„You have done a great service to science“ (Charles Darwin) – Anton Dohrn (1840-1909) und die Zoologische Station Neapel
Mit diesem Satz gratulierte Charles Darwin seinem Kollegen Anton Dohrn zum 25-jährigen Jubiläum der Zoologischen Station Neapel im Jahre 1897. Der Zoologe Anton Dohrn (1840-1909), dessen umfangreichen Nachlass die Bayerische Staatsbibliothek verwahrt, verfolgte Mitte des 19. Jahrhunderts das Ziel, am Mittelmeer eine Institution zu schaffen, an der Biologen aus der ganzen Welt optimale Voraussetzungen für ihre Forschungen finden sollten. Er wollte so nicht nur nationale Gegensätze überwinden, sondern auch die verschiedenen wissenschaftlichen Richtungen in Fragen der Evolutionsbiologie zusammenbringen. Anton Dohrn kann als sehr erfolgreicher „Wissenschaftsmanager“ definiert werden. So gelang es ihm, gegen große Widerstände von der Stadt Neapel ein Grundstück direkt am Meer geschenkt zu bekommen. Den Bau des neoklassizistischen Gebäudes – berühmt sind die Fresken von Hans von Marées in der Bibliothek – die Einrichtung der Laboratorien und den Aufbau einer weltweit einzigartigen Spezialbibliothek finanzierte er privat, durch Spenden und öffentliche Gelder. 1873 wurde die Station für die Wissenschaftler eröffnet, von 1874 an gab es auch ein öffentliches Aquarium, um mit den Eintrittsgeldern die laufenden Kosten zu decken. Da die Einnahmen jedoch entgegen Dohrns Erwartungen bei weitem nicht ausreichten, erfand Dohrn das sog. „Tischsystem“. Diese Innovation erlaubte es Universitäten, wissenschaftlichen Einrichtungen und Regierungen, gegen eine Gebühr einen Wissenschaftler auf ein Jahr zu entsenden. Dagegen wurden frei zur Verfügung gestellt: ein bestens ausgestatteter Arbeitsplatz, täglich von hauseigenen Fischern im Meer gefangenes Forschungsmaterial (Meeresfauna und -flora), Laboratorien, eine herausragende Bibliothek und unterstützendes Personal. Durch die Nähe der Arbeitsplätze kam ein reger Austausch unter den Gastwissenschaftlern in Gang, so dass bald von einem „dauernden internationalen Gelehrtenkongreß“ gesprochen wurde. Viele große Zoologen der Zeit forschten an der Station, so unter anderen Fridtjof Nansen, Robert Koch, Theodor Boveri, Jacob van Rees, Nettie Stevens und Otto Warburg. Als Anton Dohrn 1909 starb, hatten sich bereits über 2200 Wissenschaftler an der Station aufgehalten. Bis heute besteht die Zoologische Station fort, die nach dem Tod von Anton Dohrn im Jahr 1909 bis 1963 von seinem Sohn Reinhard, ebenfalls studierter Biologe, geleitet wurde und heute mit fast 300 ständigen Mitarbeitern vom italienischen Wissenschafts- und Forschungsministerium finanziert wird.
Stich der Stazione zoologicaBavarian State Library
I. DOHRN ALS WISSENSCHAFTLER
Anton Dohrn studierte an den Universitäten in Königsberg, Bonn, Berlin und Jena Naturwissenschaften und promovierte 1865 mit der Arbeit "Zur Anatomie der Hemipteren" in Berlin. Er habilitierte sich 1868 in Jena unter Erich Haeckel mit dem Werk "Studien zur Embryologie und Genealogie der Arthropoden"
Stich der Stazione zoologica
Stich der Stazione zoologica
1873
Ana 525.lb
Anton Dohrn 1883
Anton Dohrn 1883
1883
BSB Ana 525, Lb 2
Marie Dohrn
geb. von Baranowska, um 1880/85 in Neapel
1885
BSB Ana 525, Lb 2
Familie Dohrn
um 1905, von links nach rechts die Söhne Reinhard (1880-1962), Boguslav (1875-1960), Wolf (1878-1914) und Harald (1885-1945), vorne sitzend Marie (1855-1918) und Anton Dohrn (1840-1909)
1905
BSB Ana 525, Lb A-Z
Reinhard Dohrn
um 1915, der spätere Leiter der Zoologischen Station (von 1909-1962).
