benediktinerkloster Irsee 1596-1598
Bayerische Staatsbibliothek
Signatur Mus.ms. 264, fol. 20
Gekrönter Doppeladler, Herzschild mit Kaufbeurer Wappen
Tabulatur für Tasteninstrumente
Süddeutschland um 1620
Bayerische Staatsbibliothek
Signatur Mus.ms. 1581, fol. 17
Kleines Kaufbeurer Wappen, Sterne einkonturig
Chorbuch
Jesuitenkirche St. Michael 1600-1602
Bayerische Staatsbibliothek
Signatur Mus.ms. 71, fol. 277
Fragmentierte Wasserzeichen
Stimmbücher, die für die Aufführung von mehrstimmiger Musik produziert wurden, sind im Gegensatz zum Chorbuch handlich und kleinformatig. So konnte jeder Sänger seine eigenen Noten in Händen halten, bzw. vor sich legen. Die Untersuchung der Wasserzeichen erweist, dass tatsächlich oftmals für die zusammengehörigen Stimmen dieselben Papierbögen, die mehrfach gefaltet und geschnitten wurden, Verwendung fanden. Die enthaltenen Wasserzeichen befinden sich in der Regel am Blattrand oder im Falz und sind zumeist fragmentiert. In vielen Fällen finden sich die Fragmentteile innerhalb derselben Stimme, oft aber auch in einer anderen Stimme desselben Sets wieder. Die ursprünglichen Papierbögen können damit rekonstruiert und der Herstellungsprozess des Manuskripts nachverfolgt werden.
Stimmbücher aus der Sammlung von Johann Heinrich Herwart
Stimmbücher Bibliothek Herwart um 1569-1570
In den sechs Stimmbüchern mit der Signatur Mus.ms. 1503 b wurden 16 Vokalstücke, die ursprünglich als einzelne Blätter überliefert waren, im 19. Jahrhundert zusammen gebunden. Entsprechend sind hier zahlreiche verschiedene Papiere und Wasserzeichen anzutreffen. Die Papiere sind innerhalb der Stücke, wenn auch auf verschiedene Stimmbücher verteilt, einheitlich. Die Zusammenhänge können auch mit Hilfe der fragmentierten Wasserzeichen verifiziert werden und umgekehrt, Fragmente können anhand der zugehörigen Stimmen und Notentexte identifiziert und zusammengesetzt werden.
Bayerische Staatsbibliothek Signatur Mus.ms. 1503 b, Cantus, Altus, Tenor, Bassus, Quinta vox, Sexta vox
Fragmentierte Wasserzeichen
Stimmbücher
Bibliothek Herwart um 1569-1570
Bayerische Staatsbibliothek
Signatur Mus.ms. 1503 b, oberer Teil: Tenor, fol. 1; unterer Teil: Altus, fol. 1
Anker in Kreis mit Stern
Stimmbücher
Bibliothek Herwart um 1569-1570
Bayerische Staatsbibliothek
Signatur Mus.ms. 1503 b,
oberer Teil: Tenor, fol. 1;
unterer Teil: Altus, fol. 1
Gotisches P mit Zirbelnuss in Wappenschild (Wappen Augsburg)
Stimmbücher
Bibliothek Herwart um 1569-1570
Bayerische Staatsbibliothek
Signatur Mus.ms. 1503 b,
oberer Teil: Tenor, fol. 2;
unterer Teil: Altus, fol. 3
Wappenschild mit Dreiberg und Kreuz (Wappen Landsberg) in Vierpass, eingeschrieben in Kreis
Stimmbücher
Bibliothek Herwart um 1569-1570
Bayerische Staatsbibliothek
Signatur Mus.ms. 1503 b,
oberer Teil: Cantus, fol. 12;
unterer Teil: Bassus, fol. 12
Bär
Stimmbücher
Bibliothek Herwart um 1569-1570
Bayerische Staatsbibliothek
Signatur Mus.ms. 1503 b,
oberer Teil: Bassus, fol. 7;
unterer Teil: Quinta vox, fol. 5
Zirbelnuss (Wappen Augsburg)
Stimmbücher
Bibliothek Herwart um 1569-1570
Bayerische Staatsbibliothek
Signatur Mus.ms. 1503 b,
