By State Chancellery Saarland
Staatskanzlei Saarland
Impressionen zum "Saarhundert" - 100 Jahre Saargebiet-Geschichte: über den Völkerbund in Genf, den Völkerbund im Saargebiet, Regierungskommissionen, dem Landesrat, den ersten "Blauhelm-Einsatz" der Welt im Saargebiet und die Volksabstimmung am 13.01.1935
Völkerbund in Genf
Aufgrund seines Tagungs- und Sitzortes erhielt der Völkerbund auch den Namen Genfer Liga. Seinen ersten Sitz mit der Gründung 1920 hatte der Bund im Genfer Gebäudekomplex Palais Wilson, den er auch nach dem Umzug 1933/1936 weiter nutzte und der gegenwärtig als Sitz des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte (UNHCHR) fungiert. Zwischen 1933 und 1936 ist er in den neu errichteten Gebäudekomplex Palais des Nations (Völkerbundpalast) im Genfer Ariana-Park umgezogen, wo der Hauptsitz der Institution bis zu ihrer Auflösung im Jahre 1946 blieb.
Nach der Gründung der Vereinten Nationen 1945, die vor dem Umzug 1952 nach New York ihren Hauptsitz zunächst in London hatten, haben diese das Palais 1945 vom Völkerbund übernommen, in den folgenden Jahren baulich wesentlich erweitert und nutzen es bis heute. Seit 1966 ist das Palais des Nations der europäische Hauptsitz der Vereinten Nationen (Büro der Vereinten Nationen in Genf) und beherbergt unter anderem den UN-Menschenrechtsrat und die UN-Vertragsorgane.
Die Karte von 1920 zeigt den Grenzverlauf nach dem Wortlaut des Friedensvertrages. (1919)State Chancellery Saarland
Das Saarland ist ein Kind der internationalen Völkergemeinschaft. Seine staatliche Existenz verdankt es dem Versailler Friedensvertrag von 1919. In ihm war vereinbart worden, dass vom Deutschen Reich das knapp 2000 Quadratkilometer große „Saarbecken“ abgetrennt werden sollte, dessen Steinkohlengruben als Kompensation für von Deutschland verursachte Kriegsschäden in französisches Eigentum übergingen. Internationale Kommissionen legten die Saargrenzen fest und definierten die Eigenschaft eines „Saareinwohners“. International besetzt war auch die fünfköpfige Regierungskommission, die bis zu einer für 1935 vorgesehenen Volksabstimmung die Geschicke des provisorischen Staatswesens lenken sollte. So entstand erstmals in der Geschichte ein Mandatsgebiet des Völkerbundes, der als Vorgänger der heutigen UN am gleichen 10. Januar 1920 ins Leben trat wie das Saarland.
Völkerbund Gebäude im Saargebiet und die RegierungskommissionenState Chancellery Saarland
Das alte Landgerichtsgebäude in Saarbrücken war bis 1935 Sitz der Regierungskommission des Saargebietes. Am Turm weht die blau-weiß-schwarze Flagge des Saargebiets. Der Kommissionspräsident hatte seinen Sitz im Kreisständehaus und die Kommiossionsmitglieder residierten Am Staden 10.
Die Regierungskommission (frz.: Commission de gouvernement du Bassin de la Sarre) war eine Behörde, die in den Jahren 1920 bis 1935 das Saargebiet (frz.: Territoire du Bassin de la Sarre, in wörtlicher Übersetzung „Saarbeckengebiet“) im Auftrag des Völkerbundes verwaltete. Rechtsgrundlage waren die Artikel 45 bis 50 sowie die zu diesen Artikeln gehörige Anlage zum Versailler Friedensvertrag (in Kraft getreten am 10. Januar 1920). Die Regierungskommission übernahm am 27. Februar 1920 die Regierungsgewalt im Saargebiet und löste damit die vorherige französische Militärverwaltung ab. Ihre Tätigkeit endete mit der Rückgabe der Regierungsgewalt an das Deutsche Reich zum 1. März 1935.
Bildimpressionen über Gebäude und Regierungskommissionen sehen Sie im Video.
der Saarländische LandesratState Chancellery Saarland
Der Landesrat
Erst 1922 wurde auf Drängen der Bevölkerung des Saargebietes beim Völkerbund mit der Wahl eines Landesrates eine saarländische Volksvertretung geschaffen. Auch hier wurde die herausragende Stellung des Zentrums im Saargebiet wieder deutlich. Der Landesrat ging zwar aus allgemeinen, freien, gleichen, direkten und geheimen Wahlen hervor, verfügte jedoch nur über eingeschränkte Rechte gegenüber der Regierungskommission. Der Präsident wurde von der Regierungskommission ernannt. Initiativanträge konnten nicht gestellt werden. Der Haushaltsplan wurde lediglich zur Kenntnisnahme vorgelegt.