1915
BSB Ana 525, Lb A-Z
Anton Dohrn: Handgezeichnete Druckvorlage
Handgezeichnete Druckvorlage für den Aufsatz Eugereon boeckingi, eine neue Insektenform aus dem Todtliegenden. Erschienen in: Palaeontographica, hrsg. von Wilhelm Dunker, Bd. 13, Verlag Theodor Fischer, Kassel 1866, S. 333-340. In diesem Aufsatz legt Dohrn seine mit Hilfe eines Mikroskops gewonnenen Erkenntnisse über ein versteinertes Insekt vor, das in der Eisensteingrube des Hüttenbesitzers Böcking im Fürstentum Birkenfeld gefunden worden war.
1866
BSB Ana 525, Lb A-Z
Anton Dohrn: Die Abstammung der Wirbeltiere. Manuskript
Entwurf zu dem später publizierten Werk: Der Ursprung der Wirbelthiere und das Princip des Functionswechsels. Genealogische Skizzen von Anton Dohrn. Verlag Wilhelm Engelmann, Leipzig 1875.
1875
BSB Ana 525, Fa
Gebäude zoologische StationBavarian State Library
II. DOHRNS NETZWERK
Die umfangreiche Korrespondenz Anton Dohrns, die sich in seinem Nachlass an der Bayerischen Staatsbibliothek erhalten hat, belegt seine hervorragende Vernetzung in wissenschaftlich und gesellschaftlich bedeutsamen Kreisen. Er war so stets auf dem neuesten Stand der zeitgenössischen Entwicklungen und konnte zahlreiche einflussreiche Förderer für seine Projekte gewinnen.
Brief von Ernst Abbe vom 5.4.1872
Abbe (1840-1905) gelangen im Bereich der Physik und der Entwicklung optischer Geräte bahnbrechende Erfolge. Im vorliegenden Brief berichtet er über die Fertigstellung eines neuen Mikroskops und seine Vereinbarungen mit Carl Zeiss (1816-88).
1872
BSB Ana 525, Ba 79
Brief von Francis Maitland Balfour vom 9.7.1874 (Vorderseite)
Balfour (1851-1882) ist ein Stammvater der modernen Embryologie. Er trat mit vergleichenden Studien zu den Chordatieren hervor und galt bei seinen Kollegen bis zu seinem frühen Tod durch einen Bergunfall als Nachfolger Darwins. Balfour unterstützte die Zoologische Station finanziell in großzügiger Weise. Im vorliegenden Schreiben gratuliert er Dohrn zur Hochzeit.
1874
BSB Ana 525, Ba 221
Brief von Francis Maitland Balfour vom 9.7.1874 (Rückseite)
Balfour (1851-1882) ist ein Stammvater der modernen Embryologie. Er trat mit vergleichenden Studien zu den Chordatieren hervor und galt bei seinen Kollegen bis zu seinem frühen Tod durch einen Bergunfall als Nachfolger Darwins. Balfour unterstützte die Zoologische Station finanziell in großzügiger Weise. Im vorliegenden Schreiben gratuliert er Dohrn zur Hochzeit.
1874
BSB Ana 525, Ba 221
Brief von Rudolf Virchow vom 12.09.1874
Virchow (1821-1902) begründete die moderne Pathologie. Er beschrieb die Leukämie, formulierte auf dem Grundsatz „Omnis cellula e cellula“ seine Zelltheorie und prägte den Begriff des medizinischen Kunstfehlers. Mit dem ausgestellten Brief schickt er Dohrn eine auf dessen Bitte hin unterzeichnete Subskriptionssammlung zu Gunsten der Zoologischen Station („Beiliegend meine Unterschrift … Möge die Aufforderung reiche Frucht tragen“).
1874
BSB Ana 525, Ba 239
Brief von Carl Ernst von Baer, 17.9.1875 (Vorderseite)
Von Baer (1792-1876) ist einer der wichtigsten Biologen des 19. Jahrhunderts. Ihm gelang die Entdeckung der menschlichen Eizelle, die Beschreibung der Chorda dorsalis und die Begründung der vergleichenden Embryologie auf Grundlage des Keimblattkonzeptes. Im vorliegenden Brief dankt Baer für den Bericht über die Fortschritte der Zoologischen Station.
1875
BSB Ana 525, Ba 296
Brief von Carl Ernst von Baer, 17.9.1875 (Vorderseite)
Von Baer (1792-1876) ist einer der wichtigsten Biologen des 19. Jahrhunderts. Ihm gelang die Entdeckung der menschlichen Eizelle, die Beschreibung der Chorda dorsalis und die Begründung der vergleichenden Embryologie auf Grundlage des Keimblattkonzeptes. Im vorliegenden Brief dankt Baer für den Bericht über die Fortschritte der Zoologischen Station.