oberer Teil: Bassus, fol. 14;
unterer Teil: Altus, fol. 13
Zwei gekreuzte Pfeile mit Stern
Stimmbücher
Bibliothek Herwart um 1569-1570
Bayerische Staatsbibliothek
Signatur Mus.ms. 1503 b,
oberer Teil: Bassus, fol. 6;
unterer Teil: Altus, fol. 6
Lautenmusik auf schwäbischen Papieren
Das Manuskript mit der Signatur Mus.ms. 266 enthält Musik, notiert in der sogenannten italienischen Lautentabulaturschrift. Es stammt aus der Sammlung des Augsburger Patriziers Johann Heinrich Herwart und befindet sich seit der Erwerbung durch Wilhelm V. im Jahr 1583 in München. Das enthaltene Repertoire - mit Stücken von Cipriano de Rore, Orlando di Lasso, Marco Dall‘Aquila, Melchior Neusiedler, Claudin de Sermisy, Adrian Willaert, Ludwig Senfl und vielen anderen - gibt darüber Aufschluss, dass der Sammler in den Jahren 1550 bis 1570 Musik der international renommiertesten Komponisten zusammentrug. Die verschiedenen Schreiberhände deuten dabei auf eine gänzlich heterogene Sammlung hin, die Papiere stammen allerdings vorwiegend aus dem schwäbischen Raum. Hier geben uns die Wasserzeichen die entscheidenden Hinweise.
Orlando di Lasso: Susanne un jour
Lautentabulatur Bibliothek Herwart 1550-1570
Die fünfstimmige Chanson "Susanne un jour" von Orlando di Lasso erschien 1560 erstmals im Druck. Sie war schnell in ganz Europa beliebt und verbreitete sich verschiedentlich, unter anderem in instrumentalen Bearbeitungen (Tabulaturen). So fehlt sie auch nicht in der Sammelhandschrift aus dem Besitz von Johann Heinrich Herwart (Mus.ms. 266). Die fünf Vokalstimmen sind hier in einer Spezialnotation für die Laute umgesetzt. Sechs Linien symbolisieren die Saiten des Instruments, die Ziffern geben die Lage der Finger auf dem Bund der Laute an, die Fähnchen den Rhythmus.
Bayerische Staatsbibliothek Signatur Mus.ms. 266, fol. 14r
Karte Schwaben
Kupferstich
ca. 1650-1700
Der Kupferstich aus dem späten 17. Jahrhundert kann für die Sammelhandschrift Mus.ms. 266 die regionalen Zusammenhänge veranschaulichen. Die in den Wasserzeichen enthaltenen Wappen sind Anhaltspunkte für die Herkunft von Papieren.
Bayerische Staatsbibliothek
Signatur Mapp. XII,0,ma
Wappenschild gespalten, Adler und Kreuz (Wappen Memmingen)
Lautentabulatur
Bibliothek Herwart 1550-1570
Bayerische Staatsbibliothek
Signatur Mus.ms. 266, fol. 97
Doppeladler mit Herzschild, Buchstabe K (Wappen Kempten)
Lautentabulatur
Bibliothek Herwart 1550-1570
Bayerische Staatsbibliothek
Signatur Mus.ms. 266, fol. 88
Wappenschild mit Schrägbalken und zwei Sternen (Wappen Kaufbeuren)
Lautentabulatur
Bibliothek Herwart 1550-1570
Bayerische Staatsbibliothek
Signatur Mus.ms. 266, fol. 121
Wappenschild mit Zirbelnuss (Wappen Augsburg)
Lautentabulatur
Bibliothek Herwart 1550-1570
Bayerische Staatsbibliothek
Signatur Mus.ms. 266, fol. 84
Wappenschild mit Dreiberg und Kreuz (Wappen Landsberg) in Vierpass, eingeschrieben in Kreis
Lautentabulatur
Bibliothek Herwart 1550-1570
Bayerische Staatsbibliothek
Signatur Mus.ms. 266, fol. 137
Wappenschild, geteilt, mit Rauten und gekröntem Bärenkopf (Wappen Schrobenhausen)
Lautentabulatur
Bibliothek Herwart 1550-1570
Ort auf der Karte nicht eingetragen.