Änderungen an Regierungsvorlagen konnten nicht vorgenommen werden. Der Rat hatte keinen Einfluss auf die Bildung und die Arbeit der Kommission, eine wirksame Kontrollfunktion gegenüber der Exekutive war somit nicht möglich. Die Mitglieder des Rates besaßen keine parlamentarische Immunität.
Hier zu sehen: Die letzte Sitzung des Landesrats findet Ende 1934 im Saarbrücker Rathaus statt. Sie steht ganz im Zeichen der bevorstehenden Volksabstimmung vom 13. Januar 1935.
Weitere Impressionen zum Landesrat im Video.
Erster Blauhelm - Einsatz der Völkergemeinschaft - VölkerbundState Chancellery Saarland
Um eine reguläre Abstimmung unter internationaler Kontrolle zu garantieren, wurden 4000 britische, niederländische, italienische und schwedische Soldaten an die Saar entsandt: der erste „Blauhelm“-Einsatz in der Geschichte der Völkergemeinschaft. Der von einem Heer internationaler Beobachter dokumentierte Volksentscheid. Zu den Aufgaben der Abstimmungstruppen gehörten neben der Begleitung des ordnungsgemäßen Ablaufs des
Abstimmungskampfes vor allem die Überwachung des Wahlvorgangs am Abstimmungstag selbst. Schwer bewaffnete Einheiten sorgten dafür, dass die Urnen mit den Wahlzetteln aus den verschiedenen Landesteilen ohne Zwischenfälle zur zentralen Auszählungsstelle in der Saarbrücker Wartburg gebracht wurden. Auch dort standen die internationalen Truppen bis zum endgültigen Abtransport der Wahlunterlagen nach dem 15. Januar Tag und Nacht Wache.
Impressionen - Abstimmungstag 1935 Wahllokale und Stimmenauszählung - Bekanntgabe in der WartburgState Chancellery Saarland
Die Saarabstimmung
Der Versailler Vertrag sah drei Optionen für die Abstimmungsentscheidung vor:
1. Beibehaltung der gegenwärtigen Rechtsordnung (Status quo)
2. Vereinigung mit Frankreich
3. Vereinigung mit Deutschland
Für die erste Option hatte niemand konkrete Planungen angestellt, der Völkerbund selbst äußerte sich diplomatisch unverbindlich, das Saargebiet wäre weiterhin wirtschaftlich ausgebeutet worden und ein Zankapfel zwischen Frankreich und Deutschland geblieben. Die zweite hätte Demokratie, jedoch Verlust der deutschen Sprache und Kultur bedeutet. Die dritte Option bedeutete, mit Deutschland zugleich Hitler zu wählen.
Der Abstimmungskampf (auch Saarkampf) wurde mit politischen, künstlerischen und medialen Mitteln geführt, wobei die mediale Präsenz der Deutschen Front die der Einheitsfront bei weitem übertraf. Vom Deutschen Reich aus wurden schon Monate vor der Volksabstimmung besondere Anstrengungen unternommen, um das Saargebiet per Rundfunkpropaganda zu erreichen. Volksempfänger wurden verteilt und in zahlreichen Sendungen betont, das Saargebiet gehöre zu Deutschland. Im Zuge dieser von Joseph Goebbels geleiteten Kampagne der NS-Propaganda wurden 1500 Versammlungen und Kundgebungen sowie über 80.000 Plakate eingesetzt.
Die Alternative zur Rückkehr nach Deutschland sei fortgesetzte Massenarbeitslosigkeit, wirtschaftliche Ausbeutung durch Frankreich und fehlende politische Mitbestimmung. Die Hitlergegner sahen die bevorstehende Abstimmung als Chance eines Denkzettels gegen Hitler. Dem in den Veranstaltungen unzählige Male gesungenen Saarlandlied "Deutsch ist die Saar" von Hanns Maria Lux stellte Bertolt Brecht das Lied "Haltet die Saar, Genossen!" entgegen, das von Hanns Eisler vertont wurde. Gustav Regler schrieb den oppositionellen Roman "Im Kreuzfeuer".
Zu den Befürwortern des Status Quo gehörten u.a. auch Johannes Hoffmann und der SPD-Vorsitzende Max Braun. Sie riefen dazu auf, vor einem Anschluss an Deutschland zunächst das Ende der Amtszeit Hitlers abzuwarten, der seit 1933 die Macht in Deutschland inne hatte; denn sie hatten schon lange vor der Saarabstimmung erkannnt, dass sich die Gräuel seiner späteren Diktatur abzuzeichnen begannen.
Verabschiedung der Mitglieder der internationalen Abstimmungskomission. (1935)State Chancellery Saarland
Wenige Tage nach der Volksabstimmung verabschieden sich die Mitglieder der internationalen Abstimmungskommission auf dem Saarbrücker Hauptbahnhof. Im Video sieht man noch einige Originalaufnahmen rund um die Volksabstimmung.
Staatskanzlei des Saarlandes
Landesarchiv des Saarlandes