1875
BSB Ana 525, Ba 296
Brief von Carl Ernst von Baer, 17.9.1875 (Rückseite)
Von Baer (1792-1876) ist einer der wichtigsten Biologen des 19. Jahrhunderts. Ihm gelang die Entdeckung der menschlichen Eizelle, die Beschreibung der Chorda dorsalis und die Begründung der vergleichenden Embryologie auf Grundlage des Keimblattkonzeptes. Im vorliegenden Brief dankt Baer für den Bericht über die Fortschritte der Zoologischen Station.
1875
BSB Ana 525, Ba 296
Brief von Carl Ernst von Baer, 17.9.1875 (Rückseite)
Von Baer (1792-1876) ist einer der wichtigsten Biologen des 19. Jahrhunderts. Ihm gelang die Entdeckung der menschlichen Eizelle, die Beschreibung der Chorda dorsalis und die Begründung der vergleichenden Embryologie auf Grundlage des Keimblattkonzeptes. Im vorliegenden Brief dankt Baer für den Bericht über die Fortschritte der Zoologischen Station.
1875
BSB Ana 525, Ba 296
Brief von Charles Darwin vom 26.11.1867 (Vorderseite)
Darwin ist einer der bekanntesten Naturwissenschaftler. Er lieferte die wesentlichen Beiträge zur Evolutionstheorie, welche bis heute in der Naturwissenschaft als die Erklärung für die Entstehung des Lebens gilt. Seine Forschungsergebnisse veränderten das gesamte Weltbild. Im gezeigten Brief nimmt er Bezug auf Dohrns Aufsatz zu Eugereon boeckingi: „I received some time ago a valuable memoir from you on certain ancient fossil insects, for which I am much obliged“.
1867
BSB Ana 525, Ba 694
Brief von Charles Darwin vom 26.11.1867 (Rückseite)
Darwin ist einer der bekanntesten Naturwissenschaftler. Er lieferte die wesentlichen Beiträge zur Evolutionstheorie, welche bis heute in der Naturwissenschaft als die Erklärung für die Entstehung des Lebens gilt. Seine Forschungsergebnisse veränderten das gesamte Weltbild. Im gezeigten Brief nimmt er Bezug auf Dohrns Aufsatz zu Eugereon boeckingi: „I received some time ago a valuable memoir from you on certain ancient fossil insects, for which I am much obliged“.
1867
BSB Ana 525, Ba 695
Brief von Carl von Siebold vom 26.6.1874
Carl von Siebold (1804-1885) war ein bedeutender Zoologe. Intensiv befasste er sich besonders mit der Erforschung der Parthenogenese (einer Form der eingeschlechtlichen Fortpflanzung). In München betreute er die Zoologische Staatssammlung. Im gezeigten Brief gratuliert er Dohrn ebenfalls zur Hochzeit.
1874
BSB Ana 525, Ba 756
Carl von Brief von Siebold vom 26.6.1874
Carl von Siebold (1804-1885) war ein bedeutender Zoologe. Intensiv befasste er sich besonders mit der Erforschung der Parthenogenese (einer Form der eingeschlechtlichen Fortpflanzung). In München betreute er die Zoologische Staatssammlung. Im gezeigten Brief gratuliert er Dohrn ebenfalls zur Hochzeit.
1874
BSB Ana 525, Ba 757
Brief von Hermann Helmholtz vom 26.9.1871
Helmholtz (1821-94) war einer der vielseitigsten Naturwissenschaftler seiner Zeit und wurde als „Reichskanzler der Physik“ bezeichnet. Er formulierte den Energieerhaltungssatz. Im vorliegenden Brief schreibt Helmholtz an Dohrn: „Ich habe nichts dagegen, dass Sie mein Schreiben an Sie abdrucken lassen, wenn es Ihnen nützlich erscheint.“
1871
BSB Ana 525, Ba 764
Quittung für Werner Siemens, 28.12.1879
Anton Dohrn bestätigt, dass Werner Siemens ihm 30.000 Reichsmark zu 5% Zins geliehen hat. Dohrn wird das Geld zurückzahlen, sobald das Auswärtige Amt diese Summe zur Unterhaltung der Zoologischen Station in Neapel angewiesen hat. Offenbar half Siemens Dohrn auf diese Weise, einen finanziellen Engpass zu überbrücken.