Bayerische Staatsbibliothek
Signatur Mus.ms. 266, fol. 85
Karte Schwaben
Kupferstich
ca. 1650-1700
Bayerische Staatsbibliothek
Signatur Mapp. XII0,ma
Wasserzeichenforschung
Die Wasserzeichenforschung - auch Filigranologie genannt - widmet sich in ihren Fragestellungen historischen Papieren aus materialkundlicher Perspektive: Neue Erkenntnisse zu Datierungen und Provenienzen sind dabei zwei wesentliche Forschungsziele.
Porträt des Wasserzeichenforschers Gerhard Piccard (1909-1989)
Die bis heute maßgeblichen Sammlungen von Wasserzeichen gehen auf die Pioniere dieser Disziplin zurück, die mittels Durchzeichnungen und Abreibungen der Motive das Fundament des Fachs gelegt haben. Die Arbeiten von Charles Moïse Briquet (1839-1918) und Gerhard Piccard (1909-1989) sind dabei beispielhaft und können mittlerweile auch in modernen Datenbanken online recherchiert werden.
© Landesarchiv Baden-Württemberg Hauptstaatsarchiv Stuttgart
Kronen-Wasserzeichen aus der Sammlung Piccard
Veröffentlichungen der Staatlichen Archivverwaltung Baden-Württemberg: Sonderreihe Die Wasserzeichenkartei Piccard im Haupt-staatsarchiv Stuttgart , Band 1: Die Kronen-Wasserzeichen
Die Wasserzeichensammlung von Gerhard Piccard Die Sammlung umfasst ca. 92.000 Wasserzeichen und befindet sich im Hauptstaatsarchiv Stuttgart. In seinen gedruckten Findbüchern publizierte Piccard rund 44.500 dieser Zeichen in 17 Einzelbänden.
Bayerische Staatsbibliothek Signatur Hbm/Aa 54-1, Abt. XII, Nr. 37,S. 158.
Thermografieaufnahme eines Kronen-Wasserzeichens
Chorbuch („Leopold Codex“)
Tirol um 1465-um 1510
Bayerische Staatsbibliothek
Signatur Mus.ms. 3154, fol. 340
Thermografiesystem im ScanZentrum der Bayerischen Staatsbibliothek
Um einen Blick durch das Papier zu erlangen, werden in der gegenwärtigen Forschungslandschaft zum Teil hochtechnisierte Verfahren verwendet: Betaradiographie und Thermografie sind dabei sehr effektive Methoden, um Wasserzeichen auch hinter dicht beschriebenen Passagen oder massiven Farbflächen zu erfassen.
Thermografieaufnahmen im ScanZentrum der Bayerischen Staatsbibliothek
Bei der Thermografie wird mit Hilfe einer Kupferplatte das Papier berührungsfrei um wenige Grad Celsius erwärmt. Eine spezielle Wärmebildkamera erfasst minimale Temperaturunterschiede und macht dabei für einen Sekundenbruchteil die Papierstrukturen sichtbar. Wasserzeichen können so auch bei stark beschriebenen Blättern gut dargestellt werden. Diese Methode ermöglicht einen materialschonenden Blick durch fragile historische Quellen aus Papier.
Der Blick durch das Papier. Wasserzeichen in den Musikhandschriften der Bayerischen Staatsbibliothek von den Anfängen bis zum 17. Jahrhundert
Kuratoren:
Dr. Veronika Giglberger
Bernhard Lutz