1879
BSB Ana 525, Ba 3584
Brief von Anton an Marie Dohrn vom 12.7.1876
Dieser Brief zeigt Dohrn als umtriebigen Netzwerker, der um ideelle und finanzielle Förderung seiner Zoologischen Station wirbt. Er beschreibt ein Treffen mit Mitgliedern der Familie von Herzog Max in Bayern. Wahrscheinlich ist mit „Prinz“ der zweitälteste Sohn des Herzogs Carl Theodor (1839-1909) gemeint, der ein bekannter Augenarzt war und die nach ihm benannte Augenklinik gründete. Die erwähnte Schwester ist Elisabeth, genannt „Sissi“, Kaiserin von Österreich.
1876
BSB Ana 525, Bd 31
III. DOKUMENTE ZUR ZOOLOGISCHEN STATION
1873 wurde die Station für die Wissenschaftler eröffnet, von 1874 an gab es auch ein öffentliches Aquarium, um mit den Eintrittsgeldern die laufenden Kosten zu decken.Um die Ergebnisse, welche im Bereich der Meeresbiologie erzielt wurden, zu verbreiten, begründete Dohrn drei Periodika: Die „Mittheilungen aus der Zoologischen Station zu Neapel“ gab den Wissenschaftlern die Möglichkeit, ihre Ergebnisse rasch zu publizieren. In „Fauna and Flora of the Gulf of Naples“ erschienen Monographien zum Thema. Dohrn unterstützte die Autoren letztgenannter Serie oft, indem er sie als Assistenten an der Zoologischen Station einstellte und ihnen damit gute Forschungsbedingungen und einen Lebensunterhalt sicherte. Das Referenzwerk „Zoologischer Jahresbericht“ bot eine Zusammenstellung und Zusammenfassungen der Forschungsliteratur des vergangenen Jahres.
Anton Dohrn: Geschichte der Gründung der Zoologischen Station. Manuskript
S.1: Beginn unter dem Motto: „Ein grosser Vorsatz scheint im Anfang toll“. Es folgt ein Bericht, wie Dohrn durch seine Arbeiten in Messina mit drei Aquarien zuerst die Idee der Gründung einer Forschungsstätte am Meer kam.
BSB Ana 525, Ha,b, III.2
Erster Jahresbericht der zoologischen Station in Neapel.
Wilhelm Engelmann, Leipzig 1876 S. 20f.: Mustervertrag zwischen Anton Dohrn und den Regierungen der Länder, aus welchen die Wissenschaftler an der Zoologischen Station entsandt werden. Die Regelungen enthalten Angaben darüber, welche Geräte und Chemikalien an den Tischen der Forscher vorzuhalten sind, wann aus dem Meer Material gebracht wird usw.
1876
Erster Jahresbericht der zoologischen Station in Neapel. Wilhelm Engelmann, Leipzig 1876 S. 20f
Führer durch das Aquarium der zoologischen Station zu Neapel.
Breitkopf und Härtel, 7. Aufl., Leipzig 1912 S. 26f.: Becken No. 11-13. Fische: Muräne, mehrere Arten Zitterrochen, Drückerfisch. Die Publikation gibt im ersten Teil für alle 26 Becken des Aquariums in Neapel mit Abbildungen an, welche Tiere und Pflanzen ausgestellt sind und bietet im zweiten Teil ausführliche Beschreibungen.
1912
Führer durch das Aquarium der zoologischen Station zu Neapel. Breitkopf und Härtel, 7. Aufl., Leipzig 1912 S. 26f
Armin von Tschermak: Die Zoologische Station in Neapel
In: Meereskunde. Sammlung volkstümlicher Vorträge zum Verständnis der nationalen Bedeutung von Meer und Seewesen 8, Heft 2, Ernst Siegfried Mittler und Sohn, Berlin 1914 S.
24f.: Fotos des physiologischen Laboratoriums der Station, Sezierhalle, Grundrisse der Zoologischen Station.
1914
Ehrung zum 25. Jahrestag des Bestehens der Zoologischen Station
überreicht vom Istituto Mackean Neapel, April 1897 Holztafel mit Meerestieren und Bild der Zoologischen Station (Lötkunst).
1897
BSB Ana 525
Bis heute besteht die Zoologische Station fort, die nach dem Tod von Anton Dohrn im Jahr 1909 bis 1963 von seinem Sohn Reinhard, ebenfalls studierter Biologe, geleitet wurde und heute mit fast 300 ständigen Mitarbeitern vom italienischen Wissenschafts- und Forschungsministerium finanziert wird.
Anton Dohrn und die zoologische Station in Neapel - Dokumente aus dem Nachlass des Zoologen
Kuratoren:
Dr. Rahel Bacher
Dr. Max Schreiber
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